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Von der Verteidigung zur Selbstverteidigung

Reden kann er. Und meist lächelt er auch dabei. Im Bundestag und in Talkshows glänzt Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg regelmäßig mit brillanter Rhetorik. Als Wirtschaftsminister gab er zumindest eine glänzende Figur ab. Als Verteidigungsminister übt er sich gerade in Selbstverteidigung.

Von Rolf Clement | 15.12.2009
    Und dass noch mehr in ihm steckt, hat er bereits vor einigen Monaten bewiesen: Berliner Schüler erlebten den 38-Jährigen als Märchenonkel:

    "Das Märchen heißt Hans und nicht Karl-Theodor im Glück und ist ein Märchen der Gebrüder ... ? Grimm. Bravo! Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient. Da sprach er zu ihm, meine Zeit ist herum, nun wollte ich wieder gerne heim zu meiner Mutter, gebt mir meinen Lohn."

    Der Minister sitzt auf einem blauen Samtthron und wiegt einen Klumpen Gold in der Hand. Vom Lohn bleibt im Märchen nichts weiter übrig als das große Glück und die Freiheit. In der Politik ist beides viel schwerer zu finden.

    Guttenberg: "Das ist schon was, dass mal ein Politiker Märchen vorliest, der sonst im Wesentlichen Märchen erzählt."

    Im Moment interessiert sich die Öffentlichkeit weniger für Märchenstunden des Ministers, dafür umso mehr für Wahrheiten. Wann erfuhr zu Guttenberg, was Anfang September bei Kundus vorgefallen ist und schätzungsweise 140 Afghanen den Tod brachte? Und warum bezeichnete er erst den Luftschlag auf die zwei gekaperten Tanklaster als angemessen, um sein Urteil später zu revidieren? Vor allem: Wie kam es zu seinem Sinneswandel? Auf entsprechende Fragen reagiert der früher so Strahlende nicht nur zunehmend genervt, sondern er suggeriert sogar, der Untersuchungsausschuss zur Kundus-Affäre könne ihm selbst in der Wahrheitsfindung dienen.

    Guttenberg: "Ich sage noch mal, das hat der Untersuchungsausschuss dann in seinem Gesamtbild darzustellen. Ich glaube, es ist das richtige Vorgehen, ich will selbst Ergebnisse sehen, und zwar schlüssige Ergebnisse. Und dieses immer wieder Mal dort ein Satz und da ein Satz, all dieses trägt auch nicht dazu bei, dass man zwingend der Wahrheit näher kommt."

    In der Öffentlichkeit kursiert jedenfalls die Version, dass der Verteidigungsminister umfassend im Bilde war und Ziel der Aktion nicht gewesen sei, die Tanklaster zu zerstören, sondern die Taliban zu töten. Aktives, offensives Vorgehen gegen die Taliban ist den Soldaten mittlerweile möglich, seitdem die Regeln des Einsatzes geändert wurden, die jeder Soldat in der sogenannten Taschenkarte mit sich führt. Da zu Guttenberg auch diese Informationen über das Ziel der Operation gehabt, aber dem Parlament und den Bürger vorenthalten habe, müsse er zurücktreten. Den Vorwurf der Lüge und Rücktrittsforderung der Opposition wies der CSU-Politiker forsch zurück. Der vorliegende Bericht der Afghanistanschutztruppe ISAF liege allen Fraktionen vor und somit seien auch die darin enthaltenen Fakten bekannt.

    Guttenberg: "Dass auch Taliban das Ziel des Bombardements sein sollen. Also vor dem Hintergrund kann ich nur sagen, wer jetzt in Empörung ausbricht nachdem seit dem 3. November spätestens, sogar in deutscher Übersetzung der Com-ISAF-Bericht vorliegt, muss sich selbst davor hüten, sich dem Vorwurf nicht selbst auszusetzen."

    Der Minister widerspricht auch der Darstellung des entlassenen Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan und des gefeuerten Staatsekretärs im Verteidigungsministeriums, Peter Wichert. Im Gegensatz zu den Behauptungen der beiden, seien eben nicht alle existierenden Berichte vorgelegt worden.

    Guttenberg: "Wenn ein Minister sich vorne hinstellt und sich öffentlich erklärt, muss er solche Berichte haben, das ist völlig außer Frage."

