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Von Gambe bis Zink

Wer sich für Alte Musik und historische Instrumente interessiert, für den ist der "Leitfaden durch die historischen Instrumente" ein Muss: Ein 200-seitiges Handbuch mit acht Audio-CDs mit hochkarätigen Hörbeispielen.

Von Christiane Lehnigk | 31.01.2010
    Auf dem Programm steht heute eine ungewöhnliche Publikation aus dem Bereich der Alten Musik. Das belgische Plattenlabel Ricercar veröffentlichte einen "Leitfaden durch die historischen Instrumente", einen Schuber mit einem 200-seitigen kartonierten Handbuch in Taschenbuchformat und acht Audio-CDs mit einem Umfang von mehr als zehn Stunden Musik. Ein paar Ausschnitte daraus möchten wir Ihnen vorstellen, dazu begrüßt Sie im Studio Christiane Lehnigk.

    Um es gleich vorwegzusagen, wenn man sich für Alte Musik, ihre Instrumente und Ikonografie interessiert, dann sollte man sich dieses nicht teure Kompendium für "Wissbegierige und Neugierige", so der Werbetext, auf jeden Fall gönnen. Die Idee ist natürlich nicht neu aber es gibt in Umfang und Machart nichts Vergleichbares für diese spezielle Epoche. Dabei geht die Reise durch die verschiedenen Instrumentenfamilien vom Mittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Der Text ist fließend in Englisch, Französisch und Deutsch und auf den linken Buchsaiten gibt es eine Vielzahl farbiger Abbildungen, sodass man sich ein Bild zum Ton oder umgekehrt machen kann.

    Dem an alter Musik interessierten Hörer sind eine Reihe exotischer Instrumente mit der Zeit sicherlich vertraut, aber es gibt auch noch vieles zu entdecken, was so im Konzertsaal oder in der Kirche äußerst selten oder gar nicht erklingt, wie zum Beispiel das Serpent, das Organistrum, das Trumscheit, auch Marientrompete genannt, das Rakett, die Kontrabassgambe oder die sogenannte Türkenmusik, die im 18. Jahrhundert in Österreich aufkam.

    Hierbei handelt es sich um ein Schlagwerk, das im symphonischen Orchester Verwendung fand, wenn es darum ging, die Perkussionsensembles der türkischen Armee in der Zeit der Belagerung Wiens zu imitieren, so wie hier in der Ouvertüre von André Modeste Grétry.

    André Modeste Grétry.
    Ouverture, Pas de et Marche du Pacha
    Ricercar Academy
    Leitung: Marc Minkowski
    CD VII <21>


    Das Schöne an diesem Kompendium alter Musikinstrumente ist, dass die Musikbeispiele nicht mit dem pädagogischen Zeigefinger aufbereitet sind, nach dem Motto, "und hören Sie hier ... ", sondern dass sich immer ganze Stücke auf den insgesamt acht CDs befinden und diese deshalb auch so gut durchhörbar sind. Dabei werden auch eine Reihe von Hits präsentiert, wie sie heute zum gängigen Repertoire einer Alte-Musik-Formation gehören, wie zum Beispiel Lieder aus den "Cantigas de Santa Maria" oder Chansons wie "Tant que vivray" von Claudin Sermisy, hier in einer instrumentalen Fassung.

    Claudin de Sermisy
    Tant que vivray
    Jérôme Lejeune, Philippe Malfeyt
    CD III <17>


    Die meisten Aufnahmen in diesem "Leitfaden durch die historischen Instrumente" stammen logischerweise aus dem Repertoire des hauseigenen Labels Ricercar, aber es wurden auch extra neue Stücke eingespielt und Werke aus Veröffentlichungen anderer Labels wie Accent, EMI, Glossa, Alpha, Pavane, Capriccio, Harmonia Mundi, Ramee und Fuga libera entliehen. Daher sind auch viele bekannte Künstler der Alte-Musik-Szene vertreten, was das hohe Niveau der Einspielungen garantiert.

    Die Anordnung der Instrumentengattungen erfolgt rein chronologisch, beginnt bei den Troubadours und endet mit Beethoven und Rossini.

