Seit März 1998 leitet Christoph Buchwald dein Suhrkamp Verlag, der am 1.Juli seinen fünfzigsten Geburtstag feiert. Buchwald, Jahrgang 1951, war vorher Lektor bei Hanser und Leiter des Luchterhand Literaturverlags.
Steinert: Ein deutsches Feuilleton bezeichnete sie als Gerhard Schröder der deutschen Verlagslandschaft. Nehmen Sie das als Kompliment?
Buchwald: Ich entstamme einer Generation, die versucht, von allen Schablonen wegzukommen.Mit solchen Vergleichen kann ich nichts anfangen.
Steinert: Was den deutschen Bundeskanzler und Sie gemeinsam haben, ist der Gestus des Erneuerers.
Buchwald: Erneuerung im Verlagsgeschäft ist ein zweischneidiges Schwert. Fünfzig Jahre Suhrkamp, das heißt fünfzig Jahre Tradition mit großen Namen, die es gilt hochzuhalten: Brecht, Hesse und so fort. Auf der anderen Seite muß ich neue Stimmen präsentieren, die die Max Frischs und Enzensbergers der Zukunft sein können. Wir müssen den Verlag lebendig halten, wir müssen uns einmischen in die Diskussionen und Fragen der Zeit, so daß ein lebendiges Gespräch zustande kommt zwischen denen, die bereits viel zur Zeit und Epoche gesagt haben, und denen die sie neu bedenken.
Steinert: Konkret: Was gibt es denn am Suhrkamp Verlag zu modernisieren? Buchwald: Zum Beispiel die Art, wie er nach außen auftritt. Wir müssen darauf gucken, wie die Bücher selbst aussehen. Jüngere Leser werden durch Videos und Internet von ganz anderen Wahrnehmungsgewohnheiten geprägt als wir es wurden. Dem müssen wir Rechnung tragen ohne auf Modeerscheinungen hereinzufallen. Was die elektronischen Medien im allgemeinen angeht, hat der Suhrkamp Verlag einiges nachzuholen. Wir sind zur Zeit dabei, den zu Suhrkamp gehörigen Deutschen Klassiker Verlag wie die Reihe "suhrkamp taschenbuch wissenschaft" vollkommen zu digitalisieren, um über neue Vertriebswege, Stichwort Webside', an die Leser heranzukomen.
Steinert: Ein Blick in den aktuellen Verlagsprospekt verrät: die Bücher sehen aus wie immer. Von ihren Inhalten her betrachtet: Dinge wie "internet", "Netzliteratur" und so fort, gehen, abgesehen von Hans Magnus Enzensbergers "Einladung zu einem Poesieautomaten", an Suhrkamp vorbei.
Buchwald: Da irren Sie sich. Schauen Sie in das Programm der 'edition suhrkamp'. Da setzen wir uns eindrücklich mit den neuen Medien auseinander. Wir können uns vor jungen Autoren, die sich damit professionell beschäftigen, kaum noch retten. Es wäre falsch, diese Themen in teuren Hardcover-Produktionen zu publizieren. In diesem Punkt ziehe ich die Ausprobier- und Diskutierbühne der'edition suhrkamp'vor.
Steinert: Seit 1963 gibt es die 'edition suhrkamp' Sie stand wiederholt in der Kritik, weil hier nur Abseitiges publiziert würde.
Buchwald: Die'edition suhrkamp' wird sich auch in Zukunft mehr dem mäandernden Intellektuellendiskurs widmen als der schönen Litertatur.Wir werden den literarischen Anteil an der "edition suhrkamp" zurückfahren. Junge Autoren, die in der "edition" erschienen, werden kaum besprochen. Es ist dagegen ganz erstaunlich, wie die Feuilletons derzeit auf die diskursive, wissenschaftliche, essayistische Literatur reagieren. Ein Buch wie das über die Luftgitarre hat regelrecht Furore gemacht.
Steinert: George Steiner prägte 1973 das Wort von der "Suhrkamp-Kultur". Ist die "Luftgitarre" das Symbol für die Suhrkamp-Kultur von morgen?
Buchwald: Suhrkamp-Kultur heißt: sich den Fragen der Zeit zu stellen. Zum Beispiel der Frage, wie wir mit einer gentechnischen Zukunft zu Rande kommen, mit welchem ethischen und moralischen Rüstzeug. Wir nehmen nicht hin, daß im Zuge einer allgemeinen Globalisierung soziale Fragen aus dem allgemeinen Diskurs weggespült werden. "Linkes Bedenken" hätte man früher gesagt. Wir appellieren mit unseren Büchern zumindest an das Verantwortungsbewußtsein des Einzelnen. Es gilt außerdem, auf eine Zeit zu reagieren, in der immer mehr Daten produziert werden, immer schneller abrufbereit, von immer mehr Menschen. Autoren, die solche Fragen aufnehmen, sind unsere Antennen.
