"Die Psychologie heute ist eine Wissenschaft, die vom Individuum her kommt. Wir beschreiben, erklären das Erleben und Verhalten des einzelnen Menschen. Wir haben aber immer mehr erkannt, durch unsere Forschung, dass man das Erleben nur erklären kann, wenn man die Umgebung, den Kontext, in dem sich dieser Mensch befindet und den er sich selbst schafft, mit in Rechnung stellt."
Sagt Ursula Staudinger. Die Bremer Professorin ist Präsidentin der "Deutschen Gesellschaft für Psychologie". Überall, wo Menschen zusammenkommen, im Arbeitsleben wie in der Familie, findet sich auch die Psychologie. Sie will Probleme lösen helfen und Antworten auf gesellschaftliche Fragen geben. Und sie kann es auch, glaubt Ursula Staudinger. Es müsse sich in der Öffentlichkeit nur mehr herumsprechen. Damit die Erkenntnisse aus der Wissenschaft auch in politische Entscheidungen einfließen könnten. Mehr Selbstbewusstsein wünscht sich Ursula Staudinger daher von ihrem Fach, das sich immer stärker auf alle Gesellschaftsbereiche ausdehne. Noch immer werde es aber auf die klinische Psychologie reduziert. Dabei seien längst nicht alle Psychologen Therapeuten, sondern arbeiteten in vielen Bereichen.
Zum Beispiel in der Arbeits- und Wirtschaftspsychologie. In Bremen drehten sich viele Vorträge um die Arbeitswelt. Wie macht man ein Unternehmen innovationsfähig? Wie bekommt es die passenden Mitarbeiter? Wie setzten sich erfolgreiche Teams zusammen? Bis hin zur Frage: Ist Gruppenarbeit überhaupt sinnvoll? Nicht immer führt Ursula Staudinger aus.
"Der Mensch ist so gestrickt, wir versuchen immer Energie zu sparen. Wenn ich mitbekomme, da sitzen fünf Leute am Tisch, da muss ich mich nicht mehr so anstrengen. Es gibt ein Mitläufertum. Es gibt also einen Motivationsverlust in der Gruppe, umgekehrt aber auch einen Gewinn, dass es mehr Spaß macht, als wenn ich alleine sitze."
Obwohl die Gruppenforschung längst herausgefunden habe, dass zum Beispiel das Brainstorming nicht die originellsten Ergebnisse liefere, werde an dem Mythos festgehalten. Dabei könnten solche Untersuchungen dabei helfen, Wirtschaftskraft in Firmen zu optimieren. Die Psychologie ist dabei aber nicht nur auf der Seite der Unternehmen, sondern will auch den einzelnen Mitarbeiter im Blick haben. Nur wenn er sich wohlfühlt, mit Bedingungen, Vertragsart, Gehalt, zufrieden ist, bringt er die optimale Leistung. Der Psychologe wird so aber auch zum Dienstleister für die Wirtschaft. Tagungspräsident Professor Franz Petermann von der Universität Bremen will das allerdings nicht so negativ sehen.
"Sehen sie, das Hautproblem heute sind Burnout, Belastung, wir haben unglaublich viele Vorträge zu Stressbewältigung, Alkohol am Arbeitsplatz. Es ist nicht immer die Optimierung und Ausbeutung. sondern Psychologie schützt ja auch. Ich sehe in der Psychologie vor allem eine Wissenschaft, die Ressourcen aktiviert, und den Menschen, auch wenn er schwächer ist, und an eine Kurve im Leben kommt, so hat sie die Chance, zu unterstützen."
In den 70er-Jahren sei die Psychologie noch ein Modefach gewesen - heute eine Notwendigkeit. Denn die Gesellschaft brauche Experten und Gutachter, etwa wenn Persönlichkeits-Tests für aggressive Autofahrer entwickelt werden müssten. Oder wenn es in Gerichtsverfahren um die Glaubwürdigkeit von Angeklagten oder Zeugen gehe.
"Kachelmann und Co. - Die Psychologin, die begutachtet hat, ist eine Bremer Psychologin: Schuld und Unschuld, die ganzen Umstände. Psychologie kommt durch diese prominenten Fälle in eine ganz andere Öffentlichkeit und in eine ganz andere Verantwortung."
