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Von der Schulbank ins Labor

"Julius, ich würd’ Dich bitten, Deine Finger da jetzt wegzumachen."

Von Anke Petermann |
    Laurin, Christoph und Julius haben einen Mini-Windkanal in einem Glaskasten aufgebaut. Laurin lässt den Propeller an:

    "Wir sind in den Anfängen der Flügelforschung. Wir haben erstmal aus einem normalen Styroporklotz einfach was ausgeschnitten und die auf Windkanalbreite gebracht, zwischen die Messapparate geklebt und messen jetzt den Auftrieb."

    Gemeinsam mit seinen beiden Mitschülern entwickelt er ein "Bodeneffektfahrzeug", erklärt der 15jährige Christoph:

    "Das ist halt ein Fahrzeug, das schwebt knapp über dem Bode, also da sind vier Flügel dran, zwei vorne und zwei hinten. Mit wenig Energieaufwand kann das große Lasten transportieren. Die gab’s schon mal in den Siebzigern, Achtzigern, da sind die übers Meer gefahren. Da sind die halt nach rechts und links gewackelt, und das wollen wir bei unserem Fahrzeug unterbinden."

    Das Bodeneffektfahrzeug ist eines von 65 Forschungsprojekten aus Physik, Technik, Biologie und Informatik, die 200 Jugendliche am Schülerforschungszentrum selbst initiiert haben. Mit dem neuen Gebäude bekommen die Nachwuchsforscher nun ein Chemielabor und einen Dunkelraum, eine Sternwarte und ein Rasterelektronenmikroskop. Mit drei Millionen Euro finanziert das Land Hessen die neue Einrichtung. Christoph hat vorher schon im PhysikClub mitgearbeitet und freut sich über die neuen Möglichkeiten:

    "Wir haben viel mehr Platz, wo wir arbeiten können. Wir müssen unser Projekt nicht jede Woche abbauen. Wir können auch mal nach der Schule oder in den Pausen oder in den Freistunden hier arbeiten. Wir haben auch ne Werkstatt. Es ist halt jetzt viel schöner größer und man hat viel mehr Möglichkeiten."

    Das Schülerforschungszentrum vernetzt Projekte in ganz Nordhessen, das erleichtert es naturwissenschaftlich interessierten Jugendlichen, an Hintergrund-Informationen zu kommen, meint Laurin.

    "Gerade durch andere Projekte, wenn wir sie fragen, was die machen und sie uns das kurz erklären können. Im Gegenzug machen wir das natürlich auch und eigenen uns dadurch immer mehr Wissen an, was natürlich außerhalb des schulischen Lehrplans liegt, quasi."

    Begeisterung weckt das Schülerforschungszentrum selbst bei denen, die in den Naturwissenschaften nicht zu den Assen gehören - da ist sich der Initiator und Leiter Klaus-Peter Haupt nach seinen Erfahrungen mit dem PhysikClub als Vorläufer-Einrichtung sicher.

    "Wir haben Bundessieger, die hatten im Schulunterricht in Physik gerade eine Vier geschafft. Die Schule ist was anderes, freies Forschen ist das eine. Jemand der in der Schule schlecht ist, kann bei uns gut sein oder umgekehrt. Das ist eine ganz andere Arbeitsmethode. Wir versuchen natürlich, ein Teil dieses freien Arbeitens auch in den Schulunterricht einzubauen, damit auch im Regelunterricht, damit auch Schüler im Regelunterricht ihre eigenen Kompetenzen besser entwickeln können, als es bei dem üblichen, sehr lehrerzentrierten, fachsystematischen Unterricht sonst möglich ist."

    "Wir brauchen auch die, die nicht so gute Schulnoten haben. Und hier in dem Schülerforschungszentrum soll es Spaß machen. Hier werden viele Schüler angeregt, die den Physik-Unterricht gar nicht mögen, aber gern forschen. Wir sind ein Land, das von Innovationen lebt, wir brauchen junge, interessierte Forscher, und deshalb glaube ich, ist das der richtige Weg, am Schulstandort ein Zentrum zu bauen, in dem man tatsächlich experimentieren kann,"

    ergänzt Hessens Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann. Angeleitet werden die Schüler beim Forschen von Lehrern und Studierenden, die sich als Berater und Moderatoren verstehen. Die Erfahrungen fließen in die Lehrerbildung zurück, betont die CDU-Politikerin:

    "Diejenigen, die mit den Schülern und Schülerinnen arbeiten, können hier praktisch sehen, was begeistert die Schüler und was nicht. Und das kann man dann auch auswerten und kann viele Erfahrungen mit in die Lehrer-Ausbildung mitnehmen, damit der naturwissenschaftliche Unterricht noch spannender wird."

    Christoph, Laurin und Julius beugen die Köpfe wieder über das Stück Styropor im Windkanal, den primitiven Vorläufer des Bodeneffektfahrzeugs. Wenn sie vom Schülerforschungszentrum nach Hause gehen, ist für sie immer noch nicht Feierabend. Zuhause recherchieren sie am Computer weiter.