    Außer Frage ist allerdings auch, dass Karl-Theodor zu Guttenberg in der Bredouille ist. Rückhalt kommt in der vertrackten Situation aus München. Nicht etwa, weil der bayerische Ministerpräsident und CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer ein inniger politischer Freund wäre – sondern, weil sein populärster Politiker in der Kundus-Affäre in die Schusslinie geraten ist.

    Seehofer: "Er ist nach meiner festen Überzeugung die treibende Kraft bei der Aufklärung und nicht umgekehrt."

    In der schwer gebeutelten CSU ist zu Guttenberg der Superstar. Während des letzten Bundestagswahlkampfes füllte er Marktplätze und Zelte. Der jüngste deutsche Wirtschaftsminister entfachte beim bayerischen Parteivolk eine Hysterie, wie sie zuletzt Franz Josef Strauß entfachte.

    Besucher: "Weil ich sehen möchte, wie er ankommt hier. Er ist ehrlich. Er sagt, was Sache ist. Er redet dem Volk nicht nach dem Mund. So was findet man selten in der Politik. Ich hoffe, dass er einiges zustande bringt."

    Der Baron faszinierte die Massen. Im Bierzelt gab er sich mit der Maß Bier ganz tümelnd, markierte nicht den Intellektuellen, sondern präsentierte sich hemdsärmelig und frei heraus. Eine Choreografie und Dramaturgie, die Gefühle ansprach.

    Guttenberg: "Was ich heute hier nicht machen werde, ist Ihnen eine vorbereitete Rede über 45 Seiten zu verlesen. Das gibt es bei mir nicht. Sondern ich werde einfach mal, weil ich glaube, dass das notwendiger denn je ist, einfach mein Herz sprechen lassen. Hier ist kein Manuskript, hier ist nur ein Herz, das hier oben steht."

    Zum Spiel mit dem Publikum gehörte dann immer auch die landsmannschaftliche Herkunft – der Oberfranke, der sich auch als halber Oberbayern gibt, weil er dort seine Schulbildung erhielt. Als volksnaher und widerständiger Wirtschaftsminister stürzte er sich in den Wahlkampf.

    Guttenberg: "Es kommt auch in Krisenzeiten immer noch auf jeden einzelnen Euro an. Was mir entscheidend wichtig erscheint, dass wenn wir von Milliarden sprechen, dass uns allen klar ist, dass wir von Milliarden Steuergeldern sprechen. Und das ist der Grund, weshalb ich bei einigen Punkten mir eine gewisse bayerische Bockigkeit bewahrt habe, um es mal milde auszudrücken."

    Diese Art der eigenen Inszenierung machte ihn zu einem der beliebtesten Politiker der Republik. Kein anderer erhielt bei der Bundestagswahl mehr Erststimmen als zu Guttenberg. 68,1 Prozent wurden von niemandem getoppt.

    Seit sieben Jahren ist Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Erst nach der bayerischen Landtagswahl im Herbst 2008, die der CSU ein schockierendes Wahl-Debakel bescherte, nahm zu Guttenbergs Karriere richtig Fahrt auf. Bayerns neuer Ministerpräsident Horst Seehofer machte den Bundestagsabgeordneten zum Generalsekretär.

    Guttenberg: "Wenn die Partei allerdings eine Aufgabe an einen stellt, dann nimmt man diese auch wahr und nimmt sie gerne und mit Freuden wahr."

    Im Zuge der allgemeinen Verjüngungskur der bayerischen Landesregierung sowie der gesamten CSU-Parteiführung sollte zu Guttenberg als Generalsekretär in zweifacher Hinsicht den Neubeginn symbolisieren: als unverbrauchter Neuling jenseits aller parteiinterner Querelen und als personifiziertes Aushängeschild des neuen Stils von Ministerpräsident Horst Seehofer.

    Seehofer: "Für die CSU hat eine neue Ära begonnen."

    Zu Guttenbergs Gastspiel als CSU-Generalsekretär dauerte nur gut drei Monate. Am 9. Februar 2009 wurde er schon wieder nach Berlin geschickt – als Wachablösung für den amtsmüden und auch erfolglosen Wirtschaftsminister Michael Glos.

