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"Von den schrecklichen Anschlägen in Boston sehr bestürzt"

Die Betroffenheit der deutschen Bevölkerung nach den Anschlägen in den USA sei sehr groß, sagt Harald Leibrecht (FDP), Koordinator der Bundesregierung für transatlantische Zusammenarbeit. Gerade Boston sei eine Stadt, in der der europäische Einfluss ganz besonders zu spüren sei.

Harald Leibrecht im Gespräch mit Friedbert Meurer | 18.04.2013
    Friedbert Meurer: Erst gingen zwei Bomben hoch am Zieleinlauf des Boston-Marathon, dann werden Giftbriefe an US-Politiker abgeschickt wie vor Jahren schon einmal. Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen? Das ist eine von vielen Fragen im Moment. Gestern Abend hieß es, die Polizei habe einen Mann verhaftet, der hinter den Anschlägen in Boston stecken soll. Das wurde dann dementiert, eine Pressekonferenz einberufen, wieder abgesagt, es gab einiges an hin und her.
    In Berlin begrüße ich am Telefon Harald Leibrecht, er ist FDP-Bundestagsabgeordneter und Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt.

    Guten Morgen, Herr Leibrecht.

    Harald Leibrecht: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: "Nur" drei Tote in Boston, nicht 3000 wie vor zwölf Jahren am 11. September 2001. Wie sehr hat der oder haben die Attentäter die USA dennoch mit den beiden Bomben getroffen? Was meinen Sie?

    Leibrecht: Zunächst einmal bin ich natürlich auch wie viele Deutsche, wie wir Deutschen auch von den schrecklichen Anschlägen in Boston sehr bestürzt, und besonders erschüttert hat mich, dass ein so traditionsreiches, und eigentlich sollte es ein fröhliches Sportereignis werden in Boston, dass dies jetzt Schauplatz von einem Terroranschlag geworden ist. Natürlich bringen diese Bomben Erinnerungen wieder hoch an den 11. September. Trotzdem müssen wir zu diesem Zeitpunkt noch vorsichtig sein und dürfen nicht spekulieren, ob diese beiden Terroranschläge letztendlich miteinander zu tun haben.

    Meurer: Damals nach dem 11. September 2001 waren wir Deutschen erst voller Mitgefühl. Später driftete das dann alles auseinander. Hat der Terror die USA und Europa, die USA und Deutschland auseinandergebracht?

    Leibrecht: Nein, ich würde das nicht sehen. Wenn wir uns einfach auch jetzt die große Betroffenheit der deutschen Bevölkerung nach diesem Anschlag betrachten, die zeigt, wie nah uns Amerika ist, und gerade Boston ist ja eine Stadt, in der der europäische Einfluss und die enge transatlantische Verbundenheit ganz besonders zu spüren sind. Für mich in meiner täglichen Arbeit mit US-Amerikanern zeigt das, dass wir Deutschen, wir Europäer und die Amerikaner derzeit sehr gute Beziehungen haben und uns solche furchtbaren Terroranschläge eher auch noch enger zusammenbringen.

    Meurer: Möglicherweise gilt das für die politische Ebene, Herr Leibrecht. Aber unterstellen die Deutschen den USA nicht so was wie eine Sicherheitsparanoia?

    Leibrecht: Man muss auch betrachten, dass seit dem 11. September in den USA selber kein solcher Terrorakt mehr stattgefunden hat. Natürlich sind wir immer wieder darüber erstaunt, wie sehr die Amerikaner sich sicherheitspolitisch immer wieder auch vielleicht abschotten oder immer noch neue Gesetze einbringen und alles noch etwas strikter machen. Auf der anderen Seite, wenn ein Land von Terror überschattet wird, muss die Regierung, muss die Bevölkerung darauf reagieren können, und deshalb sind natürlich diese strikten Terrorgesetze vielleicht auch durchaus notwendig. Das eine oder andere würden wir sicherlich anders machen, aber ich kann natürlich die Reaktion auf amerikanischer Seite durchaus verstehen.

    Meurer: Aber sie führen doch dazu, dass zum Beispiel Reisen in die USA schwieriger geworden ist: ewig lange Warteschlangen an den Flughäfen, alle Daten von uns werden übermittelt, Kontodaten und vieles andere mehr. Visa zu bekommen, ist komplizierter und aufwendiger geworden. Ist da nicht doch Distanz entstanden?

    Leibrecht: Wir sind hier natürlich auch in engen Gesprächen mit unseren amerikanischen Partnern, um immer wieder auch neu abzuwägen, wie weit diese Sicherheitsmaßnahmen sinnvoll und richtig sind, oder inwieweit sie eigentlich auch unsere Freiheit, auch die der amerikanischen Bürger letztendlich wieder einschränken. Aber wie gesagt, ich kann natürlich verstehen, dass jetzt, gerade auch nach diesen Anschlägen, die amerikanischen Behörden sehr schnell reagieren und noch strenger kontrollieren werden.

