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Von der Uni zum Offenbarungseid

Ein Studium heißt auch, Leben und Lernen unter permanentem finanziellen Druck. Viele Studierende werden in dieser Situation ansprechbar für sogenannte Bildungs- oder Studienkredite. Diese kommerziellen Kredite bergen jedoch Risiken.

Von Armin Himmelrath | 07.01.2010
    "Presse- und Kommunikationsstelle, Raphael Köllner, guten Tag! - Ja. Wie kann ich Ihnen denn weiterhelfen. Ja, das können Sie auf der Internetseite finden."

    Die Online-Redaktion der Universität Köln. Hier wird die Homepage der Hochschule betreut, hier werden aktuelle Informationen für Studierende, Mitarbeiter und Professoren ins Internet gestellt. Raphael Köllner ist 25 Jahre alt. Der Jura-Student hat hier in der Online-Redaktion einen Job als studentische Hilfskraft. 19 Stunden pro Woche arbeitet er hier neben seinem Vollzeit-Jura-Studium.

    "Das geht immer hin und her, wie man so schön sagt, wie beim Tennis, also ich beginn eigentlich morgens ganz früh um acht schon, vielleicht um halb acht, mir das erste Buch zu nehmen, dann in die erste Vorlesung um acht zu gehen. Nach der ersten Vorlesung geht's dann oft zur Arbeit. Zwei, drei Stunden, dann in die nächste Vorlesung, dann schnell was zu Mittag essen, dann wieder auf die Arbeit. Und abends dann eventuell noch ne Vorlesung oder ein Seminar oder halt ne Lerngruppe, die dann kommt."


    Der Terminkalender des 25-Jährigen ist dadurch ziemlich vollgestopft. Ohne gute Selbstorganisation und ohne ausgeprägte Disziplin sei das Nebeneinander von Studium und Job nicht zu schaffen.

    "Das ist nämlich richtig schwierig. Man muss natürlich seine 19, 20 Stunden, die muss man natürlich arbeiten, das ist klar. Da bleibt nicht mehr so viel Zeit, um zu lernen. Aber das klappt schon. Man schläft nicht mehr ganz so viel und versucht das zu balancieren. Es ist schwierig, aber es geht. Dadurch, dass man in der Uni arbeitet - oder ich jetzt das Glück habe, im Hauptgebäude zu arbeiten, ist das nicht so weit zu den Vorlesungssälen, sodass man sagen kann: Man arbeitet bis zwölf, eilt dann rüber in die Vorlesung, ist vielleicht zwei, drei Minuten später in der Vorlesung, was nicht so schlimm ist, weil am Anfang der Professor eh erstmal nur die Einführung macht oder die Wiederholung von der letzten Stunde."

    Raphael Köllner ist kein Einzelfall. Rund zwei Drittel der Studentinnen und Studenten in Deutschland, das hat die letzte Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks ergeben, müssen neben dem Studium noch Geld verdienen. Im Baumarkt oder als Packer auf dem Flughafen, bei Medienunternehmen oder als Taxifahrer, in Büros oder kellnernd in Kneipen. Doch diese letzte Sozialerhebung stammt aus dem Jahr 2006, sie ist also über drei Jahre alt. Damals, sagt Rolf Dobischat, der Präsident des Deutschen Studentenwerks - kurz: DSW, sei ein Studium finanziell noch deutlich leichter zu bewältigen gewesen. Denn 2006 gab es noch keine Studiengebühren, und auch die neuen Abschlüsse Bachelor und Master waren noch nicht flächendeckend eingeführt.

