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Von der Natur inspiriert
Farben ohne Farbstoffe

Strahlend leuchtende, bunte Vogelfedern, die aber tatsächlich keinen einzigen Farbstoff enthalten, sondern nur durch einfallendes Licht zum Leuchten gebracht werden. Diese Idee aus der Natur wollen Forscher jetzt aufgreifen: für Displays ganz ohne Hintergrundbeleuchtung.

Von Arndt Reuning | 06.05.2014
    Ein Pfau spreizt sein buntes Federkleid
    Die leuchtenden Federn eines Pfaus (picture-alliance / dpa / Federico Gambarini)
    Farben ohne konventionelle Farbstoffe sind keine Neuerfindung. In der Natur kommen sie sogar recht häufig vor, zum Beispiel in Schmetterlingsflügeln oder in Vogelfedern, sagt Vinothan Manoharan von der US-amerikanischen Harvard University.
    "Wir haben uns da indirekt von Vogelfedern inspirieren lassen. Im Jahr 2009 haben Forscher um Eric Dufresne von der Yale University herausgefunden, dass das blaue Gefieder von Vögeln üblicherweise gar keinen blauen Farbstoff enthält. Vielmehr rufen winzige Nanostrukturen diesen Farbeindruck hervor. Wenn man die Federn unter einem Elektronenmikroskop betrachtet, dann erkennt man in dem Material feine Poren. Die sind vollkommen ungeordnet, aber der mittlere Abstand zwischen den Poren entspricht ungefähr der Wellenlänge von blauem Licht."
    Das einfallende Licht kann man sich vorstellen wie eine Welle in einem Fluss, die an ein steiniges Ufer trifft. An jedem Stein, an jeder Pore, entstehen neue Kreiswellen. Die können sich gegenseitig überlagern, abschwächen und eventuell verstärken. Im Fall der Vogelfedern wird ein Wellenlängenbereich besonders verstärkt, nämlich der des blauen Lichtes. Ein Material, das seine Farbe nach genau demselben Prinzip erzeugt, haben die Forscher um Vinothan Manoharan nun im Labor nachgebaut. Dazu haben sie winzige Kunststoffkapseln, die etwa so dick sind wie ein menschliches Haar, mit unzähligen, noch viel kleineren Kugel gefüllt. Wie die Poren in der Vogelfeder bilden sie keine feste Ordnung aus, aber sie besitzen einen typischen mittleren Abstand zueinander. Die Farbe dieser Gebilde können die Forscher frei wählen.
    "Um die Farbe der Pigmente zu verändern, müssen wir nur den Durchmesser der Kugeln in der Kapsel vergrößern. Dadurch ändert sich der mittlere Abstand zwischen ihnen – und damit entsprechend auch die Wellenlänge, die von ihnen reflektiert wird. Je größer die Teilchen sind, desto größer ist auch die Wellenlänge. Für rotes Licht ist sie höher als für blaues Licht. Mit zunehmendem Durchmesser unserer Kügelchen verschiebt sich die Farbe der Pigmente also immer weiter in Richtung Rot."
    Unordnung der Kügelchen erzeugt gleichmäßigen Farbeindruck
    So können die Harvard-Forscher nahezu das komplette Farbspektrum von blau bis rot abdecken. Das Prinzip, das hinter dem optischen Phänomen steckt, wurde auch bereits in der Vergangenheit genutzt, um Effektfarben und -lacke herzustellen. Dafür werden zum Beispiel künstliche Opale in den Anstrich eingebettet. Das sind Schmucksteine, deren Inneres auf mikroskopischer Ebene ebenfalls aus kleinen Kügelchen aufgebaut ist. Dadurch schimmern sie in den Farben des Regenbogens.
    "Wenn man einen Opal betrachtet und ihn vor dem Auge hin und her dreht, dann verändern sich die Farben mit dem Blickwinkel. Das ist im Grunde genommen genau dasselbe Phänomen wie bei unseren Materialien. Aber die Partikel in dem Opal liegen hoch geordnet in einer regelmäßigen Anordnung vor, wie in einem Kristall. Und wenn man den Opal dreht, dann reflektieren unterschiedliche Ebenen in dem Kristall, und zwar unterschiedliche Farben. Die hohe Unordnung der Kügelchen in unserem Material hat aber zur Folge, dass der Farbeindruck von allen Seiten gleich ist."
    Verwendung für Farbdisplays
    Vinothan Manoharan hat daher eine ganz besondere Anwendung im Blick: Er möchte seine Pigmente für spezielle Farbdisplays verwenden, die keine Hintergrundbeleuchtung brauchen, sondern das Umgebungslicht reflektieren. Schwarz-Weiß-Anzeigen, die auf diesem Prinzip beruhen, haben bereits ihren Weg in den Markt gefunden, besonders bei Lesegeräten für eBooks. Mit den bunten Partikeln ließen sich einige Nachteile herkömmlicher Farbmittel vermeiden: Organische Farbstoffe verblassen im Laufe der Zeit, und anorganische Pigmente enthalten oft giftige Schwermetalle. Für die Mikrokapseln von der Harvard University ist das kein Problem.