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Von den Besten lernen

"Deutschlands größter Erfolgskongress" war mit knapp 11.000 Besuchern schon Tage vorher bis auf den letzten Platz ausverkauft. Acht Erfolgsrezepte sollte es dort geben, vorgetragen von den acht "Besten der Besten", wie die Werbebroschüre vorab versprach. 99 Euro musste der Kongress-Besucher dafür hinblättern, um sich von so unterschiedlichen Siegertypen wie Bill Clinton, Atze Schröder, Henry Maske oder auch Paul Potts beraten zu lassen.

Von Gisa Funck |
    "Erfolg!

    Paul Potts!

    Erfolg!

    Henry Maske!

    Erfolg

    Alle gemeinsam auf einer Bühne bei Deutschlands größtem Erfolgskongress am 15. November im ISS Dome Düsseldorf! "

    Je unberechenbarer eine Berufskarriere in Zeiten des globalen Turbo-Kapitalismus wird, desto mehr schwillt die allgemeine Sehnsucht offenbar an nach einfachen, klaren und tröstlich-risikolosen Erfolgsrezepten: am liebsten vorgetragen aus dem Promi-Mund. Und da sahen es die knapp 11.000 Besucher von Deutschlands größtem Erfolgskongress den Veranstaltern dann auch sehr schnell nach, dass deren angeblich so exklusive Karriere-Tipps alles andere als besonders exklusiv oder originell ausfielen. Stattdessen tischten die acht auftretenden Erfolgsexperten jene altbewährten Wischi-Waschi-Binsenweisheiten auf, die irgendwie immer stimmen - und die bei etwas näherem Hinsehen auch jede Großmutter parat hat. Der ehemalige Profi-Boxer Henry Maske meinte, frühes Aufstehen und hartes Lauftraining stärke die Disziplin. Der Wirtschaftsweise Professor Bert Rürup riet dazu, für die Rente zu sparen. Und Ex-US-Präsident Bill Clinton ließ das Publikum wissen, dass Erfolg auch bedeuten könne, alte Schulfreundschaften zu pflegen:

    "Für mich ist das eine Definition des Erfolgs: Ich bin jetzt über sechzig Jahre alt und wurde Präsident, und ich habe immer noch die Freunde, mit denen ich aufgewachsen bin. Das ist wichtig für mich. Und meine Freunde würden mich genauso mögen, wenn alles, was ich erreicht hätte, nur wäre, Benzin an der Tankstelle in Autos zu füllen. Doch das ist wichtig für mich, es muss nicht wichtig für Sie sein. Sie müssen selbst entscheiden, was Erfolg für Sie bedeutet. "

    Deutschlands so genannter "größter Erfolgskongress" wurde nicht nur von der ehemaligen Tagesthemen-Frau Sabine Christiansen moderiert. Er hatte in der Auswahl höchst unterschiedlicher Prominenter, die zudem in ihren Vorträgen auch noch höchst beliebig zwischen Themen wie US-Wahl, Finanzkrise, Rente, Körpersprache oder Rhetorik-Tipps hin- und hersprangen, tatsächlich etwas von einer Talkshow ohne klare Überschrift an sich. So plauderten die meisten Prominenten weniger über Erfolg allgemein als über sich im Speziellen. Und wenn es endlich wirklich einmal um handfeste Karriere-Tipps ging, dann nur um solche, die eben auch schon die Großmutter kennt, wenn auch trendiger formuliert. Wie beim Rhetorik-Papst Dr. Rolf Ruhleder:

    "Sie sind jetzt zum Beispiel eine aktive Zuhörerin. Sie nicken mir zu. Wenn Sie mir zunicken, werde ich Sie natürlich immer wieder anschauen und so. Das heißt: Man kann einem Menschen am besten die Zähne zeigen, indem man ihn anlächelt."

    Die Benimmregeln des Erfolgs, so steht es schon bei Max Weber, sind die pseudoreligiöse Predigt des modernen Menschen. Und was bei Weber schon für die Calvinisten zutraf, gilt heute für die säkularen Leistungsethiker: der Erfolgslose ist der Ungläubige. Und damit derjenige, der letztlich immer selbst schuld an der eigenen Misere ist. Denn er, so lautete - zwischen allen prominenten Aufmunterungs-Anekdoten - auch in Düsseldorf einmal mehr die knallharte Botschaft, scheitert in erster Linie an sich selbst. Eine These, die angesichts eines globalen Arbeitsmarktes, in dem immer mehr der Zufall und immer weniger die Arbeitsleistung über Sieg und Niederlage entscheidet, zwar ebenso überholt wie zynisch ist. Doch eingefleischte Erfolgsprediger wie der Kongress-Veranstalter Carsten Maschmeyer, der nach eigener Aussage an die 2000 Erfolgsratgeber gelesen hat, klammern sich nun einmal lieber an das alte, beruhigende Märchen vom Positive-Thinking-Tellerwäscher, der alles aus eigener Kraft schaffen kann:

    "Wir haben hier heute Schweizer gehabt, einen Amerikaner gehabt, Boxweltmeister, Politweltmeister, England sucht den Superstar. Das ist eigentlich der Beweis, dass es die Regeln gibt. Und selbst in der Bibel steht eben in vielen Religionen dieser Welt und Ratgebern, dass man an sich selber glauben soll. Und dass es schöner ist optimistisch zu sein und sozial verträglich als irgendwie introvertiert und verbittert. "