    "Natürlich haben sich in den letzten Jahren die Lebenshaltungskosten deutlich erhöht, und die Rahmenbedingungen für die Finanzierung des Studiums haben sich auch erhöht, so das zum Beispiel durch die Hochschulreform - nehmen wir jetzt mal den Bachelor - es Probleme gibt. Ich sehe das ja auch aus der Erfahrung hier mit meinen Studierenden, dass eben viele, die nebenbei arbeiten müssen, um sich überhaupt ein Studium zu finanzieren, durch die hohen Studienbelastungen im Bachelor-Studiengang - also zeitliche Verdichtung, dass, was man als Argumente so kennt - dass sie kaum in der Lage sind, noch nebenbei zu jobben. Und damit im Grunde genommen ihre Studienfinanzierung unsicher wird und das wissen wir auch aus der letzten Sozialerhebung: Ein Großteil, fast 50 Prozent der Studierenden, sagen, dass ihr Studium finanziell unsicher ist und das ist ne relativ schlechte Voraussetzung, um ein vernünftiges Studium betreiben zu können."

    Rund 770 Euro pro Monat, hat das Deutsche Studentenwerk ermittelt, braucht man, um ein Studium zu finanzieren. Eine Summe, in der die Studiengebühren von etwa 85 Euro pro Monat noch gar nicht enthalten sind. Neun von zehn Studenten schaffen das nur, weil sie von ihren Eltern unterstützt werden; jeder vierte Student bezieht außerdem BAföG-Zahlungen, drei von vier jobben auch noch. Insofern ist Raphael Köllner mit seiner monatlichen Budgetplanung ein ziemlicher Durchschnittsstudent.

    "Die größten Posten - das ist natürlich die Miete. Das sind bei mir 410 Euro warm. Das ist natürlich schon, also, ich wohn halt relativ in der Uninähe, um halt alles koordinieren zu können. Das ist ein großer Posten. Klar, die restlichen Nebenkosten, wie Telefon, Handy und so weiter, machen auch noch mal gut 100 Euro aus. Wenn man das sieht, dass man dann mit einer 19-Stunden-Stelle um die 650, 680 glaube ich kriegt, merkt man schon, dass nicht mehr viel am Ende übrig bleibt. Deswegen arbeite ich zum Teil noch bei der Studierendenschaft , dann halte ich halt noch Seminar, wo man auch noch ein bisschen Geld für bekommt. Alles in allem reicht's - man braucht im Monat, sag ich mal, wenn man gut leben will, schon 800 Euro. Das heißt, die Stelle reicht im Grunde genommen nicht aus. Jetzt hab ich Glück, dass meine Eltern mich noch ein bisschen unterstützen, sonst würde das auch nicht funktionieren."

    Leben und Lernen unter permanentem finanziellen Druck - viele Studierende werden in dieser Situation ansprechbar für sogenannte Bildungs- oder Studienkredite. Diese Finanzprodukte sind erst in den letzten Jahren verstärkt auf den Markt gekommen. DSW-Präsident Rolf Dobischat:

    "Nach den Angaben der Kreditinstitute, der Kreditwirtschaft, haben zur Zeit 60.000 Personen Studienkredite aufgenommen. Das sind circa zwei bis drei Prozent der Gesamtstudierenden. Das ist ein großes Problem, worauf wir seit Jahren hinweisen: Wir sagen ja immer, BAföG ist eine Grundvoraussetzung einer Studienfinanzierung. Wir haben immer gesagt: Studienkredite ok, aber nur für bestimmte Situationen, für kurze Zeiträume. Und Studienkredite zur Finanzierung des ganzen Studiums heranzuziehen, haben wir immer als sehr kritisch gesehen, weil man weiß aus so Berechnungen, dass nach so einem Bachelor- oder Masterstudium 50-80.000 Euro Schulden auf die Leute zukommen, was ja beim BAföG nicht ist. Die Deckelung ist ja da, in Nordrhein-Westfalen mit 10.000 Euro, in anderen Bundesländern mit 15.000 Euro."

