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Von der Natur lernen

Immer wieder werden Forschung und Wissenschaft vorgeworfen, sie würden im Elfenbeinturm arbeiten, weil sie ihre Erkenntnisse und Entdeckungen nur schlecht der Allgemeinheit vermitteln könnten. Oft versteht man schon allein die Sprache nicht und deshalb erschließt sich für viele nicht die Faszination wissenschaftlicher Erkenntnisse. Wie man das ändern kann, wie sich Entdeckungen anschaulich vermitteln lassen - diesem Ziel hat sich das Öko-Forschungszentrum in Nieklitz bei Boizenburg im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern verschrieben. Diese - nach Angaben der Betreiber - europaweit einmalige Einrichtung versteht sich als Bindeglied zwischen Forschung und Öffentlichkeit.

Von Martin Koch |
    Die Natur und ihre genialen Ideen – faszinierend und oft nur unter dem Elektronenmikroskop in ganzer Vollkommenheit zu erkennen. Dort entdeckten Forscher auch die strömungstechnisch optimale Struktur von Haifischhaut – mittlerweile nutzen sie die Erkenntnisse bei der Herstellung von Schwimmanzügen und Schiffsrümpfen. Im Zukunftszentrum Mensch-Natur-Technik-Wissenschaft in Nieklitz präsentiert Professor Berndt Heydemann viele dieser perfekten, aber winzig kleinen Erfindungen der Natur in Form von großen Modellen. Er will den Besuchern vermitteln, warum wir Menschen uns viel mehr an der Natur orientieren sollten:

    Weil die Natur so viele Strategien hat, die wir selber uns noch nicht bewusst gemacht haben. Material einsparen, häufige Materialien bevorzugen, Energie vorsichtig einsetzen, nicht immer auf Dauer, auf Länge des Einsatzes zielen, sondern auch die Erneuerbarkeit dabei, und schließlich den Standort wahren, das heißt nicht dauernd wechseln, die Idee nicht dauernd wechseln.

    Diese Strategien macht sich die Öko-Technologie zunutze. So ist es durch jahrelange Forschung zum Beispiel gelungen, Erkenntnisse über geniale Gelenk-Konstruktionen bei Spinnenbeinen in den Bau von orthopädischen Prothesen einfließen zu lassen. Auf diese Weise kann die Natur Vorbild für neue Produktionslinien sein und dadurch Arbeitsplätze schaffen.
    Im Zukunftszentrum Nieklitz macht der ehemalige schleswig-holsteinische Umweltminister Berndt Heydemann einen Anfang, immerhin beschäftigt er dort 50 Mitarbeiter. Die sorgen dafür, dass der Öko-Erlebnispark gut in Schuss ist und alle Besucher individuell betreut werden, sagt Diplom-Biologe Helge Arp:

    Ob ich eine Schulklasse habe oder Studierende, die vielleicht sogar schon ein paar Semester Biologie studiert haben, da muss ich dann natürlich drauf eingehen, da kann ich natürlich ein bisschen tiefer in das Gebiet einsteigen, oder ob ich eben Touristen hier habe, die ohne jede Vorbildung hierher kommen, für die muss ich das natürlich besonders plastisch mit Modellen oder an besonders einfachen Beispielen demonstrieren.

    Eins davon ist der Flügel einer Schwebfliege. Normalerweise anderthalb Zentimeter groß, begrüßt in Nieklitz ein 15 Meter langes Modell den Besucher gleich am Eingang des Parks. Flexible Ränder und geschwungene Formen sorgen für optimale Flug- und Gleitfähigkeit. 15-tausendmal pro Minute schlägt die Fliege mit ihrem Flügel – ein unerreichbarer Wert für die heutige Technik. Das Geheimnis: ein Fettpolster unter dem Flügel, das wie eine Art Gummiball funktioniert: es nimmt den Impuls auf und gibt die Energie gleich darauf zu fast 90 Prozent wieder ab – so bewegt sich der Flügel mehrere Male, ohne dass ein neuer Impuls nötig ist. Auch mit ihrem Prinzip der Kraftstoffversorgung während des Fluges begeistern die Insekten Professor Berndt Heydemann immer wieder:

    Sie sammeln Stärke auf, bilden daraus Zucker, das ist viel zu schwer, diese Energie, die in Zucker liegt, und wandeln das dann vorher rechtzeitig in Fette um, das ist das leichteste Gewicht mit der größten Energie pro Einheit in Gramm gerechnet, und während des Fluges haben sie dann eine kleine Hydrieranstalt eingebaut, wo sie dann wieder aus Fetten sich Zucker machen, weil sie nur damit ihren Motor, also die Muskulatur, antreiben können.

    Das Highlight des Erlebnisparks liegt zwei Meter tief in der Erde: der Waldtunnelgang. Kreuz und quer ragen die Wurzeln von Kiefern und Fichten durch das unterirdische Gewölbe. Hier sehen die Besucher, wie das Öko-System Wald funktioniert, lernen, dass sogar Schimmelpilze eine wichtige Aufgabe im Boden haben – und staunen über die Details, die ihnen der Professor erzählt:

    Immerhin muss so ein Baum, der hundert Quadratmeter besetzt, so zehn mal zehn Meter, mindestens dreitausend Meter Wurzeln ausbilden, damit er sich in der Erde hält gegenüber dem Gewicht. Er wiegt ja selbst 2,5 Tonnen, aber das Hundertfache muss er unten umklammern am Boden, er muss mindestens zweihundertfünfzig Tonnen Erde umklammern, damit er oben 250 Tonnen Windlast aushalten kann.

    Das europaweit einmalige Zukunftszentrum in Nieklitz ist das ganze Jahr über geöffnet, es liegt in Mecklenburg-Vorpommern zwischen Boizenburg und der Autobahn 24, Anschlussstelle Zarrentin.


    Nähere Informationen gibt es im Internet unter:
    Zukunftszentrum Mensch-Natur-Technik-Wissenschaft (ZMTW)