    Was die Rekonstruktion alter Instrumente anbelangt, da ist man in der Frühzeit oft auf vereinzelt noch existierende Abhandlungen und auf die Darstellung von Instrumenten auf Bildern oder Plastiken angewiesen. Die Grundlagen der Mehrzahl aller Instrumentalgattungen wurden schon im Mittelalter gelegt und auch das kulturelle Erbe der westlichen und östlichen Instrumente der Volksmusik, besonders der arabischen, hat sich seitdem kaum verändert.

    Anon. (14.Jh.)
    Trotto
    Baptiste Romain, Jean Lou Descamps (Rebec)
    CD I <19>


    Der Rebec, der hier in einem Trotto aus dem 14. Jahrhundert gespielt wurde, ist ein solches kleines Streichinstrument, das sich aus dem arabischen Rebab entwickelte. Es hat einen birnenförmigen Korpus, wird auf den Knien gehalten und die Saiten werden nicht durch den Druck auf das Griffbrett, sondern durch ein Anhaken der Saiten mit den Fingern verkürzt.

    Zu den Exoten gehört auch das schon erwähnte Trumscheit, das auch Marientrompete, Tromba marina, genannt wurde, ein Streichinstrument mit einer, bis vier Saiten, auf dem die Trompete imitiert werden sollte und das in der Barockzeit dann fast Mannsgröße erreichte.

    Thomas Kosteletzki
    Der schene neue Aufzug
    Max Engel, Trumscheit
    CD V <3>


    Auch die große Familie der Viola da gamba, die letztlich von der Violine und dem Violoncello abgelöst werden sollte, ist in diesem "Leitfaden durch die historischen Instrumente" dargestellt. Zu den kleinsten gehört die Diskantgambe, und zu den größten die Kontrabassgambe, die Monteverdi zum Beispiel ausdrücklich in seinem Orfeo verlangt und die noch bis ins beginnende 19. Jahrhundert im Orchester gespielt wurde. Die bekanntesten Formationen mit mehreren Gamben waren die englischen Consorts und die Vingt-quatre Violons du Roy am Hofe Ludwig des XIII.

    Hier ein Ausschnitt aus einer in der Renaissance typischen Variationsform, den Divisions,
    einer Komposition von Christopher Simpson mit Division Viol, Basse de viole und einem Clavecin à cordes de boyau, einem Lautencembalo mit Darmsaiten.

    Christopher Simpson
    Divisions in G
    CD III <32>
    Sophie Watillon, Frederike Heumann,
    Mathias Spaeter, Luca Ghielmi



    Glasharfe oder Glasharmonika ist ein ungewöhnliches Instrument, das Ende des 18. Jahrhunderts, Anfang des 19. Jahrhunderts sehr beliebt war und dessen Erfindung Benjamin Franklin zugeschrieben wird. Hier sind, in einem hölzernen Kasten an die vierzig Glasschalen rund um eine Achse angebracht, die man durch eine Kurbel oder ein Pedal in Rotation versetzt. Der Ton wird durch Reibung der feuchten Finger gegen die Glasränder erzeugt. Hier eine Komposition von Wolfgang Amadeus Mozart für dieses Instrument.

    Wolfgang Amadeus Mozart
    Adagio C-dur KV 356 (617a)
    CD VIII <16> (Ausschnitt)
    Denis James, Glasharmonika


    Zu den ungewöhnlichen Blasinstrumenten gehört in diesem unterhaltsamen Kompendium historischer Instrumente auch das Serpent, eine Art Bass-Zink in S-Form, das seit Ende des 16. Jahrhunderts vor allem auch zur Begleitung des Gregorianischen Chorals, vorwiegend in Frankreich verwendet wurde. Mit dem Beginn der französischen Revolutionszeit fand es dann auch Eingang in die Militärmusik. Hier ein Ausschnitt aus der Messe pour les instruments au lieu des orgues von Marc Antoine Charpentier.

    Marc Antoine Charpentier
    aus: Messe pour les instruments au lieu des orgues
    Tu solus sanctus
    Elsa Frank, Jérèmie Papasergio, Volny Hostiou,
    Voix d'hommes du Chœur de chambre de Namur
    Leitung: Jean Tubéry
    CD 5 <17>


    Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute den "Leitfaden durch die historischen Instrumente" vor, der beim Label Ricercar erschien, ein Schuber mit einem 200seitigen kartonierten Handbuch in Taschenbuchformat und acht Audio-CDs.

    Im Studio verabschiedet sich, mit Dank fürs Zuhören, Christiane Lehnigk.