    Denn das ist der wesentliche Unterschied zwischen BAföG und kommerziellen Studienkrediten: Beim BAföG muss nur die Hälfte des Geldes zurückgezahlt werden, außerdem ist die Rückzahlungsverpflichtung an die Einkommenssituation gekoppelt. Wer also nach dem Examen arbeitslos wird, bekommt das Geld weiter gestundet. Anders beim Studienkredit: Der muss komplett zurückgezahlt werden, und zwar unabhängig vom tatsächlichen Einkommen. Stefanie Laag, Kreditexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, mahnt Studenten mit Geldbedarf deshalb zur Vorsicht:

    "Kreditaufnahmen sind natürlich immer mit einem gewissen Risiko verbunden, ganz besonders dann, wenn man eben bei Aufnahme des Kredites noch gar nicht sagen kann, wie sich die Einkommenssituation zum Zeitpunkt der Rückzahlung darstellen wird. Und noch gar nicht klar ist, ob man sich dann die Rate überhaupt tatsächlich leisten kann."

    So wie bei Juliane, Studentin aus Hamm. Zuerst hatte sie sich ihr Studium mit BAföG und Jobben finanziert. Weil ihre Eltern sie nicht unterstützen konnten, nahm sie irgendwann Kredite auf - und steht jetzt, nach dem Examen, ohne Job vor einem Schuldenberg. Die Konsequenzen schilderte die junge Frau im ARD-Magazin Monitor:

    "Ich hab ein Studium abgeschlossen, gut abgeschlossen. Ich spreche vier Sprachen, ich sollte eine Doktorarbeit schreiben. Und werde jetzt wahrscheinlich Privatinsolvenz anmelden."

    Grundsätzlich, sagt Kreditexpertin Stefanie Laag, müsse man angesichts solcher Fälle die angebotenen Studienkredite sehr genau miteinander vergleichen.

    "Ein niedriger, fester Zinssatz ist natürlich immer wesentlich besser und gibt größere Transparenz und Planungssicherheit. Die meisten Kreditprodukte in diesem Bereich sind jedoch so gestaltet, dass sie während der Auszahlungsphase zwar einen in der Regel attraktiven niedrigen Zinssatz vorsehen, der auch dann nicht veränderbar ist, allerdings dann für die Rückzahlungsphase einen variablen Zinssatz vorsehen, der natürlich einen großen Spielraum lässt hinsichtlich des Kostenrisikos. Das heißt, bei Kreditaufnahme steht überhaupt nicht fest, wie teuer das Ganze dann am Ende sein wird. Und natürlich: Dazu kommt noch die völlig ungewisse Situation, ob man nach Studier-Ende tatsächlich einen lukrativen Job auch bekommt."


    Mit anderen Worten: Viele Studierende gehen mit einer Kreditaufnahme ein ziemlich großes Risiko ein. Ein Risiko, mit dem man im schlimmsten Fall seine Zukunft aufs Spiel setzt. Peter Becker berät Studierende im BAföG-Amt des Kölner Studentenwerks - und er lernt dabei viele Notlagen kennen.

    "Wir haben zunehmend in der laufenden BAföG-Förderung auch mit Studierenden zu tun, die bereits in den frühen 20er-Jahren bereits eine Privatinsolvenz laufen haben. Das sind im Jahr - ich hab sie nicht festgehalten - aber ich sag mal: zehn bis zwölf Fälle, die auf jeden Fall bei mir auftreten."


    Und eine Privatinsolvenz, sagt Peter Becker, sei schon ein massiver Eingriff ins persönliche Leben, der die Zukunftsperspektiven massiv beeinträchtigt.

    "Da ist man sieben Jahre in der Rückzahlungsverpflichtung. Oder auch nicht, wenn man nicht zahlen kann. Dann ist man schuldenfrei. Wie sich das weitere Leben dieser Menschen gestalten wird - denn die Privatinsolvenz hat man ja am Bein - das weiß natürlich keiner. Ob das immer auf die finanzielle Situation während des Studiums zurückzuführen ist , das kann man nicht so unbedingt sagen. Aber für die Leute ist es natürlich doppelt schwierig, weil - da ist schon ein Schuldenberg im Hintergrund, auf den man dann noch einen Schuldenberg draufhängt. Und die Leute kommen auch nicht in den Kreditgenuss."