Steinert: Sie publizieren neuerdings auch Bücher wie "Schönes Leben. Einführung in die Lebenskunst". Lebenskunst der Ersatz für das, was Suhrkamp früher pflegte, nämlich Gesellschaftskritik?
Buchwald: In "Lebenskunst" kehren wir zu den alten Fragen der Philosophie zurück, die in der Vergangenheit kaum berührt wurden, Fragen, wie sie schon Platon formulierte. 'Was ist das überhaupt, ein gelungenes Leben?" Für den Autor der "Lebenskunst", Wilhelm Schmid, sind die Kriterien gelungenen Lebens in der ethischen und moralischen Bereitschaft des Einzelnen für die Obemahme von Verantwortung zu suchen.
Steinert: Das alles setzt ein großes Vertrauen in die Wirkung von Büchern überhaupt voraus.
Buchwald: Vor allem im Bereich der erzählenden Literatur sind Bücher unersetzlich. Rocket-E-Book, schön und gut, aber ich glaube nicht, daß man sich à la longue mit diesen kleinen Bildschirmchen ins Bett zurückzieht und so seine Romane liest. Ein Rocket-E-Book kann einem beim Lesen nicht das Gefühl für den Atem und den Spannungsbogen eines Geschichte geben. Das Buch ist unersetzlich.
Steinert: Literatur ist nicht nur, wie Sie sagen, "geistige Nahrung", sondern Teil einer massiven Unterhaltungsindustrie.
Buchwald: Es waren nicht die dümmsten Dichter, die gesagt haben: Literatur, die etwas taugt, muß auch unterhaltend sein. Siehe Calvino. Selbst Literatur, die die Risse und Wunden unserer Seelen aufzeigt, muß nicht angestrengt daherkommen. Im Ausland lacht man schon lange über unsere Unterteilung in E- und U-Literatur.
Steinert: Ich darf aus der soeben erschienenen Verlagsgeschichte des Suhrkamp-Verlags zitieren. Siegfried Unseld, der eigentliche Verleger und Ihr Chef, schreibt da am Ende: "Gewiß, der Markt hat sich verändert, andere Bedingungen stellen sich ein, wir reagieren darauf, indem wir quantitativ nicht mehr Bücher machen." Mit anderen Worten: Steht Ihnen in diesen Tagen auch ein Termin mit der Unternehmungsberatung McKinsey ins Haus, wie bei S.Fischer, wie bei Rowohlt, wo das große Abspecken eingesetzt hat?
Buchwald: Wir sind Gott sei Dank nicht in einer Situation, über solche Dinge nachdenken zu müssen. In den Achtziger und neunziger Jahren haben viele der sogenannten Verlagsberater darüber gelacht, daß ein Verlag wie Suhrkamp 9600 lieferbare Titel hat. Das heißt, die Werke von Autoren, so lange es irgend geht, lieferbar hält. Diese Art von Autorentreue kostet ein enormes Geld. Angesichts der Krise vieler belletristischer Verlage kann man von einer glücklichen Dialektik sprechen, daß sich nämlich genau das, was früher aus ökonomischen Gründen belächelt wurde, als eine unglaublich stabile Sicherheit erweist. Fünfzig Prozent unserer Umsätze machen wir mit unserer Backlist.
Steinert: Einige Autoren sind jüngst von Suhrkamp weggegangen, Marcel Beyer zum Beispiel, Thomas Kling. Ein Zugang ist Christoph Hein. Wie haben Sie den vom Aufbau-Verlag angelockt, ähnlich wie beim Fußball, mit einer hübschen Transfers-Summe?
Buchwald: Ganz unfußballerisch: wir brauchten nur einen Brief zu schreiben. Es gibt schon eine lange freundschaftliche Verbindung zwischen den Unselds und Christoph Hein. Christoph Hein hat immer schon seine Geistesverwandten an unserem Programm interessiert, jene Autoren, die seine DDR-Lese-Biografie gespeist haben. Es war ein alter Wunsch von ihm, bei Suhrkamp zu erscheinen, mit einem neuen großen Buch. Es gab kein Locken, keinen Scheck, keinen Wurm an der Angel. Was die von Ihnen angesprochenen jüngeren Autoren wie Beyer und Kling betrifft, kann ich nur verstehen, daß sie mit ihrem früheren Suhrkamp-Lektor, Christian Döring, zu Dumont nach Köln mitgegangen sind.
