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Von "Blutgeld" und "Sippenhaft"

Doris Schäfer-Noske: Vor zwei Jahren hat alles begonnen. Da trafen sich der Kunstsammler Friedrich Christian Flick und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit. Und Flick versprach der Stadt Berlin, ihr für sieben Jahre seine Kunstsammlung anzuvertrauen. Zunächst war man in Berlin erfreut darüber, dass einem eine wertvolle Kunstsammlung quasi in den Schoß gefallen war. Nach und nach mehrten sich aber die Bedenken. Über die Nebenkosten der sieben Wechselausstellungen wurde diskutiert. Es wurde kritisiert, dass Flick der Stadt die Sammlung nur leihen wollte, nicht schenken.

Stefan Koldehoff im Gespräch |
    Und schließlich wurde der eigentliche Vorwurf laut, nämlich: Flick wolle mit der Kunstsammlung die dunklen Seiten der Familiengeschichte vergessen machen. Flicks Großvater war Hitlers wichtigster Rüstungslieferant. Heute hat nun der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, Flick aufgefordert, auf die Ausstellung im September zu verzichten. Begründung: Es handele sich dabei um - so wörtlich "eine Art moralische Weißwäsche von Blutgeld in eine gesellschaftlich akzeptierte Form des Kunstbesitzes". Ich habe Stefan Koldehoff gefragt, inwieweit denn damit die Flick-Debatte einen neuen Höhepunkt erreicht hat.

    Stefan Koldehoff: Sicherlich insofern als hier jetzt zum ersten mal eine Institution, nämlich der Zentralrat der Juden in Deutschland, deren Name steht mit auf diesem offenen Brief, tatsächlich fordert, dass dieses Projekt aufgegeben werden soll. Seit zwei Jahren gibt es die Überlegungen, die Flick-Sammlung nach Berlin zu bringen, mindestens ebenso lange auch die Debatten um die Kollektion von rund 1800 bis 2100 - wie viele Werke es ganz genau sind, weiß vermutlich selbst Herr Flick nicht. Die Debatte hat nicht nur in Berlin stattgefunden. Es hatte vorher schon Überlegungen gegeben, ein Museum für diese Sammlung in Zürich zu bauen. Auch dort hat es heftige Widerstände gegen diese Sammlung gegeben. Flick hat sich dann aus Zürich zurückgezogen und Gespräche mit Berlin begonnen. Dort wird jetzt zum ersten mal öffentlich offiziell gefordert, er solle auch dorthin nicht kommen.

    Schäfer-Noske: Kann man denn nicht tatsächlich bemängeln, dass Flick zwar Reichtum geerbt, aber nichts in den Zwangsarbeiterfond eingezahlt hat? Er hat zwar eine Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit stattdessen gegründet, aber das Ganze wirkte doch eher wie ein Ausweichmanöver.

    Koldehoff: Flick hat zumindest nicht schlau agiert und vielleicht auch nicht über die Wirkung dessen nachgedacht, was er da tut und was nicht. Er argumentiert bis heute sehr formalistisch, indem er sagt, ich bin irgendwann Mitte der 70er Jahre aus diesem Unternehmen ausgeschieden. Ich habe mit dem Flick-Konzern und den Firmen, die aus ihm hervorgegangen sind, überhaupt nichts mehr zu tun, deswegen bin ich auch nicht verpflichtet, in diesen Zwangsarbeiterfond einzuzahlen.

    Er sagt ferner, die Firmen, die aus dem Flick-Imperium hervorgegangen sind, haben diesen Fond zum Teil mitbegründet, auch in ihn einbezahlt. Ich selbst war aber der Meinung, ich als Privatperson sollte das nicht tun, denn wenn ich als Privatperson einen größeren Betrag einzahle, dann entlaste ich eigentlich andere Unternehmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben, aus deren Verpflichtung. Ich habe mich dazu entschieden, mit zehn Millionen eine Stiftung für Toleranz und gegen Rassismus zu gründen, einen Stiftung übrigens, die seit Jahren arbeitet und der Experten auch bescheinigen, das sie vernünftige Arbeit leistet.

    Das ist die Entscheidung gewesen, die Herr Flick irgendwann getroffen hat. Ob die nun klug war, ob es nicht vielleicht schlauer hätte sein können, wenigstens auch als symbolische Geste, in den Zwangsarbeiterfond einzuzahlen, das mag mal dahingestellt bleiben. Was mich ein bisschen stört an der Debatte, die jetzt losgegangen ist, ist die Terminologie, mit der sie geführt wird, also da von Blutgeld zu reden, das erinnert doch schon stark an Sippenhaft. Man muss sich doch bitte noch mal klarmachen, dass Friedrich Christian Flick, der Kunstsammler, um den es hier geht, im September 1944 geboren ist, also ein gutes halbes Jahr, bevor der Krieg zu Ende war. Er hat sicherlich profitiert von dem Geld, das vor allen Dingen sein Großvater durch Geschäfte mit den Nazis gemacht hat, aber dass möglicherweise Blut an seinen Händen kleben soll, wie es dieser Brief insinuieren mag, an den Händen seiner Kinder und seiner Enkel, das mag ich nicht wirklich nachvollziehen.

    Schäfer-Noske: Aber wäre es denn jetzt nicht geschickt, anstelle von Flick nun doch dieser Ausstellung vielleicht eine Dokumentation über die Flick-Familie danebenzustellen oder möglicherweise doch über eine Schenkung der Sammlung an Berlin nachzudenken?

    Koldehoff: Ich halte es grundsätzlich für sinnvoll, eine Ausstellung über die Familie Flick und ihre Rolle in der Bundesrepublik zu veranstalten, weiß allerdings nicht, ob es schlau wäre, dieser Kunstsammlung generell eine Sammlung über die Familie Flick an die Seite zu stellen, also für immer und ewig. Man müsste sich überlegen, wo man das eigentlich noch tun müsste. Wenn ich daran denke, dass die Hamburger Kunsthalle Dutzende von Werke aus der Sammlung Reemtsma hat - auch das ein großer Förderer der NSDAP und Hitlers persönlich gewesen. Man müsste dann vielleicht alles in Frage stellen, was irgendwie eine historische Vergangenheit hat und allem eine Dokumentation beifügen. Ich glaube, dann würde man vor lauter Dokumentationen nicht mehr den eigentlichen Kern der deutschen Geschichte sehen.

    Die zweite Frage, die Sie gestellt haben, sollte er nicht über eine dauerhafte Schenkung nachdenken, denn bislang ist immer nur von einer siebenjährigen Leihgabe die Rede - ja, das sollte er sicherlich tun. Und auch da könnte man moralische Gründe für anführen, nicht die moralischen Gründe, damit etwas gutzumachen, was sein Großvater vielleicht angerichtet hat, ich glaube, das kann er nicht, niemand kann wieder gut machen, aber vielleicht deswegen, weil er ja im Moment ein Museum benutzt, um seine Sammlung bekannt zu machen, um sie zu nobilitieren und ihren Marktwert zu steigern und die sollte er nicht irgendwann dem Markt zuführen, er sollte sie tatsächlich irgendwann in Berlin lassen.

    Schäfer-Noske: Stefan Koldehoff war das über die neuerliche Kritik an der geplanten Ausstellung der Sammlung Flick in Berlin.