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Von der Leidenschaft zur Geschäftsmäßigkeit

Beim Antrittsbesuch in des polnischen Regierungschefs Donald Tusk in den USA wird es vor allem um die Raketenbasis gehen. Andere große Probleme gibt es derzeit nicht. Auch über den Abzug aus dem Irak herrscht ja schon Einigkeit mit dem Bündnispartner. Tschechien hat den Druck auf Polen verstärkt, in dem es bereits zustimmte, die Radaranlage für das Raketenschild auf seinem Territorium zuzulassen. In Polen soll die Raketenbasis entstehen. Florian Kellermann berichtet.

    Der polnische Regierungschef Donald Tusk hat sich viel vorgenommen. Er werde hart mit den USA verhandeln, versprach er seinen Landsleuten. Denn schließlich sei der Raketenschild im Interesse Amerikas. Kurz vor seiner Abreise erklärte er:

    " Es ist doch keine Kunst, eine Vereinbarung zu unterschreiben, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Ich möchte etwas für die polnische Sicherheit erreichen. Wenn die Raketenbasis tatsächlich in Polen installiert wird, dann will ich mit gutem Gewissen sagen können: Unser Land hat jetzt mehr Sicherheit und nicht weniger. Bis ich das nicht garantieren kann, werden die Verhandlungen andauern. "

    Konkret verlangt Tusk, die USA sollten die polnische Armee modernisieren helfen. Seine Argumente wirken einleuchtend. Denn die Raketenbasis könnte nicht nur zum Ziel von Terroristen werden. Auch Russland kündigte an, einen Teil seines Mittelstrecken-Arsenals auf Polen zu richten. Das erklärte zumindest der noch amtierende russische Präsident Vladimir Putin in seiner letzten Pressekonferenz als Staatsoberhaupt vor den Wahlen.

    Trotzdem betritt Tusk mit seiner Haltung gegenüber dem großen Bündnispartner Neuland. Die polnischen Regierungen zeichneten sich bisher durch eine extrem Amerika freundliche Politik aus. Das gilt nicht nur für den rechtskonservativen Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski. Auch linksgerichtete Staatsmänner bewiesen Washington immer wieder ihre Treue. Das zeigte sich beim Irak-Feldzug der USA, an dem sich Polen noch unter Präsident Aleksander Kwasniewski beteiligte.

    Tusk sorgt nun für einen neuen, ganz pragmatischen Ton.

    " Es wäre doch schön, für den Raketenschild von den Amerikanern etwas Konkretes zu bekommen. Damit es nicht wieder so ist wie beim Irak-Einsatz, der bei uns sehr gemischte Gefühle hinterlassen hat. Ich habe mittlerweile gelernt, dass Außenpolitik hauptsächlich ein großer Handel ist. Wenn die Amerikaner unsere Hilfe wollen, dann wollen wir auch ihre Hilfe in Anspruch nehmen. "

    Es gibt noch weitere Beispiele für die Enttäuschung, die sich in Polen über die USA breit gemacht hat. Eines davon ist die Visa-Pflicht. Seit Jahren bemüht sich Polen - trotz Unterstützung der EU vergeblich - um Reiseerleichterungen für seine Bürger.
    Gespräche auf Augenhöhe mit Polen sind die USA nicht gewohnt. Kein Wunder also, dass Washingtons Vorschläge in den Raketenschild-Verhandlungen bisher bei weitem nicht ausreichen, wie es polnische Regierungsvertreter formulieren.

    Im eigenen Land trifft Tusk mit seiner Haltung ins Schwarze. Seine Forderungen hätten also auch innenpolitische Gründe, sagt Wieslaw Debski, Beobachter der linksorientierten Tageszeitung "Trybuna".

    " Die meisten Polen sind gegen den Raketenschild. Deshalb tut der Premier gut daran, keinen allzu großen Enthusiasmus an den Tag zu legen. Wenn er zeigt, dass er auf Augenhöhe verhandelt, dann kann er bei den Menschen dadurch nur gewinnen. "

    Es gibt auch ganz materielle Gründe dafür, warum für viele Polen die Freundschaft zu den USA keine so große Rolle mehr spielt. Der Dollar ist inzwischen so schwach geworden, dass immer weniger Polen in den USA Arbeit suchen wollen. Zumal schon einige westliche EU-Länder, darunter die Niederlande und Großbritannien, ihren Arbeitsmarkt für Polen geöffnet haben.

    Dementsprechend vorsichtig fiel die Kritik der Opposition vor Tusks Amerika-Reise aus. Die rechtskonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" von Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski wirft der Regierung vor, zweideutige Signale an die USA auszusenden. Adam Bielan, der Sprecher der Partei:

    " Möglichst enge Beziehungen zu den USA sind doch in unserem Interesse. Amerika kennt und schätzt uns als zuverlässigen Bündnispartner. Wenn es jetzt seine Raketen und Soldaten in Polen stationiert, dann wird es sich doch allein deshalb noch mehr für unsere Region einsetzen. "

    Für Premier Tusk ist das zu wenig. Bei seinem Besuch in Washington wird er vor allem auf eine Trumpfkarte setzen: Sein Gegenüber, Präsident George W. Bush, will seinen Landsleuten noch vor der Präsidentenwahl im November einen Erfolg präsentieren. Das, so hofft der polnische Regierungschef, wird die USA kompromissbereit machen.