    Eine Konsequenz, die Finanzierungsexperte Peter Becker in den Beratungsgesprächen mit Studierenden immer wieder eindringlich vor Augen führt. Und die dann häufig zu Tränen führt.

    "Es gibt Studierende, die sitzen hier und sagen: Ich breche mein Studium ab. Wenn wir sie beraten haben und sagen: das ist deine einzige Chance jetzt, alle anderen Möglichkeiten wie BAföG scheiden aus, es bliebe aber noch die Möglichkeit eines Kredits - die sagen: Nee, das mach ich nicht, dann hör ich wieder auf."

    Auch Jura-Student Raphael Köllner hat in seinem Bekanntenkreis solche Fälle.

    "Ich kenn zwei Kollegen von mir, die haben, der eine hat sogar aufgehört, also die haben Jura studiert mit mir, der eine ist jetzt auf die Polizeischule gegangen. Also, der hat immer gearbeitet ganz viel nebenher, hat dann das Studium abgebrochen, weil er gesehen hat, dass er bei der Arbeit weiterkam als im Studium, und hat sich dann überlebt: Ok, mach ich die Polizeischule, das ist genauso relativ nah am Jurastudium, und hat jetzt abgebrochen. Das ist sehr schade, und kriegt man leider immer mehr mit. Durch die gestiegenen Kosten, auch die Lebensunterhaltskosten, gehören ja auch dazu."

    Die aktuelle Studentengeneration muss also gleich mit mehreren Faktoren zurechtkommen: einerseits mit generell steigenden Kosten für den Lebensunterhalt, andererseits mit dem stark erhöhten Leistungsdruck nach der Bologna-Reform, der wenig bis gar keine Zeit fürs Jobben nebenher lässt. Das Ganze in einigen Bundesländern noch garniert mit der zusätzlichen Belastung durch Studiengebühren - und fertig ist die prekäre Finanzsituation des akademischen Nachwuchses. Kein Wunder, dass einer neuen Studie zufolge immer mehr Abiturienten gleich ganz auf den Gang zur Universität verzichten. Ein knappes Drittel der potenziellen Studenten, hat das Hochschul-Informationssystem Hannover im Auftrag des Bundesbildungsministeriums ermittelt, fängt gar nicht erst mit dem Studium an, weil sie sich finanziell dazu nicht in der Lage sehen und die Studiengebühren sie abschrecken. Im Abiturjahrgang 2008 sind das immerhin gut 85.000 potenzielle Nachwuchsakademiker, die sich für eine Berufsausbildung außerhalb der Hochschule entschieden haben. Eine ungenutzte Ressource - zumal die Bildungspolitik eigentlich die Studienanfängerzahlen nach oben treiben möchte. Schließlich haben in Deutschland im Jahr 2007 nur 23 Prozent eines Altersjahrgangs ein Studium abgeschlossen, im OECD-Durchschnitt lag die Quote dagegen bei 36 Prozent. Den weitverbreiteten Finanzängsten vor dem Studium wollen die Bildungsminister in Bund und Ländern deshalb mit einem Ausbau der Stipendienangebote entgegen treten. Denn gerade in diesem Bereich gibt es massiven Nachbesserungsbedarf: Stipendien sind in Deutschland bisher so selten, dass nur jeder 50. Student davon profitieren kann.

    "Guten Tag, ich bin Johan Lucas Wessling
    Ich hoffe stark, dass ich jetzt nicht so wie der Rest kling!
    Mein Manifest zwingt mich zu schreiben, also mach ich das
    Um euch mitzuteilen, wie ich beizeiten in der Kasse kratz."

