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Von Facebook bis Twitter

Alle Parteien setzen im Internet auf Wählermobilisierung. Von Twitter bis Youtube, von Facebook bis Myspace - beliebt sind alle möglichen Kommunikationswege im Netz.

Von Michael Meyer | 16.09.2009
    Collage

    Merkel: "”Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, jetzt geht es los, Millionen haben auf diesen Augenblick gewartet, nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt.""

    Beckedahl: "Wer das Internet im Jahr 2009 links liegen lässt, lässt auch sämtliche Chance liegen, junge Menschen zu erreichen."

    Eumann: "Für das Wahljahr2009 gilt mit Sicherheit: Man wird die Wahl im Internet nicht gewinnen, aber man kann sie im Internet verlieren."

    Der Bundestags-Wahlkampf 2009 wird in die Geschichte eingehen. Als erster Wahlkampf, in dem die Parteien auf breiter Linie das Internet als "Überzeugungs-Instrument" genutzt haben. Von Twitter bis Youtube, von Facebook bis MySpace – sie bespielen alle sich bietenden Kommunikationswege, allerdings in unterschiedlicher Intensität. Grob vereinfacht lässt sich sagen: Am aktivsten im Netz sind die Grünen und die FDP, dicht gefolgt von der SPD, etwas weniger stark sind CDU und die Linke vertreten.

    Interessant für die Parteien ist, dass, je nach Wählerschaft die Internetaffinität sehr unterschiedlich ist. Während bei der FDP über 40 Prozent ihrer Anhänger sagen, sie seien häufige und fleißige Nutzer, sind es bei der SPD nur 27 Prozent – die anderen Parteien liegen irgendwo dazwischen.

    Kein Wunder also, dass FDP und Grüne zu den engagiertesten Internetwahlkämpfern gehören, etwa wenn die FDP im Internet auf Ihrer Plattform "Mitmacharena" zum Diskutieren aufruft, oder die Grünen auf ihrer Website ihre Wähler auffordert, ein eigenes Thema zu setzen: "Meine Kampagne" heißt das dann. Aber auch bei der CDU versucht man, über die Seite "TeamCDU" treue Wähler zum Mithelfen im Wahlkampf zu bewegen.

    Markus Beckedahl, Netzaktivist mit eigenem Blog und ein profunder Kenner der Netzaktivitäten der Parteien meint, dass es kein Wunder sei, dass die einen mehr als die anderen ins Internet investierten, denn:

    "Natürlich haben all die Parteien ihre eigenen sozialen Netzwerke, in denen sie Mitglieder und Helfer vernetzen, aber die SPD scheint mehr finanzielle und menschliche Ressourcen in den Online-Wahlkampf reinzustecken – bei der CDU wird das immer noch so ein bisschen nebenbei gemacht, das lässt sich wahrscheinlich auch damit erklären, dass um die tatsächlichen Kernzielgruppen anzusprechen es sinnvoller ist, ins Bierzelt oder ins Fernsehen zu gehen."

    Und Beckedahl fügt hinzu: Bislang habe ihn noch keine der Online-Aktivitäten der Parteien wirklich begeistert. Was unter anderem auch an der kaum euphorisierenden Wirkung der beiden Kanzlerkandidaten liege. Ähnlich sieht das der Dortmunder Kommunikationswissenschaftler Gerhard Vowe. Er vermisst neue, verbindende Elemente. Sein Vorwurf: Noch immer werde Wahlkampf "von oben nach unten" gemacht:

    "Ich sehe nicht die geringsten Hinweise darauf, dass wir weder von den Potenzialen der Kandidaten her, noch von der Stimmung her, dass wir da in irgendeiner Weise eine Bewegung erzeugen könnten, die dann in die Wahl mündet, wo also Online-Medien das transportieren, was als Netzwerkkultur da wäre. Es gibt nicht die geringsten Hinweise dazu."

    Doch egal, wie stark die Parteien sich im Internet auch engagieren – mit den Etats amerikanischer Wahlkämpfe oder dem 90-köpfigen Online-Team eines Barack Obama im letzten Präsidentschaftswahlkampf, können deutsche Parteien nicht mithalten. Selbst bei den Volksparteien CDU und SPD sind es gerade einmal ein halbes Dutzend Mitarbeiter, die die Online-Aktivitäten betreuen.