Auch die Jugendgewalt ist ein Thema, das derzeit viel diskutiert wird und auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie eine Rolle gespielt hat. Es gebe Anhaltspunkte dafür, warum Jugendliche gewalttätig werden und viele gute Präventionsprogramme, davon ist Franz Petermann überzeugt.
"Die Politiker hören zu spät hin. Die rufen bei mir an, wenn Amok gelaufen ist. Ich sage seit zehn Jahren: Fangt vorher an! Wir haben viele Versorgungssysteme für Kinder, Jugendhilfe, Erziehungsberatung, Schulpsychologen, die sind schlecht miteinander vernetzt. Sonst wüssten die wahrscheinlich schon, wenn ein Kind im Kindergarten auffällig wird, wie man ein Kind im Kindergarten zu behandeln hat, und könnte den großen Konflikt in der weiterführenden Schule vermeiden."
Weil das Wissen verschiedener Fachgebiete zu vereinzelt ist, gibt es auch so viele unwirksame Präventionsprogramme gegen Jugendgewalt. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Mario Gollwitzer von der Universität Marburg. Danach laufen viele staatlich finanzierte Programme ins Leere, weil sie aus dem Bauch heraus entwickelt worden seien und nicht auf die Erkenntnisse der Psychologie zurückgreifen.
Mario Gollwitzer, der sich auf die Untersuchung von Gewalt spezialisiert hat, stellte außerdem ein Forschungsprojekt vor, das die Bedeutung der Medien kritisch unter die Lupe nimmt. Die Frage ist, wie Massenmedien berichten, wenn es um soziologische Forschungen zu sogenannten Killer-Computerspielen geht. Gerade weil das Thema so brisant sei und so heftig diskutiert werde, bestehe die Gefahr, dass die Forschung in den Medien verzerrt werde, so Gollwitzer.
""So eine typische Überschrift ist, zum Spiel Counterstrike zum Beispiel: 'Die Software fürs Massaker - Ein Computerprogramm der Firma Sierra Entertainment hat den Amokläufer von Erfurt trainiert!' Das sind Darstellungen, von denen sich jeder Sozialwissenschaftler distanzieren würde.
Ob es am Mediensystem liegt oder am Unvermögen der Wissenschaftler, ihre Kenntnisse zu präsentieren, diese Frage soll im Verlauf der Studie beantwortet werden. Eine Debatte, die ebenfalls in den Medien geführt wurde, ist die über Thilo Sarrazin und seine These von der Vererbbarkeit von Intelligenz. Auf der Tagung in Bremen warnten Psychologen: Man wisse noch zu wenig über das Wechselspiel zwischen Anlage und Umwelteinfluss. Auch wenn Intelligenz zu 50 bis 80 Prozent erblich sei, so spielten soziale Faktoren eine große Rolle, erläutert Birgit Spinath, pädagogische Psychologin von der Universität Heidelberg.
""Zum einen geht es darum, die interindividuellen Differenzen anzuerkennen. Zu sagen, die Kinder kommen schon sehr unterschiedlich. Und es macht keinen Sinn, sie gleichzubehandeln. Wir müssen erst einmal herausfinden: Wo stehen sie? Das fängt vor der Schule an, wenn es um Förderung geht, zum Beispiel Sprachstandserhebung ist so ein neues Thema, wo wir Diagnostik betreiben müssen. Das geht dann in der Schule weiter, dass wir nicht so tun sollen, dass nicht jeder die gleiche Behandlung braucht. Sondern dass wir, wenn wir fördern, sehr genau auf diesen Grundlagen, die es gibt, aufbauen. Dazu müssen Lehrer auch in die Lage versetzt werden, gut zu erkennen, was brauchen meine Schüler jetzt eigentlich.
Auf der Tagung in Bremen wurde deutlich: Psychologen wollen sich stärker in gesellschaftliche Debatten und politische Entscheidungen einmischen. Das Fach will nicht mit anderen Fächern wie der Neurowissenschaft, Biologie oder Soziologie konkurrieren, sondern diese nutzen, um sich weiterzuentwickeln. Mehr Selbstbewusstsein auch in Zeiten der Veränderung - auch das war ein Appell auf dem Kongress der Deutschen Psychologischen Gesellschaft in Bremen.