    Johan Lucas ist Designstudent im dritten Semester in Mannheim. Für einen Auslandsaufenthalt braucht er dringend Geld: 1.400 Euro für Reisekosten, Studiengebühren und ein Visum. Deshalb hat er diesen Rap geschrieben, um so die Besucher der Internetseite absolventa.de davon zu überzeugen, ihre Stimme für ihn abzugeben. Denn die Akademikerjobbörse hatte im Sommer insgesamt 25.000 Euro für Stipendien ausgelobt, die nicht nach Studienleistungen vergeben wurden, sondern alleine nach dem Voting der Internetnutzer. Mehr als 500 Bewerber stellten sich auf der Homepage vor. Mal brauchten sie exakt 190 Euro und 40 Cent, wie der angehende Ingenieur Matthias, um eine bestimmte Software zu kaufen. Oder sie baten wie Veronica gleich um 14.000 Euro, um damit ein ganzes Promotionsstudium zu finanzieren. Nur eine Handvoll blieb am Ende übrig. Das Ganze wirkte ein bisschen wie "Deutschland sucht den Superstipendiaten".

    "Yeah, ich hoff auf das Stipendium.
    Guten Tag, ich hoff auf das Stipendium."

    Die Suche nach den Stipendiaten war ein cleveres PR-Instrument der Akademikerjobbörse, zweifellos - und gleichzeitig ein deutliches Indiz dafür, wie reformbedürftig die Instrumente zur Studienfinanzierung in Deutschland sind. Deshalb standen auch beim Bildungsgipfel Mitte Dezember im Kanzleramt in Berlin die Erhöhung der BAföG-Sätze und der Aufbau eines bundesweiten Stipendiensystems auf der Tagesordnung. Freilich nur mit dem mageren Ergebnis, dass sich Bund und Länder über diese Schritte zwar grundsätzlich einig sind, die entscheidenden Fragen zur Finanzierung aber erst in einem halben Jahr geklärt werden sollen. Dabei sind aus Sicht von DSW-Präsident Rolf Dobischat die Anforderungen längst klar:

    "Ja, so sein System der Studienfinanzierung - und ich sage das ganz offen, ich bin schon immer gegen Studiengebühren gewesen - muss erstens ausreichend sein, um die Kosten für ein Studium betreiben zu können. Zweitens: Es muss viel stärker auch elternunabhängig sein. Eltern werden herangezogen zur Finanzierung, völlig klar, aber es muss viel stärker elternunabhängig sein. Es muss, drittens, kontinuierlich sein, es muss eine Planungssicherheit geben. Und - wenn man die Studierenden an der Rückzahlung beteiligen will, wie das das BAföG ja macht, zur Hälfte eben als Darlehen - dann muss es gekoppelt sein an Bedingungen, dass es in vernünftigen Tranchen zurückgezahlt werden kann. Also, diejenigen, die dann einen guten Job finden, klar, können das zurückzahlen, aber es gibt eben auch viele, die unterwertig beschäftigt werden, prekäre Beschäftigung bei Akademikern nimmt zu, da weiß ich nicht, wie die Leute dann ihre Gebühren zurückzahlen sollen."

    Doch die Debatte um ein neues Studienfinanzierungsmodell wird bereits seit mehr als einem Jahrzehnt geführt - ohne dass es echte Änderungen gegeben hätte, die den Studierenden bei ihren steigenden Belastungen helfen. Wer heute an einer Hochschule eingeschrieben ist, braucht deshalb fast schon so etwas wie einen Businessplan zur Finanzierung. Kreditexpertin Stefanie Laag von der Verbraucherzentrale NRW:

    "Grundsätzlich sollte man sicherlich immer versuchen, bevor man eine Kreditaufnahme in Erwägung zieht - insbesondere eben auch fürs Studium - alle anderen Geldquellen auszuschöpfen. Das heißt, immer erstmal schauen, wie sieht es aus? Können die Eltern einen noch unterstützen? Ist die Möglichkeit, BAföG in Anspruch zu nehmen, gegeben? Möglicherweise ja auch nur eine Teilauszahlung des BAföGs. Sind Nebenjobs vielleicht möglich? Und nur, wenn dann noch eine Finanzierungslücke besteht, diese gegebenenfalls vielleicht über einen Kredit abzudecken. Sodass man hier schon mal die Belastung so gering wie möglich hält."