    Das mag mancher beklagen. Hierzulande stellt sich aber die Frage, wie viel Aktivität im Netz überhaupt sinnvoll ist. Denn noch immer informieren sich die meisten Bürger via Tageszeitung oder öffentlich-rechtlichem Fernsehen und Hörfunk über Politik. Aber: Fast zwei Drittel der unter 30 Jährigen sagen, dass das Netz ihre bevorzugte Quelle für politische Informationen sei. Jüngere Wähler erreicht man also eindeutig besser und gezielter online. Netzkenner Markus Beckedahl:

    "Mit anderen Worten: Man muss Angebote schaffen, um an die sozialen Orte zu kommen, wo sich junge Menschen aufhalten und, die sind im Netz zu finden, und hier versucht man über die ganzen sozialen Orte, soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook, Weblogs umzugehen und dafür die passenden Angebote zu schaffen."

    Bei der SPD, jener Partei, die angeblich die am wenigsten Internet-affinen Wähler hat, bemühe man sich in der Tat, mithilfe der neuen Medien mehr und vor allem neue Wählerschichten zu erreichen, erklärt der SPD-Online-Wahlkampfchef und Bundesgeschäftsführer der Sozialdemokraten Kajo Wasserhövel – allerdings, so schiebt er gleich hinterher:

    "Die Zeiten, wo sich im Internet alleine nur die Jungen tummeln, sind lange vorbei. Das Internet ist weiblicher und älter geworden und wir versuchen möglichst viele Räume zu schaffen, wo wir informieren, über unser Programm, über unser Regierungsprogramm "Sozial und demokratisch" und über die Kandidaten und Kandidatinnen einladen zum mitmachen möglichst viele Stellen zu haben, wo angestupst wird, wo auf die Themen hingewiesen wird, auf die Unterschiede hingewiesen wird und für den Kandidaten geworben wird."

    Und das eben mittels der sozialen Netzwerke wie Facebook, StudiVZ oder auch per Videobotschaften bei "Youtube" – dort haben sowohl die SPD, als auch die CDU ihren eigenen Kanal. Und es ist noch nicht lange her, da stellte sich Frank-Walter Steinmeier beim Portal "MySpace" den Fragen der Nutzer.

    Dennoch: Der Kommunikationswissenschaftler Jan-Hinrik Schmidt vom Hamburger Hans-Bredow-Institut meint, dass trotz solcher Fragestunden oder anderer "Kontaktaufnahme" mit dem Wähler die Aktivitäten der Parteien hierzulande noch immer von einer gewissen Unsicherheit geprägt seien. Unsicherheit insofern, als dass die verschiedenen Informationskanäle wie der Kurznachrichtendienst Twitter oder die Plattform Facebook oft nicht richtig genutzt würden:

    "Was glaube ich noch nicht so ganz verankert ist in den Köpfen der einzelnen Kandidaten und der Wahlkampfzentralen ist, dass gerade diese neueren Entwicklungen im Internet sehr viel Dialogorientierung beinhalten. Also aus Sicht der Nutzer herrscht dort die Erwartung an authentischer Kommunikation, auch an Kritikbereitschaft und eben den dialogischen Austausch – das ist meiner Einschätzung nach noch nicht bei allen Parteien so angekommen, oft wird die Webpräsenz auf YouTube oder bei Twitter als zusätzlicher Ausspielungskanal verstanden, also einfach ein weiterer Weg, Pressemitteilungen zu versenden. Das trifft nicht so ganz die Erwartungen der jugendlichen Nutzer."

    Twitter ist ein direkter, unmittelbarer Weg zu den Wählern – auch wenn die Kurzmeldungen via Twitter maximal nur 140 Zeichen enthalten dürfen. Trotzdem kommunizieren seit etwa drei Jahren immer mehr Menschen über dieses Medium und bei den Protesten im Iran im Frühsommer hat Twitter eine bedeutende Rolle gespielt. Aber: Iran ist nicht Deutschland, von daher müsse man genau hinschauen, wie man den Dienst nutze, sagt SPD-Online-Wahlkampfleiter Kajo Wasserhövel.

