Vor dem letzten Tante-Emma-Laden damals stand oft der Inhaber. Das konnte er, weil nicht soviel los war im Laden. Es war dann immer eine Kunst, sich an ihm vorbeizuschmuggeln, die pralle Tüte vom Supermarkt hinter dem Rücken, und doch traf den Treulosen unweigerlich der strafende Blick aus seiner bitteren Miene: Wo warst du, Verräter?
Das kleine Geschäft , heute ist ein Antiquitätenhändler drin, war genauso eines, wie es Frau Albrecht, die Mutter der Albrecht-Brüder in Essen-Schonnebeck betrieben hatte, in den 40er-Jahren, als kein Mensch auf die Idee gekommen wäre, dass gerade Lebensmittel den geringsten Anteil am Haushaltsgeld ausmachen könnten. Aus diesem Laden also machten die Söhne Karl und Theo bis 1950 ein Unternehmen mit 13 Filialen, dann das Ruhrgebiet mit ihren Märkten überzogen, bevor sie schließlich, Anfang der 60er-Jahre den Aldi-Urknall zündeten: Albrecht-Discount. Das Wort Discount kannten die Deutschen noch nicht so gut, die Idee überzeugte sie umso mehr: kein Marketing-Klimbim, keine freundlichen Verpackungen, keine überflüssigen Dienstleistungen, nur die nackte Ware im Karton, erinnernd an die gerechte Verteilung von Hilfsgütern, entkleidet aller teuren Verführungskünste, daher konkurrenzlos billig. In ein Land, das auch Vorgärten und Fußgängerzonen primär nach praktischen Kriterien gestaltete, passte das gut.
Aus dieser Zeit datiert die friedliche Trennung in zwei Imperien, Aldi Süd für Karl, den älteren, Aldi Nord für Theo, den jetzt verstorbenen 88-jährigen Mitgründer, den immer etwas Bescheideneren, weniger Innovativen, weniger- wenn auch unerheblich - Vermögenden.
Die Trennung geht längst nicht mehr nur durch Deutschland, sondern durch die halbe Welt, in die Aldi expandierte; aber vor allem, dass das Wort "Aldi-Äquator" so ziemlich jedem etwas sagt - zum Beispiel über die Auswahl an Bordeauxweinen -, ist Beweis für das Kultphänomen Aldi. Es gab einmal den Witz vom Audifahrer, der quietschend am Bordstein hält und dem Türken zuruft: "Ey, geht dat hier nach Aldi?", und der Türke sagt erst mal "Zu Aldi!" Das war die Zeit, als Aldi noch den Proletariern und Einwanderern gehörte, seither hat die unaufhörliche Spar-Propaganda, die eigentlich die Propaganda hemmungslosen Konsums ist, alle erfasst, auch die Besserverdienenden, denen als Distinktionsmerkmal genügt, einen Dialog aus Prada-Handtasche und einer Aldi-Tüte mit Shrimps und warentestgeprüftem Olivenöl zu 2,99 mit sich zu führen. In den 90er-Jahren wurden Gastmähler mit Rezepten aus dem Kochbuch Aldidente Mode, das Unternehmen ging, was die Gaumenfreuden betraf, mit der Zeit, bei weiter bewährten Preisen. Ein Grand Cru Bourgeois von Aldi, wenn er nur annehmbar schmeckte, wurde zum gepriesenen Geschmackserlebnis - bei dem Preis. Wohl wusste man, dass harte Methoden des Konzerns bei der Preisgestaltung, insbesondere was die Lieferanten betrifft, eine große Rolle spielten, aber Aldi erboste selten die Gewerkschaften, konnte die Rolle des Bösewichts fast immer der Konkurrenz lassen und den Aldi-Consumern ihre fröhliche Schizophrenie.
Von Theo Albrecht wie von seinem Bruder vermochte nie jemand recht zu sagen, ob er das ihm nachgesagte eiserne Sparethos selbst lebte, er insbesondere, der 1971 über zwei Wochen lang in den Händen von Entführern war, hat sich der Öffentlichkeit immer komplett verweigert. Wo immer solche Zurückhaltung herrührt: Sie lässt den, der sie übt, sympathisch erscheinen in Zeiten, in denen die Klatschspalten von einst sich zu einer Klatschindustrie aufgebaut haben.
Sicher ist, dass Karl Albrecht sein Lebenswerk als das sah, was es auch war: einen Beitrag zum Massenwohlstand. Im Chat von Spiegel online sah es heute Morgen ein Leser ganz ähnlich, er schrieb: "Gäbe es Aldi und seine Nachahmer nicht, käme die Bundesregierung wohl kaum um eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze umhin. Möge Theo Albrecht in Frieden ruhen."
