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Von Dresden nach Alberta und zurück

In den Geisteswissenschaften ist der Austausch mit ausländischen Studierenden oder auch ein richtiges Studium im Ausland etwas ganz normales. In der Medizin ist das nicht unbedingt der Fall, besonders nicht in der Zahnmedizin. In Dresden gibt es jetzt einen Austausch mit kanadischen Zahnmedizin-Studenten. Im letzten Jahr fuhren erst einmal fünf Studierende nach Edmonton in der Provinz Alberta. Jetzt sind die ersten kanadischen Studierenden in Sachsen und begleiten für drei Wochen die Ausbildung an der Medizinischen Fakultät.

27.05.2002
    Der Austausch zwischen kanadischen und deutschen Zahnmedizin-Studenten begann eher zufällig mit einem attraktiven Angebot auf einer Fortbildungskonferenz. Dresdner Studierende sollten in Alberta Patienten behandeln. Auf kanadischer Seite war die Nachfrage nach einem Austausch so groß, dass nicht alle, die wollten, auch teilnehmen konnten. Zehn Studierende der Klasse aus Edmonton erhielten den Zuschlag. Was allerdings die Patientenbehandlung betrifft, wurden sowohl die deutschen als auch die kanadischen Studenten ins kalte Wasser geworfen, sagt Ron Ducharme:

    Unsere Vorbereitung war ziemlich kurz, weil wir gerade Prüfungen hatten und außerdem Patienten behandelt haben. Die mussten erst versorgt werden. Aber die Details kannten wir natürlich nicht. Wir wussten nicht genau, was auf uns zu kommt, das ist alles neu für uns.

    Umgekehrt war auch für die deutschen Studierenden vieles überraschend. Die Dresdner Studentin Romy Lux gehörte zu der Testgruppe, die im letzten Jahr erst einmal zwei Wochen lang Erfahrungen sammeln sollten. Sie ist beeindruckt, dass kanadische Studenten besonders viel am Patienten ausprobieren dürfen.

    Die haben an ihrer Schule eine spezielle chirurgische Abteilung nur für die Studenten, wo jeder Student unter Anleitung selbständig behandeln darf. Bei uns ist das ja nicht gang und gäbe. Wenn wir mal irgendwo mitmachen dürfen, ist das schon eine große Ehre. Da sind wir wirklich sehr hinterher.

    Auch wenn die Ziele eines Zahnarztes überall ähnlich sind, die Methoden sind es nicht. Schon gar nicht in den unterversorgten Gebieten im dünn besiedelten Nordkanada. Und genau dort wurden die deutschen Studenten nach einer Eingewöhnungsphase ausgesetzt, sagt Romy Lux:

    Das sind wirklich Randgruppenbevölkerungen, weil die Unterstützung vom Staat, sprich das Krankenkassensystem, nicht so da ist. Es sind Indianer, Eskimos teilweise. Das ist sehr weit im Norden, wir mussten da mit dem Flugzeug hinfliegen. Das sind Notversorgungen, katastrophale oral-hygienische Verhältnisse. Das ist wirklich noch mal ein ganz negativer Schritt von Edmonton weg.

    In Deutschland können die Studenten dagegen mehr komplizierte Fälle behandeln. Hier machen sich vor allem die unterschiedlichen Rahmenbedingungen im Gesundheitssystem bemerkbar. Die angehenden Ärzte spüren zum ersten Mal deren direkte Auswirkungen, sagt Ron Ducharme. Außerdem betont er den kulturellen Aspekt des neuen Austausches:

    Es gibt einige Unterschiede, auch weil vieles in Deutschland vom Staat bezahlt wird. Gerade die Prothetik ist unterschiedlich, z.B. bei Teleskop-Kronen oder Prothesen. Das werden wir mitnehmen nach Kanada. Aber es ist nicht nur das Zahnmedizinstudium, auch wenn es der wichtigste Grund ist, dass wir hier sind. Einfach in ein neues Land zu kommen und die Kultur zu sehen, das würde ich jedem meiner Mitstudenten zu Hause empfehlen. Das ist eine sehr gute Erfahrung.

    Das sehen aber nicht alle Studenten so. Anders als auf kanadischer war es auf deutscher Seite zunächst ein Problem, genügend Studenten zu finden, die diese Erfahrung auch machen wollten. Die Angst vor der anderen Sprache war dabei nur ein Grund für die Skepsis, erklärt Klaus Böning, der Organisator des Austausches, :

    Es gab Studenten, die dachten, es könnte sie irgendwie in ihrem Ausbildungsweg behindern. Diese Angst versuchen wir den Studenten zu nehmen. Die Leistungen, die dort erbracht werden, werden bei uns als Kursleistungen angerechnet. Soweit ich es erfahren habe, hatten die Studenten dort eine sehr positive Zeit, sie haben viel selber praktisch arbeiten können, so dass die zweite Gruppe eigentlich auch schon mit sehr viel positiven Erwartungen rangeht, die übrigens auch länger bleiben wird.

    Für die Zukunft sollen pro Jahr zwölf deutsche Studenten nach Edmonton fahren und im Gegenzug zehn kanadische in Dresden praktizieren. Außerdem könnte der Austausch mit Fortbildungskursen auch auf die Hochschullehrer ausgedehnt werden, sagt Organisator Klaus Böning. Und so kann es Patienten der Dresdner Zahnklinik auch im nächsten Frühjahr passieren, dass sie plötzlich im "canadian slang" angesprochen werden.