    "Ich glaube, dass das Ganze nur dann stark ist, wenn die Kombination stimmt, und wenn sich das Ganze wechselseitig verzahnt. Beim Twittern ist es so, dass wir einen offiziellen SPD-Twitter-Account haben, wo dann aktuelle Informationen immer geliefert werden aus dem Willy-Brandt-Haus, dann gibt es viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die auch twittern, …, ich twittere auch, ich habe glaube ich 1700 Leute, die meinen Twitter-Account verfolgen, der Ralf Stegner ist sehr aktiv, einige andere auch, nicht jeder muss alles machen. Mir ist schon wichtig, dass diejenigen, die sich in die Netze reinbegeben und bestimmte Formate ansprechen, das auch selber machen."

    Die Plattform Twitter ist allerdings nicht jedermanns Sache: Bislang twittern nur wenige deutsche Politiker, es sind geschätzte 350 – bundesweit! – vom kleinen Kreistagsabgeordneten bis hin zu bekannteren Namen. Allerdings twittern viele nicht selbst, sondern lassen twittern – über ihr Büro beispielsweise.

    Und bei aller Internet-Euphorie – berechtigt oder unberechtigt, gerade Twittern birgt auch Risiken, etwa wegen gefälschter Twitter-Konten. So loggten sich vor einigen Monaten Hacker in den Twitter-Account der CDU ein. Sie jubelten der Partei eine politische Wende unter: Atomausstieg, Mindestlohn und Vermögenssteuer seien plötzlich Ziele der Union, hieß es da. Das ist starker Tobak - doch mit den falschen Konten müsse man eben leben, erklärt Stefan Hennewig, Online-Wahlkampfleiter der CDU. Er empfehle daher allen Nutzern, bei Twitter oder Facebook genau hinzuschauen:

    "Um zu eruieren, um das ein echter Tweed oder Account ist oder ein falscher – es gab ja schon ein paar Berichteüber, Herr Müntefering twittert, wo eben nicht erkannt wurde, dass das ein Fake-Tweed ist. Und auch bei den Angela Merkel Profilen ist das schon passiert, wobei ich es da relativ offensichtlich finde. Wir haben das im Blick, aber das ist ein Hase und Igel- Spiel oder wie Sisyphusarbeit, das können Sie einfach nicht abstellen. Sofern das nicht strafrechtlich relevant ist, gehen wir auch nicht dagegen vor. Wir lassen uns auch nicht alles gefallen, aber wir sind da relativ schmerzresistent an der Stelle – das muss man auch sein, sonst bringt das nichts."

    Twitter birgt aber noch weitere Fallstricke, selbst dann, wenn Politiker selbst den Dienst nutzen, denn ebenso wie beim Gespräch unter Freunden oder Kollegen, müssen sie sich auch hier genau überlegen, was sie twittern und was nicht. Die Wahl des Bundespräsidenten wurde von einer CDU-Abgeordneten vorschnell über Twitter mitgeteilt.

    Bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und dem Saarland wurden erste Ergebnisse, die sogenannten "Exit-Polls" schon vor der Schließung der Wahllokale versendet, und zwar über das Konto eines CDU-Abgeordneten, der das erst später bemerkte und daraufhin seinen Twitter-Account kurzerhand schloss.

    Wie sehr die Meinungen über Twitter und seine Wirkungsmacht auseinandergehen, beweisen die Aussagen zweier Internet- und Politprofis. Zum einen die des Wahlkampfleiters der Grünen, Robert Heinrich. Er schätzt das Medium Twitter als idealen Rückkanal zu den Wählern:

    "Bei Twitter habe ich den Eindruck, das sind intelligente Leute, das sind interessierte Leute, die auch intelligentes Feedback geben, nicht immer freundlich, aber meistens mit Substanz. Kann Ihnen ein konkretes Beispiel geben: An dem Tag, wo Moorburg entschieden wurde in Hamburg, da haben wir am Tag vorher schon getwittert, und haben genau das gleiche Feedback bekommen, was am Tag danach in der Zeitung stand. Das heißt: Da war sozusagen das Feedback schon relativ repräsentativ, und wir hatten einen Eindruck, wie das jetzt ankommt, das war nicht unbedingt angenehm für uns, aber es war authentisch und es war wichtig."