    Seehofer: "Karl-Theodor zu Guttenberg hat einen breiten Horizont, politisch Tiefenfundus in wirtschaftspolitischen Fragen, auch durch seine Tätigkeit in Familienunternehmen, Beziehungen zu vielen wichtigen Partnern außerhalb Deutschlands, ein beneidenswertes Auftreten, seine Sprachmächtigkeit, was Fremdsprachen betrifft, auch gegenüber unseren ausländischen Partnern, was natürlich in der Wirtschaftspolitik auch sehr wichtig ist."

    Karl-Theodor zu Guttenberg wurde zum jüngsten deutschen Wirtschaftsminister aller Zeiten. Kurz nach seiner Amtseinführung hielt er schon wie ein Routinier seine erste Bundestagsrede in neuer Funktion.

    Guttenberg: "Unser Zukunftssystem ist und bleibt die soziale Marktwirtschaft. Diese ordnungspolitischen Leitplanken dürfen nicht panisch abgerissen werden."

    Der neue Minister redete, als hätte er nie etwas anderes als Wirtschaftsminister gemacht. Beharrlich blieb er bei seiner Meinung, dass mit Steuergeldern vorsichtig umzugehen sei. Eine seiner volksnahen Stammtischweisheiten. Mit großspuriger Geste zeigte er sich hingegen im März als frisch gekürter Wirtschaftsminister. Mit ausgebreiteten Armen ließ er sich auf dem New Yorker Times Square fotografieren und handelte sich damit hämische Kommentare ein, was ihn allerdings wenig störte:

    Guttenberg: "Weil ich nicht zu jenen zähle, die auf Grund der sicher bestehenden Düsternis dieser Krise dann das Foto im U-Bahn-Schacht in New York machen würde oder mich auf den Zentralfriedhof in Wien stellen würde."

    Soviel zu den Kritikern seiner Pose: Es darf doch wohl erlaubt sein, Zuversicht und Mut zu zeigen. Als dann Ende Mai in einer Marathonsitzung im Kanzleramt Opel gerettet werden sollte, erklärte zu Guttenberg als Einziger in der versammelten Runde, dass er die geordnete Insolvenz des Unternehmens für die bessere Lösung halte. Der Wirtschaftsminister wurde von Kanzlerin Merkel und den anderen überstimmt, wenn auch nicht überzeugt. Dafür durfte er aber – quasi als Gegenleistung - auch öffentlich seine kritische Meinung beibehalten.

    Guttenberg: "Ich weiß auch, dass meine Auffassung nicht ohne Risiken selbst ist, beispielsweise eine Planinsolvenz auch mit hohen Risiken verbunden wäre. Und von daher ist in einer Gesamtschau die Bundesregierung, sind wir zum Schluss gekommen, dass wir den weiteren Fortgang, das weitere Prozedere tragen und verantwortlich gestalten wollen, und dass ich mich selbst an dieser Mitgestaltung auch beteiligen werde."

    Die CSU, auch Teile der CDU lobten die konsequente Haltung des Wirtschaftsministers, der nicht müde wurde, immer wieder die sinnvolle Verwendung der staatlichen Mittel einzufordern.

    Guttenberg: "Die Krise darf nicht als Vorwand genommen werden, um eigene, kranke Strukturen mit einer hübschen blanken Fassade, die man vor sich stellt, dann abzudecken oder zu bedecken oder überkommene Industriestrukturen, ich darf das immer wieder betonen, mit Steuergeldern, meine Damen und Herren, zu erhalten."

    Als Mann der direkten und ehrlichen Worte wurde er öffentlich wahrgenommen. Tatsächlich erreicht hat er als Wirtschaftsminister kaum etwas – dafür ist er umso häufiger öffentlich aufgetreten. Während des Bundestagswahlkampfes versuchte sich die SPD immer wieder an dem jungen adligen Minister abzuarbeiten, was allerdings nicht so recht gelingen wollte.

    Die Kundus-Affäre hat für Karl-Theodor zu Guttenberg deutlich mehr Sprengkraft, auch wenn er mit dem Märchen seines Vorgängers Franz-Josef Jung aufräumte, für den der Truppeneinsatz in Afghanistan, trotz toter deutscher Soldaten, vier Jahre lang nichts anderes war als ein Stabilisierungseinsatz.