    Das klingt logisch, doch viele Studierende sind von solchen Überlegungen schnell überfordert. Kein Wunder, sagt Stefanie Laag, schließlich haben sie in der Regel zum ersten Mal überhaupt in ihrem Leben mit solch folgenreichen finanziellen Entscheidungen zu tun.

    "Aus unserer Sicht gibt es hier leider noch zu wenig Vorbereitung seitens der Schule für die jungen Menschen, die dann praktisch in die Studienzeit entlassen werden und einen Kredit aufnehmen möglicherweise, der in den Bereich von 30, 40.000 Euro geht. Das heißt, die haben weder Erfahrung mit solchen Verträgen, noch sind sie in der Regel während der Schulzeit darauf vorbereitet worden. Hier gibt es sicherlich noch einiges zu verbessern."

    Diese finanzielle Unsicherheit einerseits und die Studiensituation nach der Bologna-Reform andererseits - für Peter Becker vom Kölner Studentenwerk ist das eine fatale Kombination.

    "Sicherlich ist die Situation der Studierenden durch diese Studiengänge schwieriger geworden, was die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit betrifft. Sie wissen, dass es Anwesenheitspflichten gibt, dass es einfach die Notwendigkeit gibt, in gewissen zeitlichen Rahmen Credits zu erwerben. Das ist so ähnlich wie in der Schule: Sonst bleibt man sitzen oder fliegt sogar raus, das ist ja alles möglich. Es ist also nicht mehr so einfach, wie das früher bei den Diplomstudiengängen oder Staatsexamensstudiengängen war, das Studium auch an der Notwendigkeit einer Erwerbstätigkeit zu orientieren. Das heißt, das bringt eine zusätzliche Verschärfung der Finanzierungsmöglichkeiten mit sich."

    Eine Verschärfung, die Jura-Student Raphael Köllner täglich spürt. Ja, sagt er nach kurzem Nachdenken, natürlich gebe es durch die 19 Stunden, die er jede Woche jobbt, auch Einschränkungen beim Studium: Im ersten Semester habe er noch sieben Klausuren geschrieben, mittlerweile schafft er nur noch drei oder maximal vier pro Halbjahr. Deshalb sei er jetzt auch im elften Semester und immer noch nicht fertig mit seinem Studium, obwohl er das eigentlich längst sein wollte. Und das, obwohl er noch nicht einmal in einem der neuen Bologna-Studiengänge eingeschrieben ist.

    "Ich hab Glück, dass bei den Juristen kein Bachelor und Master im Moment noch nicht da, noch nicht anliegt. Wenn man es von anderen Kollegen hört, die Mathe studieren, Lehramt oder Wirtschaftswissenschaften, die bekomme ich schon mit, dass im Bachelor halt der Stundenplan noch enger und noch strikter ist. Also, ich glaube, da könnte ich gar nicht hier 19 Stunden arbeiten. Weil man in einer bestimmten Zeit bestimmte Klausuren und Scheine erhalten muss, sonst wird man sozusagen rausgeprüft. Das heißt, man kann das Studium nicht mehr fortführen."

    Doch trotz des finanziellen Drucks, trotz der Doppelbelastung durch Studium und Job, trotz des längeren Wegs bis zum Examen: Rafael Köllner würde seinen Ausbildungsweg wieder genau so gehen. Dazu macht ihm das Studium einfach viel zu viel Spaß.

    "Da muss man halt auch auskommen mit der knappen Zeit, dem wenigen Geld. Aber da ist halt der Vorteil: Da man so wenig Zeit hat, kann man auch nicht so viel ausgeben. Also (lacht) das ist leider so. Würde man schon gerne, aber da hoffe ich mal, dass das Studium nicht mehr so lange dauert und dann die besseren Zeiten kommen."