Steinert: Apropos Mitgehen: Sie haben Michael Krüger, Ihren Chef aus alten Hanser-Zeiten, zum Suhrkamp-Autor gemacht. Ein neuer Roman von ihm erscheint bei Ihnen in diesen Tagen.
Buchwald: Ich habe früher einmal zu Michael Krüger gesagt: "Michel, wenn mit Deinen Büchern mal etwas schief gehen sollte - wo immer ich bin, ruf mich an!" Das hat er getan. Von seinem Manuskript bin ich überaus beeindruckt. Sein Witz, seine Komik!
Steinert. Noch ein Satz aus Siegfried Unselds Verlagsgeschichte, der allerletzte in dessen Buch: "Die Maßstäbe noch höher setzen!" Wie setzen Sie diese Forderung um?
Buchwald: Nicht opportunistisch werden, nicht Schielen nach dem allgemeinen Mainstream. Bei gleichbleibender Titelzahl sich noch intensiver um die einzelnen Bücher und Autoren kümmern. Ein Verlag mit immerhin 136 Mitarbeitern kommt da schnell an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Vom Sortiment bis zum Leser, vom guten Katalogtext bis zur adäquaten Bebilderung, vom Cover bis zum Internet-Auftritt: immer alles neu denken.
Steinert: "Pardon, mit weniger Büchern hätten Sie es das viel einfacher.
Buchwald: Nein. Wir sind in der glücklichen Lage, überaus produktive Autoren zu haben. Selbst Koeppen, keineswegs ein Vielschreiber, erscheint in unserem Jubiläumsprogramm mit über 700 Seiten bisher unveröffentlichter Prosa. Wir wären Narren, würden wir das nicht publizieren.
Steinert: Als Sie im März 1998 zu Suhrkamp kamen, spekulierte man darüber, ob Sie der Nachfolger Siegfried Unselds werden.
Buchwald: Nachfolger Siegfried Unselds kann niemand werden. Schon allein deshalb nicht, weil mein Verleger als Eigentümer die meisten Anteile des Verlags besitzt. In jeder Generation prägt sich ein anderers Verlegerselbstverständnis aus. Ich, als Jahrgang 1951, gehöre einer Generation an, die eher kollektiv ausgerichtet ist. In diesem Sinne wird es bei Suhrkamp weitergehen.
Steinert: Ein deutsches Feuilleton bezeichnete sie als Gerhard Schröder der deutschen Verlagslandschaft. Nehmen Sie das als Kompliment?
Buchwald: Ich entstamme einer Generation, die versucht, von allen Schablonen wegzukommen.Mit solchen Vergleichen kann ich nichts anfangen.
Steinert: Was den deutschen Bundeskanzler und Sie gemeinsam haben, ist der Gestus des Erneuerers.
Buchwald: Erneuerung im Verlagsgeschäft ist ein zweischneidiges Schwert. Fünfzig Jahre Suhrkamp, das heißt fünfzig Jahre Tradition mit großen Namen, die es gilt hochzuhalten: Brecht, Hesse und so fort. Auf der anderen Seite muß ich neue Stimmen präsentieren, die die Max Frischs und Enzensbergers der Zukunft sein können. Wir müssen den Verlag lebendig halten, wir müssen uns einmischen in die Diskussionen und Fragen der Zeit, so daß ein lebendiges Gespräch zustande kommt zwischen denen, die bereits viel zur Zeit und Epoche gesagt haben, und denen die sie neu bedenken.
Steinert: Konkret: Was gibt es denn am Suhrkamp Verlag zu modernisieren? Buchwald: Zum Beispiel die Art, wie er nach außen auftritt. Wir müssen darauf gucken, wie die Bücher selbst aussehen. Jüngere Leser werden durch Videos und Internet von ganz anderen Wahrnehmungsgewohnheiten geprägt als wir es wurden. Dem müssen wir Rechnung tragen ohne auf Modeerscheinungen hereinzufallen. Was die elektronischen Medien im allgemeinen angeht, hat der Suhrkamp Verlag einiges nachzuholen. Wir sind zur Zeit dabei, den zu Suhrkamp gehörigen Deutschen Klassiker Verlag wie die Reihe "suhrkamp taschenbuch wissenschaft" vollkommen zu digitalisieren, um über neue Vertriebswege, Stichwort Webside', an die Leser heranzukomen.