Sagt Ursula Staudinger. Die Bremer Professorin ist Präsidentin der "Deutschen Gesellschaft für Psychologie". Überall, wo Menschen zusammenkommen, im Arbeitsleben wie in der Familie, findet sich auch die Psychologie. Sie will Probleme lösen helfen und Antworten auf gesellschaftliche Fragen geben. Und sie kann es auch, glaubt Ursula Staudinger. Es müsse sich in der Öffentlichkeit nur mehr herumsprechen. Damit die Erkenntnisse aus der Wissenschaft auch in politische Entscheidungen einfließen könnten. Mehr Selbstbewusstsein wünscht sich Ursula Staudinger daher von ihrem Fach, das sich immer stärker auf alle Gesellschaftsbereiche ausdehne. Noch immer werde es aber auf die klinische Psychologie reduziert. Dabei seien längst nicht alle Psychologen Therapeuten, sondern arbeiteten in vielen Bereichen.
Zum Beispiel in der Arbeits- und Wirtschaftspsychologie. In Bremen drehten sich viele Vorträge um die Arbeitswelt. Wie macht man ein Unternehmen innovationsfähig? Wie bekommt es die passenden Mitarbeiter? Wie setzten sich erfolgreiche Teams zusammen? Bis hin zur Frage: Ist Gruppenarbeit überhaupt sinnvoll? Nicht immer führt Ursula Staudinger aus.
"Der Mensch ist so gestrickt, wir versuchen immer Energie zu sparen. Wenn ich mitbekomme, da sitzen fünf Leute am Tisch, da muss ich mich nicht mehr so anstrengen. Es gibt ein Mitläufertum. Es gibt also einen Motivationsverlust in der Gruppe, umgekehrt aber auch einen Gewinn, dass es mehr Spaß macht, als wenn ich alleine sitze."
Obwohl die Gruppenforschung längst herausgefunden habe, dass zum Beispiel das Brainstorming nicht die originellsten Ergebnisse liefere, werde an dem Mythos festgehalten. Dabei könnten solche Untersuchungen dabei helfen, Wirtschaftskraft in Firmen zu optimieren. Die Psychologie ist dabei aber nicht nur auf der Seite der Unternehmen, sondern will auch den einzelnen Mitarbeiter im Blick haben. Nur wenn er sich wohlfühlt, mit Bedingungen, Vertragsart, Gehalt, zufrieden ist, bringt er die optimale Leistung. Der Psychologe wird so aber auch zum Dienstleister für die Wirtschaft. Tagungspräsident Professor Franz Petermann von der Universität Bremen will das allerdings nicht so negativ sehen.
"Sehen sie, das Hautproblem heute sind Burnout, Belastung, wir haben unglaublich viele Vorträge zu Stressbewältigung, Alkohol am Arbeitsplatz. Es ist nicht immer die Optimierung und Ausbeutung. sondern Psychologie schützt ja auch. Ich sehe in der Psychologie vor allem eine Wissenschaft, die Ressourcen aktiviert, und den Menschen, auch wenn er schwächer ist, und an eine Kurve im Leben kommt, so hat sie die Chance, zu unterstützen."
In den 70er-Jahren sei die Psychologie noch ein Modefach gewesen - heute eine Notwendigkeit. Denn die Gesellschaft brauche Experten und Gutachter, etwa wenn Persönlichkeits-Tests für aggressive Autofahrer entwickelt werden müssten. Oder wenn es in Gerichtsverfahren um die Glaubwürdigkeit von Angeklagten oder Zeugen gehe.
"Kachelmann und Co. - Die Psychologin, die begutachtet hat, ist eine Bremer Psychologin: Schuld und Unschuld, die ganzen Umstände. Psychologie kommt durch diese prominenten Fälle in eine ganz andere Öffentlichkeit und in eine ganz andere Verantwortung."
