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Von der Senke zur Schleuder

Umwelt. - Die größte Treibhausquelle der deutschen Landwirtschaft sind für Ackerbau und Viehzucht genutzte Moore. Durch die Bewirtschaftung verlieren die Böden das eingelagerte CO2.

Von Volker Mrasek | 03.07.2009
    Wer in Deutschland seinen Fuß in ein Moor setzen will, braucht fast nie Gummistiefel. Die Mehrzahl der Flächen gleicht keinesfalls modrigen Sumpflandschaften. Man würde sie nicht einmal als typische Torfboden-Standorte erkennen,

    "weil 95 Prozent unserer Moore landwirtschaftlich genutzt sind. Und von der Oberfläche, was draufsteht - Grasland, Acker oder Wald - lässt sich das gar nicht so sehr unterscheiden von den normalen landwirtschaftlichen Nutzflächen."

    Nur fünf Prozent der Moore seien überhaupt noch in einem natürlichen Zustand, sagt Matthias Drösler, Vegetationsökologe von der Technischen Universität München:

    "Und da ist es dann auch richtig sumpfig-schön, mit Nebel und Edgar Wallace."

    Gar nicht schön ist dagegen, was Matthias Drösler und andere deutsche Forscher nunmehr bestätigen können: Die Entwässerung und Nutzung als Grasland oder Acker macht Moore zu äußerst starken Quellen für das Treibhausgas Kohlendioxid. Je intensiver die humusreichen Torfböden bearbeitet werden, desto mehr eingelagertes CO2 geben sie frei. Und davon steckt in Mooren äußerst viel.

    "Die Zahlen, die wir jetzt haben, sind eine erste Einschätzung der Klimawirksamkeit der Moore deutschlandweit. Und die Moore tragen nach unseren derzeitigen Untersuchungen 4,5 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen der Bundesrepublik bei, wenn man die gesamte Liste aufmacht: fossile Energieträger, Verkehr und so weiter."

    Der Münchener Ökologe koordiniert gleich zwei Verbundprojekte zum Thema Moornutzung und Klima: eines, das seit zwei Jahren läuft und vom Bundesforschungsministerium finanziert wird, und ein weiteres, das kürzlich erst begonnen wurde. Es soll die angewandte Agrarforschung stärker miteinbeziehen. Zum Kreis der Wissenschaftler zählt auch Annette Freibauer vom Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei. Die Geoökologin zum Anteil der Moore an den gesamten Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft in Deutschland:

    "Die Moore sind die größte landwirtschaftliche Quelle, die wir haben. Etwa 45 Prozent. Die sind größer als die Stickstoff-Düngung. Die sind wichtiger als die Methan-Emissionen aus der Rinderhaltung. Da haben wir einen echten Hot Spot, den wir die letzten Jahre über zwar geahnt haben, aber nicht quantifizieren konnten."

    Die Forscher empfehlen, die Moornutzung schrittweise zurückzufahren. Wo viel Ackerbau betrieben werde wie in der Norddeutschen Tiefebene, könnte auf die schonendere Wiesen- und Weidewirtschaft umgestellt werden. Und wo diese heute schon verbreitet sei wie etwa im Alpenvorland, könnten Moorflächen wieder bewässert und renaturiert werden. Landwirte müssten mit entsprechenden Äckern und Grünland von den Torf- auf normale Mineralböden ausweichen. Annette Freibauer:

    "Ackernutzung auf Mooren hat mit Abstand die höchsten Emissionen, deutlich höher als Grünlandnutzung. Der erste Schritt wäre zu sagen: Ackernutzung auf Mooren darf nicht mehr passieren. Was wir aber im Moment sehen, ist ein Umbruch von Grünland auf Mooren zu Acker. Und das ist absolut gegen jede fachliche Praxis und ist auch gegen aktuelles Naturschutzrecht."

    Hinter dieser Entwicklung steckt der Boom erneuerbarer Energieträger, wie ein Kollege von Annette Freibauer in Braunschweig festgestellt hat. Laut dem Agrar-Ingenieur Bernhard Osterburg wird auf den neu entstandenen Torfäckern bevorzugt Mais gepflanzt,

    "weil wir sehr viele Biogas-Anlagen haben, die neu gebaut worden sind. Die laufen sehr stark mit Mais nach unseren Erkenntnissen. Der Mais ist eine Kultur, wo wir auch sehr deutlich mit Zahlen feststellen konnten, dass Mais sehr stark auf Moorstandorten angebaut wird und dort sehr gut wächst. Und das verursacht natürlich entsprechende Probleme mit den Treibhausgas-Emissionen aus solchen Böden."

    Die Forscher kritisieren Fehler der Politik. Viele Bundesländer hätten es versäumt, klare Regelungen für die landwirtschaftliche Nutzung von Mooren in ihren Landes-Naturschutzgesetzen festzuschreiben. Deshalb sei damit zu rechnen, dass die Treibhausgas-Emissionen aus Torfböden sogar noch weiter steigen ...