Ein "Veggie Day", wie von den Grünen kürzlich gefordert, oder rauchfreie Zonen – nicht erst heute sorgen vegetarisches Essen oder Tabakabstinenz für Gesprächsstoff. Schon Ende des 19. Jahrhunderts waren derartige Ideen up to date. Die sogenannte "Lebensreformbewegung", die vor allem von zivilisationsmüden jungen Bürgern getragen wurde, wollte in puncto gesundes Leben Maßstäbe setzen.
Die Jugend war um die Jahrhundertwende im Kommen, begann, sich erstmals selbst verstärkt als Gruppe wahrzunehmen, zu organisieren und von der Erwachsenenwelt abzusetzen. Man pflegte geselliges Zusammensein mit Klampfe oder Blockflöte und unternahm Fahrten in die freie Natur. Sicher auch eine Reaktion auf die Hektik und zunehmende Umweltverschmutzung in den Großtädten, meint die Kuratorin Claudia Selheim.
"Eine ganz große Rolle spielte die Industrialisierung. Deswegen passiert das Ganze eben auch erst mal in Berlin. Also Berlin ist ja ganz schnell Großstadt geworden im 19. Jahrhundert. Und die Umweltverschmutzung war durchaus ein Thema. Rußende Kamine waren an der Tagesordnung. Die Umweltverschmutzung, die Technisierung hat dann eben Jugendliche veranlasst, Fluchtpunkte in der Natur zu suchen."
Natur und Sonne wurden beinahe religiös verehrt. Der nackte Körper war Gegenbild zu Spießertum und bürgerlichen Sittlichkeitsvorstellungen. Kein Wunder, dass gleich am Entree der in verschiedene Abschnitte wie "Wir wollen zu Land ausfahren" unterteilten Ausstellung ein weiblicher Bronzeakt mit weit ausgebreiteten Armen den Besucher begrüßt: Ausdruck eines neuen Lebensgefühls. Der "Jugendstil", benannt nach einer Zeitschrift, verlieh einer ganzen Kunstepoche seinen Namen.
Ab 1896 reisten Steglitzer Gymnasiasten auf Schusters Rappen durch Brandenburg und gründeten fünf Jahre später einen Verein, den sie "Wandervogel" tauften. Andere wanderbegeisterte Gruppen in Deutschland folgten diesem Beispiel. Als Emblem diente ein stilisierter fliegender Kranich. Er ziert auch ein jetzt präsentiertes bleiernes Aushängeschild, mit dem 1914 auf der Leipziger Buch- und Grafikmesse für die Wandervögel geworben wurde. Die suchten in erster Linie das Abenteuer in der unberührten Natur, sangen am Lagerfeuer Stücke aus dem ebenfalls ausgestellten Liederbuch "Zupfgeigenhansel" und verbrachten die Nächte im Zelt. Der Erste Weltkrieg bereitete dann den jugendlichen Träumen von einer besseren Welt ein jähes Ende.
"Viele Wandervögel sind freiwillig in den Ersten Weltkrieg gezogen. So waren sie eigentlich auch zu Hause sozialisiert worden. Es gab überall einen Hurra-Patriotismus. Es sind aber wahnsinnig viele junge Menschen auch im Ersten Weltkrieg gefallen. Auch unter den Wandervögeln. Und das hat eben in der Nachkriegszeit dazu geführt, dass man eben sehr viele Gedenktafeln und Gedenkorte installiert hat."
Und natürlich versuchten Parteien auch die verschiedenen Pfadfinder und bürgerlichen Jugendbünde, die stolz runen- oder hakenkreuzgeschmückte Wimpel als Erkennungszeichen mit sich führten und zunehmend mit einer Einheitskluft ausstaffiert waren, für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Allen voran die Nationalsozialisten. Vom Wandern zum Marschieren war es da nicht mehr weit: politische Verführung und Missbrauch statt jugendlicher Selbstbestimmung. Nach der Machtergreifung sorgte dann die Hitlerjugend für eine paramilitärische Gleichschaltung, wie in der Schau Plakate, Musikinstrumente, Fahnen, Fotoalben und Fahrtenmesser sowie ausgewählte Biografien dokumentieren.
Während in der DDR nach dem Zweiten Weltkrieg die FDJ als Staatsjugend auftritt, suchen in West-Deutschland folklorebegeisterte Jugendliche auf Woodstock-artigen Festivals wie auf der Burg Waldeck nach ihrer Identität. Und proben den Anschluss an die internationale Musikszene. Heutzutage gibt es keine Jugendbewegung mit einheitlicher Ausrichtung mehr, sondern stattdessen eine zersplitterte Jugendkultur, die von Individuen mit unterschiedlichsten Vorlieben getragen wird. Längst sind die Gemeinschaftserlebnisse am Lagerfeuer dem virtuellen Miteinander einer globalen Cyber-Community im Netz gewichen. Auch das dokumentiert die sehenswerte Nürnberger Präsentation.
