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Von dicken und dünnen Zwillingen

Biologie. - Odense auf der Insel Fünen ist die Heimatstadt Christian Andersens. Der Dichter hatte eine Vorliebe für Märchen, bei denen oft menschliche Eigenarten im Vordergrund standen. Einen scharfen Blick auf persönliche Besonderheiten werfen auch die Forscher des Odenser Zwillingsregisters, das am vergangenen Wochenende den 50. Jahrestag seines Bestehens mit einer internationalen Tagung beging.

Von Michael Lange |
    Immer wenn im Staat Dänemark ein Zwillingspaar geboren wird, dann erfährt das auch das dänische Zwillingsregister. Die Gesundheitsdaten von mehr als 30.000 Zwillinge sind dort in Odense gespeichert. Die Zwillingsforscherin Kirsten Kyvik von der Universität von Süd-Dänemark in Odense nutzt diese Daten seit vielen Jahren für ihre Arbeit.

    Anfangs wissen die Zwillinge nicht, dass sie registriert werden. Irgendwann erhalten sie dann von uns einen Fragebogen. Dann können sie wählen, ob sie an den Forschungsprojekten teilnehmen wollen oder nicht.

    95 Prozent der meist im Jugendalter angeschriebenen Zwillinge machen mit. Auch wenn es um Genstudien geht, und die Zwillinge selbst entnommene Speichelproben einschicken sollen, lehnen nur wenige ab. Bisher ging es den Forschern oft darum, den genetischen Anteil eines Merkmals - zum Beispiel Übergewicht - zu errechnen. Das geschieht durch den Vergleich von eineiigen mit zweieiigen Zwillingen. Eineiige Zwillinge stammen aus der gleichen befruchteten Eizelle, also aus einem Embryo. Deshalb sind sie genetisch identisch. Zweieiige Zwillinge sind aus unterschiedlichen befruchteten Eizellen herangewachsen und sind genetisch nicht enger verwandt, als andere Geschwister.

    Wenn sich eineiige Zwillinge stärker ähneln als zweieiige Zwillinge, bezüglich irgendeines Merkmals, dann spricht das für eine genetische Ursache. Denn die Gene sind bei eineiigen Zwillingen gleich, nicht jedoch bei zweieiigen. Bei den Umweltfaktoren unterscheiden sich die beiden Gruppen nicht. Das ist ideal für die Genforschung.

    Ein dicker und ein dünner Zwilling, das gibt es bei eineiigen Zwillingen so gut wie gar nicht, öfter schon bei zweieiigen Zwillingen. Aus den Daten Tausender Zwillingspaare lässt sich dann ein Wert errechnen, der angibt, wie stark das Erbgut auf das Merkmal - zum Beispiel Übergewicht - Einfluss nimmt. Für Dorrett Boomsma von der Freien Universität Amsterdam ist das nach wie vor die verlässlichste Methode, um die Bedeutung der Gene zu bestimmen.

    Wenn ich sage: die Erblichkeit eines Merkmals - zum Beispiel Übergewicht - beträgt 60 Prozent; dann heißt das, dass die Gene dieses Merkmal sehr stark beeinflussen. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch von der Außenwelt beeinflusst wird. Bei jedem Menschen wirken beide Komponenten.

    Aber die Aussagekraft solcher Werte ist begrenzt. Viel spannender und folgenreicher sind neue Untersuchungen, bei denen das Erbgut selbst im Mittelpunkt steht.

    Es geht eben nicht darum, zu gucken: Ist Übergewicht erblich oder nicht? Das wissen wir ja lange. Die Frage ist: Welche Gene im Zusammenspiel mit welchen Umweltfaktoren sind hier die Risikofaktoren?

    Der Berliner Wissenschaftler Andreas Busjahn war der einzige deutsche Zwillingsforscher beim Treffen in Odense. Die von ihm gegründete Firma HealthTwiSt betreibt Zwillingsforschung, auch als Service für andere Wissenschaftler.

    Das Rekrutieren von Zwillingen geht in Deutschland nur durch Aufrufe über die Presse. Indem man seine Arbeit darstellt und dann Zwillinge bittet, an solchen Studien teilzunehmen. Wir haben anders als in Skandinavien eben keine Populationsregister.

    Durch Gen-Analyse bei dünnen und dicken zweieiigen Zwillingen konnten die Forscher in den letzten Jahren bereits eine ganze Reihe für Übergewicht verantwortliche Stellen im Erbgut finden. Welche wirklich wichtig sind, und wie sie das Gewicht beeinflussen, sollen zukünftige Studien klären. Dazu werden nun Zwillingsdaten aus verschiedenen Registern vereinigt. Jakko Kaprio von der Universität Helsinki:

    Wir bringen die Zwillingsforschung jetzt auf eine europäische Ebene. Wir können dann größere Datenmengen zusammenführen und die Methoden in den einzelnen Ländern besser aufeinander abstimmen.

    Die Deutschen sind zunächst nicht am EU-Projekt GenomeEUtwin beteiligt, denn es fehlt bislang ein bundesweites Zwillingsregister.