Steinert: Ein Blick in den aktuellen Verlagsprospekt verrät: die Bücher sehen aus wie immer. Von ihren Inhalten her betrachtet: Dinge wie "internet", "Netzliteratur" und so fort, gehen, abgesehen von Hans Magnus Enzensbergers "Einladung zu einem Poesieautomaten", an Suhrkamp vorbei.
Buchwald: Da irren Sie sich. Schauen Sie in das Programm der 'edition suhrkamp'. Da setzen wir uns eindrücklich mit den neuen Medien auseinander. Wir können uns vor jungen Autoren, die sich damit professionell beschäftigen, kaum noch retten. Es wäre falsch, diese Themen in teuren Hardcover-Produktionen zu publizieren. In diesem Punkt ziehe ich die Ausprobier- und Diskutierbühne der'edition suhrkamp'vor.
Steinert: Seit 1963 gibt es die 'edition suhrkamp' Sie stand wiederholt in der Kritik, weil hier nur Abseitiges publiziert würde.
Buchwald: Die'edition suhrkamp' wird sich auch in Zukunft mehr dem mäandernden Intellektuellendiskurs widmen als der schönen Litertatur.Wir werden den literarischen Anteil an der "edition suhrkamp" zurückfahren. Junge Autoren, die in der "edition" erschienen, werden kaum besprochen. Es ist dagegen ganz erstaunlich, wie die Feuilletons derzeit auf die diskursive, wissenschaftliche, essayistische Literatur reagieren. Ein Buch wie das über die Luftgitarre hat regelrecht Furore gemacht.
Steinert: George Steiner prägte 1973 das Wort von der "Suhrkamp-Kultur". Ist die "Luftgitarre" das Symbol für die Suhrkamp-Kultur von morgen?
Buchwald: Suhrkamp-Kultur heißt: sich den Fragen der Zeit zu stellen. Zum Beispiel der Frage, wie wir mit einer gentechnischen Zukunft zu Rande kommen, mit welchem ethischen und moralischen Rüstzeug. Wir nehmen nicht hin, daß im Zuge einer allgemeinen Globalisierung soziale Fragen aus dem allgemeinen Diskurs weggespült werden. "Linkes Bedenken" hätte man früher gesagt. Wir appellieren mit unseren Büchern zumindest an das Verantwortungsbewußtsein des Einzelnen. Es gilt außerdem, auf eine Zeit zu reagieren, in der immer mehr Daten produziert werden, immer schneller abrufbereit, von immer mehr Menschen. Autoren, die solche Fragen aufnehmen, sind unsere Antennen.
Steinert: Sie publizieren neuerdings auch Bücher wie "Schönes Leben. Einführung in die Lebenskunst". Lebenskunst der Ersatz für das, was Suhrkamp früher pflegte, nämlich Gesellschaftskritik?
Buchwald: In "Lebenskunst" kehren wir zu den alten Fragen der Philosophie zurück, die in der Vergangenheit kaum berührt wurden, Fragen, wie sie schon Platon formulierte. 'Was ist das überhaupt, ein gelungenes Leben?" Für den Autor der "Lebenskunst", Wilhelm Schmid, sind die Kriterien gelungenen Lebens in der ethischen und moralischen Bereitschaft des Einzelnen für die Obemahme von Verantwortung zu suchen.
Steinert: Das alles setzt ein großes Vertrauen in die Wirkung von Büchern überhaupt voraus.
Buchwald: Vor allem im Bereich der erzählenden Literatur sind Bücher unersetzlich. Rocket-E-Book, schön und gut, aber ich glaube nicht, daß man sich à la longue mit diesen kleinen Bildschirmchen ins Bett zurückzieht und so seine Romane liest. Ein Rocket-E-Book kann einem beim Lesen nicht das Gefühl für den Atem und den Spannungsbogen eines Geschichte geben. Das Buch ist unersetzlich.
Steinert: Literatur ist nicht nur, wie Sie sagen, "geistige Nahrung", sondern Teil einer massiven Unterhaltungsindustrie.
Buchwald: Es waren nicht die dümmsten Dichter, die gesagt haben: Literatur, die etwas taugt, muß auch unterhaltend sein. Siehe Calvino. Selbst Literatur, die die Risse und Wunden unserer Seelen aufzeigt, muß nicht angestrengt daherkommen. Im Ausland lacht man schon lange über unsere Unterteilung in E- und U-Literatur.