Auch die Jugendgewalt ist ein Thema, das derzeit viel diskutiert wird und auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie eine Rolle gespielt hat. Es gebe Anhaltspunkte dafür, warum Jugendliche gewalttätig werden und viele gute Präventionsprogramme, davon ist Franz Petermann überzeugt.
"Die Politiker hören zu spät hin. Die rufen bei mir an, wenn Amok gelaufen ist. Ich sage seit zehn Jahren: Fangt vorher an! Wir haben viele Versorgungssysteme für Kinder, Jugendhilfe, Erziehungsberatung, Schulpsychologen, die sind schlecht miteinander vernetzt. Sonst wüssten die wahrscheinlich schon, wenn ein Kind im Kindergarten auffällig wird, wie man ein Kind im Kindergarten zu behandeln hat, und könnte den großen Konflikt in der weiterführenden Schule vermeiden."
Weil das Wissen verschiedener Fachgebiete zu vereinzelt ist, gibt es auch so viele unwirksame Präventionsprogramme gegen Jugendgewalt. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Mario Gollwitzer von der Universität Marburg. Danach laufen viele staatlich finanzierte Programme ins Leere, weil sie aus dem Bauch heraus entwickelt worden seien und nicht auf die Erkenntnisse der Psychologie zurückgreifen.
Mario Gollwitzer, der sich auf die Untersuchung von Gewalt spezialisiert hat, stellte außerdem ein Forschungsprojekt vor, das die Bedeutung der Medien kritisch unter die Lupe nimmt. Die Frage ist, wie Massenmedien berichten, wenn es um soziologische Forschungen zu sogenannten Killer-Computerspielen geht. Gerade weil das Thema so brisant sei und so heftig diskutiert werde, bestehe die Gefahr, dass die Forschung in den Medien verzerrt werde, so Gollwitzer.
""So eine typische Überschrift ist, zum Spiel Counterstrike zum Beispiel: 'Die Software fürs Massaker - Ein Computerprogramm der Firma Sierra Entertainment hat den Amokläufer von Erfurt trainiert!' Das sind Darstellungen, von denen sich jeder Sozialwissenschaftler distanzieren würde.
Ob es am Mediensystem liegt oder am Unvermögen der Wissenschaftler, ihre Kenntnisse zu präsentieren, diese Frage soll im Verlauf der Studie beantwortet werden. Eine Debatte, die ebenfalls in den Medien geführt wurde, ist die über Thilo Sarrazin und seine These von der Vererbbarkeit von Intelligenz. Auf der Tagung in Bremen warnten Psychologen: Man wisse noch zu wenig über das Wechselspiel zwischen Anlage und Umwelteinfluss. Auch wenn Intelligenz zu 50 bis 80 Prozent erblich sei, so spielten soziale Faktoren eine große Rolle, erläutert Birgit Spinath, pädagogische Psychologin von der Universität Heidelberg.
""Zum einen geht es darum, die interindividuellen Differenzen anzuerkennen. Zu sagen, die Kinder kommen schon sehr unterschiedlich. Und es macht keinen Sinn, sie gleichzubehandeln. Wir müssen erst einmal herausfinden: Wo stehen sie? Das fängt vor der Schule an, wenn es um Förderung geht, zum Beispiel Sprachstandserhebung ist so ein neues Thema, wo wir Diagnostik betreiben müssen. Das geht dann in der Schule weiter, dass wir nicht so tun sollen, dass nicht jeder die gleiche Behandlung braucht. Sondern dass wir, wenn wir fördern, sehr genau auf diesen Grundlagen, die es gibt, aufbauen. Dazu müssen Lehrer auch in die Lage versetzt werden, gut zu erkennen, was brauchen meine Schüler jetzt eigentlich.
Auf der Tagung in Bremen wurde deutlich: Psychologen wollen sich stärker in gesellschaftliche Debatten und politische Entscheidungen einmischen. Das Fach will nicht mit anderen Fächern wie der Neurowissenschaft, Biologie oder Soziologie konkurrieren, sondern diese nutzen, um sich weiterzuentwickeln. Mehr Selbstbewusstsein auch in Zeiten der Veränderung - auch das war ein Appell auf dem Kongress der Deutschen Psychologischen Gesellschaft in Bremen.