Die Jugend war um die Jahrhundertwende im Kommen, begann, sich erstmals selbst verstärkt als Gruppe wahrzunehmen, zu organisieren und von der Erwachsenenwelt abzusetzen. Man pflegte geselliges Zusammensein mit Klampfe oder Blockflöte und unternahm Fahrten in die freie Natur. Sicher auch eine Reaktion auf die Hektik und zunehmende Umweltverschmutzung in den Großtädten, meint die Kuratorin Claudia Selheim.
"Eine ganz große Rolle spielte die Industrialisierung. Deswegen passiert das Ganze eben auch erst mal in Berlin. Also Berlin ist ja ganz schnell Großstadt geworden im 19. Jahrhundert. Und die Umweltverschmutzung war durchaus ein Thema. Rußende Kamine waren an der Tagesordnung. Die Umweltverschmutzung, die Technisierung hat dann eben Jugendliche veranlasst, Fluchtpunkte in der Natur zu suchen."
Natur und Sonne wurden beinahe religiös verehrt. Der nackte Körper war Gegenbild zu Spießertum und bürgerlichen Sittlichkeitsvorstellungen. Kein Wunder, dass gleich am Entree der in verschiedene Abschnitte wie "Wir wollen zu Land ausfahren" unterteilten Ausstellung ein weiblicher Bronzeakt mit weit ausgebreiteten Armen den Besucher begrüßt: Ausdruck eines neuen Lebensgefühls. Der "Jugendstil", benannt nach einer Zeitschrift, verlieh einer ganzen Kunstepoche seinen Namen.
Ab 1896 reisten Steglitzer Gymnasiasten auf Schusters Rappen durch Brandenburg und gründeten fünf Jahre später einen Verein, den sie "Wandervogel" tauften. Andere wanderbegeisterte Gruppen in Deutschland folgten diesem Beispiel. Als Emblem diente ein stilisierter fliegender Kranich. Er ziert auch ein jetzt präsentiertes bleiernes Aushängeschild, mit dem 1914 auf der Leipziger Buch- und Grafikmesse für die Wandervögel geworben wurde. Die suchten in erster Linie das Abenteuer in der unberührten Natur, sangen am Lagerfeuer Stücke aus dem ebenfalls ausgestellten Liederbuch "Zupfgeigenhansel" und verbrachten die Nächte im Zelt. Der Erste Weltkrieg bereitete dann den jugendlichen Träumen von einer besseren Welt ein jähes Ende.
"Viele Wandervögel sind freiwillig in den Ersten Weltkrieg gezogen. So waren sie eigentlich auch zu Hause sozialisiert worden. Es gab überall einen Hurra-Patriotismus. Es sind aber wahnsinnig viele junge Menschen auch im Ersten Weltkrieg gefallen. Auch unter den Wandervögeln. Und das hat eben in der Nachkriegszeit dazu geführt, dass man eben sehr viele Gedenktafeln und Gedenkorte installiert hat."
Und natürlich versuchten Parteien auch die verschiedenen Pfadfinder und bürgerlichen Jugendbünde, die stolz runen- oder hakenkreuzgeschmückte Wimpel als Erkennungszeichen mit sich führten und zunehmend mit einer Einheitskluft ausstaffiert waren, für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Allen voran die Nationalsozialisten. Vom Wandern zum Marschieren war es da nicht mehr weit: politische Verführung und Missbrauch statt jugendlicher Selbstbestimmung. Nach der Machtergreifung sorgte dann die Hitlerjugend für eine paramilitärische Gleichschaltung, wie in der Schau Plakate, Musikinstrumente, Fahnen, Fotoalben und Fahrtenmesser sowie ausgewählte Biografien dokumentieren.
Während in der DDR nach dem Zweiten Weltkrieg die FDJ als Staatsjugend auftritt, suchen in West-Deutschland folklorebegeisterte Jugendliche auf Woodstock-artigen Festivals wie auf der Burg Waldeck nach ihrer Identität. Und proben den Anschluss an die internationale Musikszene. Heutzutage gibt es keine Jugendbewegung mit einheitlicher Ausrichtung mehr, sondern stattdessen eine zersplitterte Jugendkultur, die von Individuen mit unterschiedlichsten Vorlieben getragen wird. Längst sind die Gemeinschaftserlebnisse am Lagerfeuer dem virtuellen Miteinander einer globalen Cyber-Community im Netz gewichen. Auch das dokumentiert die sehenswerte Nürnberger Präsentation.