Steinert: Ich darf aus der soeben erschienenen Verlagsgeschichte des Suhrkamp-Verlags zitieren. Siegfried Unseld, der eigentliche Verleger und Ihr Chef, schreibt da am Ende: "Gewiß, der Markt hat sich verändert, andere Bedingungen stellen sich ein, wir reagieren darauf, indem wir quantitativ nicht mehr Bücher machen." Mit anderen Worten: Steht Ihnen in diesen Tagen auch ein Termin mit der Unternehmungsberatung McKinsey ins Haus, wie bei S.Fischer, wie bei Rowohlt, wo das große Abspecken eingesetzt hat?
Buchwald: Wir sind Gott sei Dank nicht in einer Situation, über solche Dinge nachdenken zu müssen. In den Achtziger und neunziger Jahren haben viele der sogenannten Verlagsberater darüber gelacht, daß ein Verlag wie Suhrkamp 9600 lieferbare Titel hat. Das heißt, die Werke von Autoren, so lange es irgend geht, lieferbar hält. Diese Art von Autorentreue kostet ein enormes Geld. Angesichts der Krise vieler belletristischer Verlage kann man von einer glücklichen Dialektik sprechen, daß sich nämlich genau das, was früher aus ökonomischen Gründen belächelt wurde, als eine unglaublich stabile Sicherheit erweist. Fünfzig Prozent unserer Umsätze machen wir mit unserer Backlist.
Steinert: Einige Autoren sind jüngst von Suhrkamp weggegangen, Marcel Beyer zum Beispiel, Thomas Kling. Ein Zugang ist Christoph Hein. Wie haben Sie den vom Aufbau-Verlag angelockt, ähnlich wie beim Fußball, mit einer hübschen Transfers-Summe?
Buchwald: Ganz unfußballerisch: wir brauchten nur einen Brief zu schreiben. Es gibt schon eine lange freundschaftliche Verbindung zwischen den Unselds und Christoph Hein. Christoph Hein hat immer schon seine Geistesverwandten an unserem Programm interessiert, jene Autoren, die seine DDR-Lese-Biografie gespeist haben. Es war ein alter Wunsch von ihm, bei Suhrkamp zu erscheinen, mit einem neuen großen Buch. Es gab kein Locken, keinen Scheck, keinen Wurm an der Angel. Was die von Ihnen angesprochenen jüngeren Autoren wie Beyer und Kling betrifft, kann ich nur verstehen, daß sie mit ihrem früheren Suhrkamp-Lektor, Christian Döring, zu Dumont nach Köln mitgegangen sind.
Steinert: Apropos Mitgehen: Sie haben Michael Krüger, Ihren Chef aus alten Hanser-Zeiten, zum Suhrkamp-Autor gemacht. Ein neuer Roman von ihm erscheint bei Ihnen in diesen Tagen.
Buchwald: Ich habe früher einmal zu Michael Krüger gesagt: "Michel, wenn mit Deinen Büchern mal etwas schief gehen sollte - wo immer ich bin, ruf mich an!" Das hat er getan. Von seinem Manuskript bin ich überaus beeindruckt. Sein Witz, seine Komik!
Steinert. Noch ein Satz aus Siegfried Unselds Verlagsgeschichte, der allerletzte in dessen Buch: "Die Maßstäbe noch höher setzen!" Wie setzen Sie diese Forderung um?
Buchwald: Nicht opportunistisch werden, nicht Schielen nach dem allgemeinen Mainstream. Bei gleichbleibender Titelzahl sich noch intensiver um die einzelnen Bücher und Autoren kümmern. Ein Verlag mit immerhin 136 Mitarbeitern kommt da schnell an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Vom Sortiment bis zum Leser, vom guten Katalogtext bis zur adäquaten Bebilderung, vom Cover bis zum Internet-Auftritt: immer alles neu denken.
Steinert: "Pardon, mit weniger Büchern hätten Sie es das viel einfacher.
Buchwald: Nein. Wir sind in der glücklichen Lage, überaus produktive Autoren zu haben. Selbst Koeppen, keineswegs ein Vielschreiber, erscheint in unserem Jubiläumsprogramm mit über 700 Seiten bisher unveröffentlichter Prosa. Wir wären Narren, würden wir das nicht publizieren.
Steinert: Als Sie im März 1998 zu Suhrkamp kamen, spekulierte man darüber, ob Sie der Nachfolger Siegfried Unselds werden.
Buchwald: Nachfolger Siegfried Unselds kann niemand werden. Schon allein deshalb nicht, weil mein Verleger als Eigentümer die meisten Anteile des Verlags besitzt. In jeder Generation prägt sich ein anderers Verlegerselbstverständnis aus. Ich, als Jahrgang 1951, gehöre einer Generation an, die eher kollektiv ausgerichtet ist. In diesem Sinne wird es bei Suhrkamp weitergehen.