    Guttenberg: "Ich erwarte von unseren Soldaten zunächst einmal, dass sie ihren Dienst tun, aber wir wissen auch alle, dass das dort unten auch ein Kampfeinsatz ist, es ist nicht nur, aber auch ein Kampfeinsatz. Und da dürfen wir auch nicht um den heißen Brei herum reden. Und ich glaube, das ist es wiederum, was die Soldaten auch von uns erwarten, dass wir deutlich das ansprechen, was vor Ort herrscht. Und ich hatte von kriegsähnlichen Zuständen gesprochen. Und ich hatte den Eindruck, und ich hatte den Eindruck, dass das eine wichtige Klarstellung war."

    Die Absetzbewegung zu Amtsvorgänger Jung wurde schon früh deutlich. Auch in der Kundus-Affäre hat zu Guttenberg immer wieder betont, dass er zum Zeitpunkt des Geschehens nicht in der Verantwortung gewesen sei. Ganz unabhängig von der Bewertung der Kundus-Affäre im Untersuchungsausschuss, wird jedoch eine Frage offenbleiben: Wie steht Deutschland – wie stehen die deutschen Bürger – zu dem Einsatz in Afghanistan, der von Anfang an umstritten war? 2001, als Gerhard Schröder noch Bundeskanzler war, begründete dieser den Einsatz so:

    Schröder: "Nach all den Jahren von Krieg und Terror, von Not und Demütigung erhalten die Menschen in Afghanistan, und um die geht es vor allen Dingen, eine konkrete Friedensperspektive und eine wirtschaftliche Zukunftsperspektive."

    Die Staatengemeinschaft müsse sich dabei substanziell engagieren, betonte Schröder auf der ersten Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg. An die afghanischen Teilnehmer gewandt, fügte er hinzu:

    Schröder: " ... und auch wir glauben an die Zukunft Ihres Landes, und wo wir beim Aufbau und bei der Absicherung dessen, was erreicht worden ist, hilfreich sein können, wollen wir das tun."

    Als er Schröder damals im Fernsehen sah, griff Hans Eichel – in seiner Funktion als Bundesfinanzminister – zum Telefon und rief seinen Kabinettskollegen Rudolf Scharping an. Hast Du das gehört, fragte er. Scharping bejahte. Die beiden Minister waren sich schnell einig: Diese Aussage des Kanzlers würde teuer werden.

    Dass der Einsatz nicht nur im finanziellen Sinne teuer wurde, erkannten alle erst deutlich später. In jenem Dezember 2001 wurde die International Security and Assistance Force, ISAF in Marsch gesetzt. Der Name "Internationale Sicherheits- und Unterstützungstruppe" wurde Programm. Nach der Afghanistan-Konferenz in Bonn wurde ein Mandat der UN beschlossen, das ISAF den Auftrag gab, den zivilen Aufbau und die Demokratisierung des Landes militärisch abzusichern. ISAF sollte also den Rahmen für den zivilen Aufbau, ein sicheres Umfeld für die zivilen Aktivitäten schaffen.

    Daran beteiligte sich die Bundeswehr von Anfang an, zunächst mit 1200 Soldaten. Erst war sie in Kabul eingesetzt und versuchte, Sicherheit für die Hauptstadt zu organisieren und der Regierung damit Luft zum Atmen zu verschaffen. 2003 übernahm die Bundeswehr dann das Aufbauteam in Kundus. Langsam stieg die Zahl der Soldaten auf bis heute 4.500. Das Mandat der UNO blieb im Wesentlichen so, wie es 2001 beschlossen wurde. Markus Keim von der Stiftung Wissenschaft und Politik zieht eine Bilanz:

    "Der Bundeswehreinsatz geht zurück auf ein Mandat der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2001, was jährlich erneuert wird und das festschreibt, dass die Aufgabe der Bundeswehr im Verbund der NATO die ist, die afghanischen Behörden dabei zu unterstützen, Sicherheit auf dem gesamten Territorium Afghanistans zu gewährleisten. Es ist festgeschrieben, dass diese Sicherheit dazu dienen soll, dass der Wiederaufbau von verschiedenen Organisationen organisiert werden kann, afghanischen Zivilbehörden, internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen. Es ist implizit gemeint, dass es eine militärische Sicherung der Stabilität in Afghanistan ist. Und es meint natürlich implizit auch, dass es gegen Widerstand von anderen zu erfolgen hat, die wir Taliban nennen. Das heißt: Zusammengenommen handelt es sich um eine Mission der Aufstandsbekämpfung."

