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Von Deutschland nach Südafrika :

In Johannesburg läuft zur Zeit der zweite große UN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung. 10 Jahre nach der ersten Umweltkonferenz in Rio soll Bilanz gezogen werden. Meßlatte ist dabei die sogenannte „Rio- Agenda“. In 40 Kapitel legt dieses Aktionsprogramm fest, wie wir Weltbürger den Weg zu einer zukunftsfähigen Entwicklung finden sollen. Dabei gibt es nicht nur Handlungsanweisungen für Staaten und Politiker, sondern für jeden von uns. Und es gibt Bürger hierzulande, die diesen Auftrag ernst nehmen. In Tausenden von Agenda-Initiativen probieren umweltbewußte Menschen aus, wie sich „Zukunftsfähigkeit“ im Alltag anfühlt. Immer nach dem Rio Prinzip: Global denken - lokal handeln. Auch in Aachen ist das so. Dort hat eine Agenda-Gruppe ein bisher einmaliges Projekt mit Gleichgesinnten in Kapstadt entwickelt.

von: Sigrid Müller |
    In Johannesburg läuft zur Zeit der zweite große UN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung. 10 Jahre nach der ersten Umweltkonferenz in Rio soll Bilanz gezogen werden. Meßlatte ist dabei die sogenannte "Rio- Agenda". In 40 Kapitel legt dieses Aktionsprogramm fest, wie wir Weltbürger den Weg zu einer zukunftsfähigen Entwicklung finden sollen. Dabei gibt es nicht nur Handlungsanweisungen für Staaten und Politiker, sondern für jeden von uns. Und es gibt Bürger hierzulande, die diesen Auftrag ernst nehmen. In Tausenden von Agenda-Initiativen probieren umweltbewußte Menschen aus, wie sich "Zukunftsfähigkeit" im Alltag anfühlt. Immer nach dem Rio Prinzip: Global denken - lokal handeln. Auch in Aachen ist das so. Dort hat eine Agenda-Gruppe ein bisher einmaliges Projekt mit Gleichgesinnten in Kapstadt entwickelt.

    Kapstadt ist die südlichste Metropole des afrikanischen Kontinents. Dreieinhalb Millionen Menschen leben hier in krassen sozialen Gegensätzen. Die Mehrzahl der Bewohner der Stadt ist schwarz, ihr Lebensumfeld ist fast ausschließlich auf die Armenviertel und Slums der Stadt beschränkt. 80 Prozent von ihnen sind Analphabeten. Astrid Ley aus Aachen wußte das alles, trotzdem war die erste Reise nach Südafrika für sie ein Schock:

    Ich glaube, daß was mich am Anfang am Stärksten getroffen hat, ist der Unterschied der Lebensumstände. Gerade in Südafrika hat man die höchste Bandbreite zwischen Arm und Reich. Man hat einen Überfluß, den wir hier nicht kennen und man hat auf der anderen Seite eine Armut, die wir uns auch nicht vorstellen können. Das liegt in Kapstadt so nah beieinander und trotzdem bekommen die Menschen von den unterschiedlichen Lebenswelten nichts mit, weil die Stadtplanung so angelegt ist, daß sie nicht in Kontakt miteinander treten können.

    Drei Monate war Astrid Ley zusammen mit Kollegen in der südafrikanischen Metropole unterwegs, um mit Kapstädter Umweltorganisationen ein Projekt vorzubereiten, das in Afrika bisher einmalig ist. 21 Haushalte der Stadt sollen ein Jahr lang nach Prinzipien der Rio-Agenda leben. Die Idee kommt aus Aachen. Dort ließen sich vor zwei Jahren ebenfalls 21 Familien auf dieses Umwelt-Experiment ein. Es ging ums Wasser- und Stromsparen, um die Mobilität ohne Auto und ums ökologisch bewußte Einkaufen. In Südafrika wurde dieses Projekt mit Interesse verfolgt, denn seit 1999 gibt es eine enge Agenda Partnerschaft zwischen Aachen und dem Township Khayelitscha in Kapstadt. Grace Stead ist die Agenda Beauftragte dort, ihr war schnell klar: das Projekt muß regional angepaßt werden:

    Ich war ziemlich überrascht darüber , wie wichtig es war, das Projekt zu südafrikanisieren. Ich hatte in Deutschland gesehen wie nötig es ist, diese Agenda Prozesse für die Haushalte praktikabel und nachvollziehbar zu machen und ich habe gedacht, es wäre ganz einfach, das Projekt nach Südafrika zu übertragen. Aber der Ansatz mußte doch deutlich erweitert werden. Denn bei uns steht nicht der Umweltaspekt so sehr im Vordergrund, die sozialen und kulturellen Unterschiede sind mindestens genauso wichtig.

    Das war der Aachener Projektbetreuerin Astrid Ley dann ebenfalls schnell klar:

    Ich nenn mal als Beispiel, daß die Menschen gar kein Geld haben den öffentlichen Nahverkehr zu benutzen. lnsofern kann man schlecht davon sprechen Mobilität zu thematisieren und zu sagen: kauft euch kein Auto, wie in Aachen. Die Menschen dort haben noch nicht mal das Geld, um sich ein Ticket für den Bus zu kaufen. Auf der anderen Seite es gibt aber auch die ganz reichen Haushalte in Kapstadt. Da ist es so, daß die Ressourcen wie bei uns verbraucht werden in einem Überfluss, wo dann wieder die Konzepte von Aachen stärker greifen könnten.

    Vor diesem Hintergrund überlegten die Projektbetreuer längere Zeit nur mit Familien der gleichen sozialen Schicht zu arbeiten. Doch dann entschied man sich bewußt anders und suchte Haushalte in allen Teilen der Bevölkerung. Damit ist die Gruppe repräsentativ für die ganze Stadt, meint Grace Stead:

    Wir haben auf der einen Seite Menschen, die in exklusiven Häusern in Wineberg, einem Vorort von Kapstadt leben. Dann haben wir Leute aus einem ärmeren Stadtteil, wo es kleinere Häuser gibt und dann haben wir 7 Familien aus Khayelitscha, wo die Leute in Wellblechhütten leben. Das heißt, in der Gruppe gibt es Menschen, die weder Strom noch Wasser haben und auf der anderen Seite gibt es das alles im Überfluss.

    Der Zugang zu Strom und Wasser wird in den ersten Workshops des Agenda Projektes dann auch das Hauptthema sein. Es wird darum gehen für die Armenviertel Versorgungsstrukturen zu verbessern und den oft sorglosen Umgang mit Abwasser zu diskutieren. Die Reichen der Stadt werden lernen müssen, daß ihr verschwenderischer Lebensstil alles andere als zukunftsfähig ist. Was in Kapstadt passiert, wird auch für die Agenda Aktivisten in Aachen spannend sein. Denn sie wollen noch einmal ein 21-Haushalte - Projekt starten und dann die Erfahrungen aus Südafrika mitverarbeiten. Für Astrid Ley ist schon jetzt klar, dass dabei einer vom anderen viel lernen kann:

    In den Townships ist es so, daß man da Stromzähler hat und man kauft sich dann Einheiten und man sieht wie man den Strom verbraucht. Und wenn der alle ist und man hat kein Geld, dann hat man eben auch kein Licht und keine Elektrizität. Diese Uhr habe ich irgendwie im Kopf, wenn ich jetzt zu Hause bin. Da achte ich schon stärker drauf , da lass nicht einfach das Licht brennen oder was auf Stand-by laufen, weil man noch im Kopf hat, was das für eine Bedeutung für andere Menschen hat.

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