    Meurer: Sie selbst, Herr Leibrecht, hören im September auf, die außenpolitischen Urgesteine Ruprecht Polenz und Hans-Ulrich Klose auch. Machen Sie sich Sorgen, dass das deutsch-amerikanische Verhältnis beliebig wird?

    Leibrecht: Ich sehe nicht, dass es beliebig wird. Gerade auch die jüngsten Besuche von Vizepräsident Biden, von Außenminister Carrey haben noch einmal gezeigt und bestätigt, dass die Amerikaner Deutschland als einen ihrer engsten Verbündeten innerhalb Europas und auch der Welt sehen und sie auch das Gespräch mit uns suchen, und ich glaube, gerade diese letzten Besuche und vielleicht auch bald ein Besuch von US-Präsident Obama in Deutschland unterstreichen dies, dass Deutschland durchaus ein wichtiger Gesprächspartner und politischer Partner für die Vereinigten Staaten ist. Ich sehe die deutsch-amerikanischen Beziehungen derzeit durchaus als sehr gut an.

    Meurer: Wie stehen denn die Chancen, dass US-Präsident Barack Obama im Juni nach Berlin kommt?

    Leibrecht: Im Moment ist alles noch etwas im Bereich der Spekulation. Ich wünsche mir, dass er noch vor dem Sommer kommt. Das wäre gut. Es gibt ja Gelegenheit, den G8-Gipfel und andere, dass er auch einen Abstecher nach Deutschland macht. Ich würde mir das sehr wünschen, denn es wäre gerade jetzt auch nach der Wiederwahl von Obama ein sehr positives Zeichen, wenn er auch unser Land besuchen würde.

    Meurer: Und es würde ja auch historisch ziemlich gut passen. Im Juni 1963, vor 50 Jahren, hat John F. Kennedy in Berlin seine berühmte Rede gehalten, "Ich bin ein Berliner". Ist das der Hintergrund für einen möglichen Besuch auch?

    Leibrecht: Das könnte ein wunderbarer Hintergrund sein. Wir haben den Amerikanern natürlich gerade in der Nachkriegszeit auch sehr, sehr viel zu verdanken, dass unser Land nach der Zerstörung und nach dem Terror des Dritten Reiches wieder sich aufbauen konnte, sich wirtschaftlich entwickeln und prosperieren konnte. Das haben wir den Amerikanern zum ganz großen Teil zu verdanken. Und wenn ein solcher Gedenktag ein Grund für einen Amerikaner, für einen amerikanischen Präsidenten wäre, nach Deutschland zu kommen, würde ich das natürlich absolut und sehr begrüßen.

    Meurer: Sie behaupten, Herr Leibrecht, alles ist in Ordnung. Warum hat Barack Obama bisher einen Bogen um Deutschland gemacht?

    Leibrecht: Ich selber habe das nie als negativ angesehen. Gegenseitige Besuche sind sicherlich gut und auch durchaus wichtig, aber sie sind nicht absolut notwendig, um auch die tagtägliche Politik miteinander zu koordinieren. Gerade in Obamas erster Wahlperiode gab es ja doch auch viele Probleme in der Welt, um die er sich auch mit gekümmert hat. Wir, die Bundesregierung ist in engstem Kontakt zu ihm und zu seiner Regierung und da sind solche Besuche nicht unbedingt notwendig. Wir würden uns natürlich darüber freuen, wenn er kommt, ohne Frage, aber …

    Meurer: Und wenn er nicht kommt, heißt es direkt, das Verhältnis zwischen Obama und Merkel ist nicht gut.

    Leibrecht: Aber das Verhältnis zwischen Bundeskanzlerin Merkel und Obama ist gut! Das hat nicht zuletzt auch die Verleihung der Friedensmedaille an Frau Merkel, die Bundeskanzlerin, gezeigt, denn das war eine ganz große Auszeichnung nicht nur an die Bundeskanzlerin, sondern auch eine hohe Wertschätzung an das deutsche Volk.

    Meurer: Harald Leibrecht, der Koordinator für transatlantische Beziehungen im Auswärtigen Amt und FDP-Bundestagsabgeordneter, zu einem möglichen Besuch von US-Präsident Barack Obama im Juni in Deutschland und zu den Folgen des Anschlags auf den Boston-Marathon. Herr Leibrecht, danke und auf Wiederhören.

    Leibrecht: Auf Wiederhören, Herr Meurer.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.