    Mit der Zeit wurde der Widerstand der Taliban größer. Als sie spürten, dass der Druck vor allem der US-Verbände im ISAF-Verbund zunahm, änderten sie ihre Taktik hin zu Guerilla-Methoden. Die Kommandounternehmen, die sie damit starteten, dehnten sich auf das ganze Land aus. Angesichts dieser neuen Lage aktualisierten die Vereinten Nationen das Mandat mit folgender Formulierung:

    "Die ISAF soll die afghanische Regierung dabei unterstützen, die Sicherheitslage zu verbessern und gegen die von den Taliban, der al-Qaida und anderen extremistischen Gruppen ausgehende Bedrohung anzugehen". "

    Die Bundeswehr hatte in ihren Einsatzregeln immer einen strikt defensiven Kurs gefahren. Waffeneinsatz war nur vorgesehen, wenn die Bundeswehr oder mit ihr Verbündete, damit auch afghanische Sicherheitskräfte, angegriffen wurden. Nun kamen zwei Entwicklungen hinzu, die sich auch auf die deutschen Einsatzgrundsätze auswirkten:

    Die Bundeswehr übernahm 2007 von den norwegischen Streitkräften die schnelle Engreiftruppe, die in Gefechte, oft auch in offensive Operationen verwickelt wurde. Und: Nicht zuletzt durch die verbesserte Infrastruktur, die mit Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft geschaffen wurde, verbesserte sich die wirtschaftliche Lage, was die Aufständischen als Gefahr für ihre Rekrutierungs- und Operationsmöglichkeiten sahen. Deshalb verschärften sie ihre Operationen im Raum Kundus, wo sie aus der Vergangenheit eine recht stabile Basis hatten. Die defensive Operationsführung der Bundeswehr wurde dem nicht mehr gerecht. Daher wurden im Sommer die Einsatzregeln, die auf der sog. Taschenkarte erklärt werden, verschärft. Dort heißt es jetzt:

    " "Angriffe können zum Beispiel dadurch verhindert werden, dass gegen Personen vorgegangen wird, die Angriffe planen, vorbereiten, unterstützen oder ein sonstiges feindseliges Verhalten zeigen"."

    Bei der NATO sind hohe Offiziere über diese Entwicklung erfreut. Deutschland habe seine Fesseln abgelegt, heißt es dort. Und auch in dem Mandat, das der Bundestag am 3. Dezember verabschiedet hat, wird den Truppen ein größerer Handlungsspielraum eingeräumt:

    " "Die ISAF ist autorisiert, alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt zu ergreifen, um das Mandat durchzusetzen."

    Der Chef des Stabes im NATO-Hauptquartier Operationen, der deutsche Vier-Sterne-General Karl-Heinz Lather unterstreicht, dass sich die Situation in Afghanistan verändert hat:

    "Ich denke, wir müssen politisch, rechtlich, militärisch erkennen, dass wir in einer Situation sind, die anders ist als reine Stabilisierung."

    Wie sich die Mandate in Deutschland vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Debatte weiterentwickeln werden, ist offen. Die schwarz-gelbe Koalition hat vereinbart, dass künftig auch die nicht militärischen deutschen Anstrengungen in Afghanistan in das Bundestagsmandat aufgenommen werden sollen. Verteidigungsminister zu Guttenberg deutete gestern Änderungen beim Mandat für die Bundeswehr an:

    "Sie braucht eine ganz klare, realitätsnahe Beschreibung dessen, was da stattfindet, und danach hat sich das künftige Mandat auszurichten. Wir haben jetzt ein Mandat, was momentan läuft, wir haben uns selbst den Auftrag gesetzt als Bundesregierung, das Afghanistan-Konzept im Rahmen einer Afghanistan-Konferenz nachzubessern. Möglicherweise muss man daran ein neues Mandat bemessen."