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Von Bienen, Blumen und Charles Darwin

Biologie. - Befindet sich unter ihren Zimmerpflanzen ein Afrikanisches Veilchen ? Wenn ja, dann sollten Sie sich die Blüten einmal genauer ansehen. Die sind nämlich nicht symmetrisch aufgebaut. Der Stempel neigt nach rechts, während die Pollenfäden, die so genannten Antheren nach links zeigen – oder andersherum. Von Pflänzchen zu Pflänzchen ist das anders. Enantiostylie nennen die Botaniker dieses Phänomen. Doch obwohl es bereist seit rund 100 Jahren bekannt ist, hat ein kanadisch-neuseeländisches Forscherteam erst jetzt das verantwortliche Gen gefunden und den biologischen Sinn der spiegelbildlichen Blüten erkannt.

    Von Grit Kienzlen

    Wenn sich Blüten in der Evolution irgendwelche Extravaganzen ausgedacht haben, dann meistens, um es ihren Bestäubern leichter zu machen, seien dies Fledermäuse, der Wind oder die Bienen. Was aber, fragten sich Linley Jesson und Spencer Barrett in Toronto, könnten Spiegelbildblüten an der Arbeit der Bienen ändern? Bei einigen der enantiostylen Pflanzen, meist tropische Verwandte von Erbsen, Auberginen oder Tomaten, tragen alle Blüten an einem Exemplar den Stempel rechts und die Antheren links oder andersherum. Dann sind alle Blüten Linksstempler.

    Bereits die Botaniker, die die Spiegelbildblüten Ende des 19. Jahrhunderts beschrieben haben, vermuteten, sie dienten der Unterdrückung von Selbstbestäubungen. Ihr Ideengeber war kein geringerer als Charles Darwin, der sich mit einem ähnlichen Phänomen, dem der unterschiedlich langen Stempel innerhalb einer Art beschäftigte.

    Darwin hat dafür als erster eine Erklärung geliefert. In seinen Schriften stellt er es als mechanische Hilfe für die Kreuzbestäubung dar. Der Pollen wird an verschiedenen Teilen des Insektenkörpers deponiert, abhängig davon, wo das entsprechende weibliche Sexualorgan sitzt. In dieser Logik haben wir weitergedacht und gesagt: Wenn eine Biene in eine enantiostyle Blüte fliegt, bleibt der Pollen vor allem an einer Seite des Körpers hängen. Damit werden Bestäubungen von Blüten mit dem anderen Spiegelbild gefördert.

    Fliegt die Biene mit – sagen wir Pollen am rechten Unterleib - in eine Blüte derselben Pflanze, dann wird sie diese wahrscheinlich nicht bestäuben, weil der Stempel dort nach links zeigt. Und das ist gut so – denn Selbstbestäubung führt zu Inzucht-Erscheinungen. In einer der spiegelbildlichen Blüten eines anderen Exemplars zeigt der Stempel dagegen nach rechts und wird von der Biene bestäubt. Spencer Berrett und seine Mitarbeiterin testeten diese Hypothese, indem sie untersuchten, wie viele Samen einer enantiostylen Pflanze aus Kreuzungen zwischen Exemplaren mit gleichen oder mit spiegelbildlichen Blüten hervorgegangen waren.

    Wir haben die Pflanzen in einen experimentellen Garten gesetzt, wo sie von Bienen besucht wurden und haben dann die Samen eingesammelt. Dann haben wir sozusagen eine Vaterschaftsanalyse gemacht und die Ergebnisse stützen die Ansicht, dass Enantiostylie der Kreuzbestäubung zwischen den zwei Formen dient.

    So weit so gut. Nun gibt es aber Pflanzen, bei denen Blüten beider Spiegelbilder auf demselben Exemplar gleichzeitig blühen, so dass die Selbstbestäubung doch wieder möglich wird. Berrett:

    Das ist das Rätsel der Spiegelbildblumen und der Stolperstein für alle Leute, die den Sinn des Phänomens erkunden wollten.

    Spencer Berrett und Linley Jesson haben sich diesem Problem wiederum mit Darwins Augen genähert. Vielleicht, sagten sie sich, verringern Spiegelblüten auch dann die Selbstbestäubung, wenn sie auf demselben Blütenstand vorkommen. Vielleicht sind sie einfach die evolutionäre Vorstufe zur völligen Trennung beider Blütenarten. In ihrem experimentellen Garten manipulierten sie deshalb eine Art, die eigentlich beide Spiegelbildblüten auf demselben Blütenstand produziert. Einmal schnitten sie einfach alle Links- oder Rechtsstempelblüten ab und bekamen so künstliche Einheitsexemplare. Im anderen Fall richteten sie den Stempel mit einem Faden zur Mitte hin aus, so dass alle Blüten gleich waren, wie in den meisten Blütenpflanzen. Dann verglichen sie die drei Zustände: Gerader Stempel, rechter und linker Stempel auf demselben Exemplar und rechter und linker Stempel auf verschiedenen Exemplaren. Berrett:

    Wenn eine Biene Pflanzen mit geradem Stempel besucht, kann jede Blüte die sie dort besucht Pollen von der vorherigen Blüte bekommen. Wenn die Blüten aber Spiegelbilder sind, wird die Wahrscheinlichkeit um die Hälfte reduziert. Das heißt, selbst wenn die Blüten eine Mischung von Links- und Rechtsstemplern sind, verringert sich der Grad der Selbstbestäubung.

    Exemplare mit ganz getrennten Spiegelbildern sind dann nur die letzte Stufe, die Krone der enantiostylen Schöpfung.