    Der etwas ältere, 43 Jahre alte SPD-Medienpolitiker Marc Jan Eumann, selbst internetaffin und keineswegs ein Feind neuer Medien - ist beim Thema Twitter nicht ganz so optimistisch:

    "Wenn wir uns selbst jetzt darauf einlassen, unsere politische Botschaft auf 140 Zeichen zu reduzieren, dann mag das vielleicht smart sein, aber es hat mit einem politischen Diskurs, für den die Volkspartei SPD steht, nichts zu tun. Wir sollten nie den Anspruch aufgeben, dass man bestimmte politische Prozesse auch nicht in 120 oder 140 Zeichen erklären kann. Also: Wir brauchen eine moderne Vermittlung von guten Inhalten, aber wir brauchen nicht den Anspruch, die ganze Welt auf SMS zu erklären."

    Die Wochenzeitung "DIE ZEIT" ging noch einen Schritt weiter und bezeichnete Twitter als "Klowand des Internets". Inzwischen haben manche Politiker das twittern auch wieder aufgegeben oder zumindest eingeschränkt und schreiben, wenn überhaupt, nur sehr sporadisch Mitteilungen, wie etwa der SPD-Generalsekretär Hubertus Heil.

    Denn in der Tat stoßen die verschiedenen Online-Kanäle wie Youtube, Facebook oder Twitter an ihre Grenzen, sobald es um die Vermittlung komplexer Inhalte geht. Lieber schreiben Politiker über scheinbar Privates, um ihr Image zu pflegen – es menschelt häufig bei Twitter oder Facebook.

    Ein Beispiel: Auch der Spitzenkandidat der Grünen, Jürgen Trittin, ist mit einem eigenen Profil bei Facebook vertreten, ohne aber allzu viel über sich und sein Privatleben preiszugeben. Anders, als bei "Otto-Normalbürger", der oft sein halbes Leben bei Facebook skizziert, erfährt man über Jürgen Trittin lediglich, dass er am 25. Juli 1954 geboren wurde und in einer Beziehung lebt. Dennoch vermischen Trittin und seine Wahlkampfstrategen fleißig Privates und Politisches in ihren Facebook-Einträgen. Trittin postet mehrmals pro Tag, was er gerade so macht. An einem Tag im Juni erfuhren Facebook-Nutzer beispielsweise:

    Zitat: "Jürgen Trittin ist gerade von einem Baum gestoppt worden, der auf der Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Harburg den IC stoppte. Dank Taxi in Bardowick bin ich jetzt aber mit zwei Stunden Verspätung doch im Zug nach Cuxhaven um morgen eine Eon-Windturbine zu besichtigen."

    Einige Wochen später war dann zu erfahren:

    "Jürgen Trittin kommt gerade vom Wochenmarkt am Kollwitzplatz zurück und versucht die Sonnenminuten zu nutzen. War eine nette Party gestern im Einstein."

    Doch egal, wie privat oder politisch die Einträge auch sind: Der Online-Wahlkampfleiter der FDP, Thomas Scheffler, meint: Zwar dürfe man Handwerkszeuge wie Twitter oder Facebook in ihren inhaltlichen Möglichkeiten nicht überbewerten, die Wirkung auf die politische Landschaft insgesamt sei jedoch enorm:

    "Ich finde, das sich Parteien extrem öffnen, dass sich das ganze politische System extrem öffnet, das ist sicherlich dringend notwendig gewesen, das sind Online und Internet ein wichtiger Impulsgeber gewesen, man geht auf die Leute wieder zu, ob dann einer jetzt twittert, dass er gerade eine Bratwurst gegessen hat – wenn man erwartet, dass die Leute das twittern, was sie gerade tun, und wenn man Twitter so nutzt …

    Also ich glaube, das ist eine sehr große Gratwanderung, die man da als twitternder Politiker machen muss, dass man da den Anforderungen der Gemeinde, die das beobachtet, und dem kritisch gegenüberstehen, dass man dem gerecht wird."

    Doch erreichen Twitter, Facebook und Youtube wirklich die Wähler, vor allem die Jungwähler, um die es bei diesen Aktivitäten primär gehen soll?

    "Lass uns das mal vergleichen, um einen Bezug zu finden mit der Bundesrepublik. Wenn wir Bundestagswahlen haben, was wählen die Bürger denn dann?"

