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Von der Leyen in Afghanistan
"Wir sind in der zweiten Reihe"

Am zweiten Tag ihrer Afghanistan-Reise hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Präsident Aschraf Ghani weitere Unterstützung bei der Stabilisierung seines Landes zugesagt. Der Bundeswehr wird bei ihrer Mission am Hindukusch künftig noch mehr Fingerspitzengefühl abverlangt werden.

Von Rolf Clement, Mazar-i-Scharif | 14.12.2014
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen begrüßt deutsche Helikopter-Piloten im Camp Marmal, Mazar-i-Scharif.
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Camp Marmal, Mazar-i-Scharif. (picture alliance / dpa / EPA / JOHN MACDOUGALL)
    Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wollte in Kabul den neuen afghanischen Präsidenten Ghani kennenlernen und sich auch einen ersten Eindruck vom designierten neuen Verteidigungsminister verschaffen. Ihre Reise nach Kabul führte sie in ein Umfeld, das seit einiger Zeit besonders unsicher ist. In der afghanischen Hauptstadt finden fast täglich Anschläge statt. Allein in den letzten drei Tagen gab es dort drei schwere Attentate, bei einem ist ein deutscher Entwicklungshelfer getötet worden. Gestern fiel ein Mitarbeiter eines hohen Gerichts der Gewalt zum Opfer. So wurden auch für den Besuch der Ministerin aus Deutschland die höchsten Sicherheitsvorkehrungen getroffen.
    Der Besuch fällt in die Zeit, da die Bundeswehr ihre Präsenz in Afghanistan auf rund 850 Soldaten reduziert, heute Nacht sind allein 170 von Mazar-i-Scharif aus nach Deutschland zurückgeflogen. Zudem ändert sich nun auch offiziell der Charakter der Nato-Mission, von ISAF zu "Resolute Support". Die Nato-Soldaten werden die Ausbildungsstätten nicht mehr verlassen, sie sind als Berater in der zweiten Reihe tätig. Die Ministerin gestern: "Ich habe hier junge Afghanen gesehen, die von afghanischen Lehrern ausgebildet werden. Wir sind in der zweiten Reihe."
    Mehr Einfühlungsvermögen vonnöten
    In den letzten Jahren hat sich auch der ISAF-Einsatz in diese Richtung entwickelt, aber nach dem Mandat durften die ISAF-Soldaten auch noch mit in Gefechte ziehen. Diesen neuen Charakter der Mission hat von der Leyen mit dem afghanischen Präsidenten besprochen. Die afghanische Seite ist an dieser Zusammenarbeit weiter interessiert. Dabei ist aber künftig noch mehr Fingerspitzengefühl nötig. Die Generale der afghanischen Armee, aber auch der Polizei, zeigen immer mehr ihren Stolz und achten genau auf die Kleiderordnung: Sie haben jetzt die Verantwortung.
    Da, wo sie selbst um Rat fragen, geschieht dies in aller Regel in den Büros der deutschen Partner, da also, wo die eigenen Untergebenen nicht mitbekommen, dass der Chef einen Rat von außen holt. Sonst finden die Gespräche auch in größerer Runde statt. Immer mehr werden die Entscheidungen erst gefällt, wenn die Berater den Saal schon verlassen und die afghanische Crew das alles nochmals besprochen hat. Die afghanische Seite folgt dabei oft dem Rat der Bundeswehr oder der Polizei. Das betrifft auch die mittlere und die untere Ebene. Wegen dieses Einfühlungsvermögens – seit einigen Jahren nennt man das interkulturelle Kompetenz – werden die Deutschen in Afghanistan am meisten geschätzt.