Das kleine Geschäft , heute ist ein Antiquitätenhändler drin, war genauso eines, wie es Frau Albrecht, die Mutter der Albrecht-Brüder in Essen-Schonnebeck betrieben hatte, in den 40er-Jahren, als kein Mensch auf die Idee gekommen wäre, dass gerade Lebensmittel den geringsten Anteil am Haushaltsgeld ausmachen könnten. Aus diesem Laden also machten die Söhne Karl und Theo bis 1950 ein Unternehmen mit 13 Filialen, dann das Ruhrgebiet mit ihren Märkten überzogen, bevor sie schließlich, Anfang der 60er-Jahre den Aldi-Urknall zündeten: Albrecht-Discount. Das Wort Discount kannten die Deutschen noch nicht so gut, die Idee überzeugte sie umso mehr: kein Marketing-Klimbim, keine freundlichen Verpackungen, keine überflüssigen Dienstleistungen, nur die nackte Ware im Karton, erinnernd an die gerechte Verteilung von Hilfsgütern, entkleidet aller teuren Verführungskünste, daher konkurrenzlos billig. In ein Land, das auch Vorgärten und Fußgängerzonen primär nach praktischen Kriterien gestaltete, passte das gut.
Aus dieser Zeit datiert die friedliche Trennung in zwei Imperien, Aldi Süd für Karl, den älteren, Aldi Nord für Theo, den jetzt verstorbenen 88-jährigen Mitgründer, den immer etwas Bescheideneren, weniger Innovativen, weniger- wenn auch unerheblich - Vermögenden.
Die Trennung geht längst nicht mehr nur durch Deutschland, sondern durch die halbe Welt, in die Aldi expandierte; aber vor allem, dass das Wort "Aldi-Äquator" so ziemlich jedem etwas sagt - zum Beispiel über die Auswahl an Bordeauxweinen -, ist Beweis für das Kultphänomen Aldi. Es gab einmal den Witz vom Audifahrer, der quietschend am Bordstein hält und dem Türken zuruft: "Ey, geht dat hier nach Aldi?", und der Türke sagt erst mal "Zu Aldi!" Das war die Zeit, als Aldi noch den Proletariern und Einwanderern gehörte, seither hat die unaufhörliche Spar-Propaganda, die eigentlich die Propaganda hemmungslosen Konsums ist, alle erfasst, auch die Besserverdienenden, denen als Distinktionsmerkmal genügt, einen Dialog aus Prada-Handtasche und einer Aldi-Tüte mit Shrimps und warentestgeprüftem Olivenöl zu 2,99 mit sich zu führen. In den 90er-Jahren wurden Gastmähler mit Rezepten aus dem Kochbuch Aldidente Mode, das Unternehmen ging, was die Gaumenfreuden betraf, mit der Zeit, bei weiter bewährten Preisen. Ein Grand Cru Bourgeois von Aldi, wenn er nur annehmbar schmeckte, wurde zum gepriesenen Geschmackserlebnis - bei dem Preis. Wohl wusste man, dass harte Methoden des Konzerns bei der Preisgestaltung, insbesondere was die Lieferanten betrifft, eine große Rolle spielten, aber Aldi erboste selten die Gewerkschaften, konnte die Rolle des Bösewichts fast immer der Konkurrenz lassen und den Aldi-Consumern ihre fröhliche Schizophrenie.
Von Theo Albrecht wie von seinem Bruder vermochte nie jemand recht zu sagen, ob er das ihm nachgesagte eiserne Sparethos selbst lebte, er insbesondere, der 1971 über zwei Wochen lang in den Händen von Entführern war, hat sich der Öffentlichkeit immer komplett verweigert. Wo immer solche Zurückhaltung herrührt: Sie lässt den, der sie übt, sympathisch erscheinen in Zeiten, in denen die Klatschspalten von einst sich zu einer Klatschindustrie aufgebaut haben.
Sicher ist, dass Karl Albrecht sein Lebenswerk als das sah, was es auch war: einen Beitrag zum Massenwohlstand. Im Chat von Spiegel online sah es heute Morgen ein Leser ganz ähnlich, er schrieb: "Gäbe es Aldi und seine Nachahmer nicht, käme die Bundesregierung wohl kaum um eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze umhin. Möge Theo Albrecht in Frieden ruhen."