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Von Drachen, Feen und Termiten

Biologie.- Um die kreisrunden Stellen am Rande der Wüste Südwestafrikas ranken sich Entstehungsmythen. Eine davon: Feuerspeiende Drachen haben sie hineingebrannt. Ein Biologe der Uni Hamburg hat nun eine wissenschaftlich fundierte Theorie zu den sogenannten Feenkreisen aufgestellt.

Von Tomma Schröder |
    Die Erde hat Pocken bekommen. So sieht es aus, wenn Norbert Jürgens vor seinem Computer sitzt und in Satellitenbilder Südwestafrikas hineinzoomt.

    "Ja, ich zeige Ihnen mal so eine Landschaft. Wo war ich denn gerade mit den Studenten? Da, wo ganz viele Kleckse sind: Wenn Sie dann da reinfahren, gehen Ihnen die Augen auf, weil irgendwann wird die Landschaft fleckig. Dann sehen Sie Feenkreise mit den erstaunlichsten Mustern."

    Die Pocken heißen in Wirklichkeit also Feenkreise und sind kleine kahle Flächen, die von einem meist kreisförmigen dichten Grasgürtel umgeben sind. Wie ein dünnes Band reihen sie sich aneinander - von Angola durch ganz Namibia bis nach Südafrika. Auch in extrem trockenen Zeiten, wenn der Boden um die Feenkreise herum völlig kahl ist, bleibt der Grasgürtel sichtbar. Und Norbert Jürgens weiß, warum. Über fünf Jahre hat er die Feuchtigkeit unter diesen Kreisen gemessen und bereits in 60 Zentimeter Tiefe ungewöhnlich viel Wasser für diese Gegenden gefunden.

    "Das ist etwas ganz Besonderes, eine Art Oase in der Wüste. Aber die Frage war völlig offen, wie entsteht sie denn?"
    Für den Biologen der Universität Hamburg war relativ schnell klar, dass die Feenkreise durch irgendwelche Organismen hervorgerufen werden. Denn ihr Vorkommen ist auf ein sehr genau definiertes ökologisches Gebiet beschränkt: tiefgründige Sandböden, die in Gebieten mit einer jährlichen Niederschlagsmenge von 100 Litern Regen pro Quadratmeter liegen. Tag und Nacht hat der Biologe mit seinen Studenten und Mitarbeitern daher die Feenkreise beobachtet, hat den Sand vorsichtig mit Laubbläsern abgetragen und untersucht, welche Organismen für die Entstehung der mysteriösen Kreise verantwortlich sein könnten.

    "Zum Schluss konnte ich aus dieser langen potenziellen Kandidatenliste viele ausscheiden, weil sie nur in Angola oder nur in Südafrika vorkamen. Und zu guter Letzt blieb richtig auffällig und konstant die Sandtermite übrig. Die Sandtermite, die ein häufiger Organismus ist, gleichzeitig aber auch ein sehr heimlicher, der nicht gut zu erkennen ist."

    Die Sandtermite, so folgerte Norbert Jürgens anhand seiner Beobachtungen, gründet Kolonien und frisst dort die Wurzeln der Gräser auf, so dass eine kahle Stelle entsteht. Durch diese kleine Manipulation sorgen die winzigen Tierchen dafür, dass bei einem späteren Niederschlag eine große Menge Wasser an dieser Stelle versickern kann, weil es keine Pflanzen mehr gibt, die das Wasser aufnehmen. Die Stelle bleibt dadurch zwar kahl. Wenn aber rundherum später die ganze Feuchtigkeit der seltenen Regenfälle durch Pflanzen und Tiere verbraucht wurde oder verdampft ist, bleibt der Grasgürtel um die Feenkreise noch erhalten. Denn dieses Gras profitiert dann von den Wasserreserven unter den kleinen Oasen. Und viele Tiere profitieren wiederum von dem noch frischen Gras.

    "Und insofern sind Feenkreise in der Wüste nicht nur eine Oase, sondern auch eine Arche Noah, wenn es richtig trocken wird. Und ich könnte Ihnen zeigen, dass die biologische Artenvielfalt um eine oder zwei Größenordnungen steigt, wenn Feenkreise vorhanden sind."

    Gerade weil die Feenkreise ein optisch wie ökologisch einmaliges Phänomen sind, hat die Hamburger Studie im Fachmagazin "Science" viel Aufmerksamkeit erfahren. Kritiker wie der amerikanische Biologe Walter Tschinkel werfen Jürgens vor, seine Ergebnisse basierten auf einer reinen Zählung von Lebewesen, die nichts beweise. Tschinkel hält dagegen seine eigene Theorie für am wahrscheinlichsten, wonach die Pflanzen sich in den trockenen Böden selbst zu den Feenkreisen gruppieren.

    Norbert Jürgens weist solche Kritik zurück. Neben Beobachtungen zur Aktivität der Sandtermiten, die sich sehr genau mit der Struktur der Feenkreise deckt, und dem stetigen Nachweis von Sandtermiten in entstehenden Feenkreisen, hat er noch weitere Hinweise und zeigt einmal mehr auf seinen Bildschirm:

    "Sehen Sie, dieser eine Feenkreis hat eine dunkle Fläche in der Mitte. Das ist ein sterbender Feenkreis. Und der Tod dieses Feenkreises ist ausgelöst worden durch Ameisen, die dort, wo sie hier den dunkeln Fleck sehen, sich angesiedelt haben: Tetramorium Ameisen, dieses sind fleischfressende Ameisen, die sich von Termiten ernähren. Und im Umkreis ihres Nestes haben sich die Sandtermiten zurückgezogen, weshalb dann dort wieder Gräser keimen konnten."

    Ohne Sandtermite kein Wegfressen der Pflanzen und daher keine Feenkreise, lautet die Schlussfolgerung des Hamburger Biologen. Für ihn ist zumindest das Rätsel um die Entstehung der kleinen Oasen damit gelöst.