    Das Lessing-Gymnasium im Berliner Stadtteil Wedding. Im Leistungskurs Sozialkunde sind gerade die Landtagswahlen Thema. Donja und Gamse sind 17 und 18 Jahre alt. Sie sind, gemessen an ihrem Alter, politisch bestens informiert und beziehen ihre Informationen aus vielerlei Quellen - nicht nur aus dem Internet. Beide haben zwar schon einmal ein Video einer Partei im Internet gesehen oder sind auf das Profil eines Politikers gegangen. Die Begeisterung über die Aktivitäten der Parteien hält sich bei beiden jedoch in Grenzen:

    "Ich sehe da die positiven und die negativen Seiten. Einerseits ist das Internet das, womit man den größten Teil der Jugendlichen erreichen kann, jeder hat Internet oder ist bei einigen Verzeichnissen eingetragen, deswegen finde ich schon gut, dass da der Schritt gemacht wird, Jugendlichen Politik näher zu bringen und wenn es halt übers Internet ist. Andererseits besteht ein bisschen die Gefahr, dass Politik nicht mehr so ernst genommen wird, dass es nur sehr oberflächlich passiert.

    Also ich finde Profile wie bei StudiVZ ein bisschen manipulativ, …, weil das politische Bewusstsein dadurch zu beeinflussen, dass man auf Seiten geht, die nur für Jugendliche gedacht sind, das kommt ein bisschen gestellt rüber, finde ich. Ich denke nicht, dass Angela Merkel da wöchentlich reinguckt, um zu gucken: Wer hat mir denn da jetzt geschrieben? Also ich denke, das ist Mittel zum Zweck, scheinheilig, so ein bisschen …"

    Doch trotz dieser Kritik - der Wunsch nach mehr Partizipation gerade bei Jungwählern ist unübersehbar – sie wollen stärker gezielt angesprochen werden – und zwar auf Augenhöhe. Es stellt sich die Frage, inwieweit das Internet dauerhaft die Kommunikation zwischen den Wählern verändert, auch über den Wahltag hinaus.

    Der Kommunikationswissenschaftler Jan-Hinrik Schmidt ist überzeugt davon, dass das Internet nur als Verstärker, nicht aber als Auslöser für politisches Interesse dienen kann:

    "Das Internet ist ja letztlich nur ein Werkzeug, um sich über politische Themen die einen interessieren zu informieren, oder um sich mit anderen über bestimmte politische Dinge auszutauschen. Die Hoffnung, dass bloß weil es jetzt das Internet gibt, auf einmal die ganzen jungen Nutzer politikaffin werden würden, die trügt. Es muss schon politisches Interesse vorhanden sein, damit Jugendliche wirklich im Netz aktiv werden."

    Der Medienwissenschaftler Gerhard Vowe von der Uni Dortmund sieht es positiver: Alle Studien wiesen darauf hin, dass das Internet durch seine komfortable Handhabung politische Teilhabe fördern könne, nicht nur bei den Jungwählern, sondern bei allen Wählerschichten.

    Seine komfortable Handhabung – nur ein Vorteil des Internets in diesem Feld. Seine Schnelligkeit ein anderer. Via Internet kann mobilisiert werden, von jetzt auf sofort. Das zeigte sich in Anfängen schon 2004 in Spanien. Nach den Anschlägen dort auf Regionalzüge wurde zu den Demonstrationen wenige Tage später per SMS aufgerufen. Heute wären wohl Twitter und andere Plattformen im Einsatz, siehe Iran.

    Gerhard Vowe: "Das Internet hat den Reisemarkt verändert, den Immobilienmarkt verändert, den Partnerschaftsmarkt verändert – es wird auch den politischen Markt verändern, in einem großen, großen Sinn. Die ersten Zeichen sehen wir, das beginnt bei der politischen Information, das ich die Möglichkeit habe mit geringsten Kosten die Positionen der Akteure in bestimmten Streitfragen,…, ich kann mir die verschiedenen Positionen anschauen, angucken, und mir dann meine Meinung bilden."

    Doch politisch interessierte Bürger wollen es nicht beim bloßen "Sich-informieren" belassen. Das Netz wird zunehmend auch zur politischen Interaktion genutzt: Etwa über die seit einigen Jahren bestehende Website "abgeordnetenwatch.de", auf der man den Volksvertretern gezielt Fragen stellen kann. Eine andere Möglichkeit: der Bürger wendet sich mit seinen Einwänden per Internet direkt an den Deutschen Bundestag.

    Ob all dies schlussendlich Früchte tragen wird, ob die Annäherungsversuche an die modernen Medien erfolgreich waren? Gewählt wird am 27. September – in der Nachbetrachtung der Ergebnisse wird mit Sicherheit auch das Internet eine Rolle spielen.