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Von den Baumwollplantagen auf die Bühnen der Welt

Zwei Jahre lang hat Jon Brewer den Großmeister der Gitarre begleitet und sich von ihm sein Leben erzählen lassen. In seinem Dokumentarfilm "BB King: the Life of Riley" verbeugt er sich vor dem 88-jährigen King of Blues.

Von Hartwig Tegeler |
    John Lennon zickte einmal rum: Ja, er schäme sich für ein Gitarrenspiel. Wenn er nur so spielen könnte wie BB King.

    Und in diesen Chor stimmen sie alle ein, die Jon Brewer für "BB King: The Life of Riley" vor seine Kamera bekommen hat: Von Eric Clapton, der schlicht vom Blues-Großmeister spricht, über John Mayall, Buddy Guy, Dr. John, Aaron Neville, Bonnie Raitt, Carlos Santana oder John Mayer oder oder. Und auch Groß-Schnacker Bono von U2 bleibt uns nicht erspart. Zwei Jahre lang begleitete Jon Brewer BB King und montierte aus mehr als 250 Stunden Material diese Erzählung über Riley B. Kings Reise von Itta Bena, Mississippi, auf die Bühnen der Welt. Was alles andere als selbstverständlich war, wie der TV-Entertainer Bill Cosby im Prolog des Films über BB Kings Karriere meint.

    Eine Geschichte vom Überleben, meint Cosby, und wenn Jon Brewer die in "BB King: The Life of Riley" erzählt, ist der Film sehr spannend. Es geht um die Wurzeln des Blues und die von BB King im rassistischen Mississippi in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, einer Welt des Leids, der Ausbeutung, des Schmerzes und der Angst, die das Leben der schwarzen Bevölkerung prägte. Es war die Zeit des Rassenhasses, der Lynch-Justiz, des Ku-Klux-Klans.

    Kill einen Nigger und stell einen anderen an. Damit, erinnert sich BB King, mit dieser Philosophie der Weißen bin ich groß geworden. Später übrigens, Anfang der 1960er-Jahre, wohnte BB King einmal im gleichen Motel wie Martin Luther King, als weiße Rassisten den mit einer Bombe töten wollten. Diese Bombe überlebte der Jahre später Erschossene, aber so nahe wie da bin ich, erinnert sich BB King, dem Tod nie gekommen.

    Die Karriere von BB King begann in Memphis, Tennessee. Für den jungen Musiker war diese Stadt Himmel auf Erden mit all den Gitarren und den Jungs, von denen er viel lernen konnte. Es ist eine Kulturgeschichte des Blues, die Jon Brewer hier nachzeichnet, im Mittelpunkt Riley King, dessen Spitzname "BB" aus seiner Zeit als Radiomoderator beim ersten schwarzen Sender in den Südstaaten stammte.

    Irgendwann hatte BB King seine eigene Band und ging auf Tour, bis zu 320 Tage im Jahre. Als Bob Dylan 1988 seine "Never Ending Tour" begann, war BB King schon Jahrzehnte unterwegs. Mit zunehmender Popularität.

    Doch den großen Erfolg inklusive Legendenstatus, den verdankt BB King erst einigen weißen Blues-Fans aus Großbritannien: Eric Clapton, Mick Taylor, Peter Green inklusive Mick Jagger und Keith Richards. Die entdeckten den Blues und reimportierten ihn quasi in die USA. Ich bin ihnen dankbar, dass sie mich mochten, meint BB King in Jon Brewers Dokumentation: Sie haben Türen geöffnet, die sich sonst nie geöffnet hätten.

    1971 brach BB King dann auf zur ersten Tournee nach Europa und spielte vor einem weißen Publikum, das ihm zu seinem Erstaunen Standing Ovations entgegenbrachte. BB King weinte auf der Bühne.

    Ärgerlich ist nur, dass Jon Brewer es in seinem zweistündigen Film nicht schafft, dieser interessanten, spannenden, aufregenden Geschichte BB Kings eine überzeugende Form zu geben. Die kurzen Musikschnipsel, die er präsentiert, nerven; und der am Ende immer penetranter werdende Ton des Heldengesangs nicht weniger. Jede Lobhudelei wird irgendwann peinlich. BB King war nie ein Kämpfer für die Bürgerrechte; er "sprach" durch seine Musik. Dass der schwarze Junge aus Mississippi auf dem Olymp ankommen konnte, ist keine wirkliche Überraschung.

    Viel verblüffender wirkt da etwas ganz anderes: 2005 ruft der Gouverneur den 15. Februar als BB-King-Tag aus - in Mississippi, dem US-Staat, in dem Riley B. King am 16. September 1925 zur Welt kam und dessen Rassismus im 20. Jahrhundert berüchtigt war. Ein schwarzer Musiker in Mississippi, so geehrt: Die Zeiten haben sich offensichtlich wirklich geändert. Zum Glück kann man auch solches lernen in dieser zu langatmigen Dokumentation über den großen Musiker, dessen Musik - und das ist natürlich die gute Nachricht - jedes peinliche Lob übersteht. Spielend.