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Von Goethe bis Morgenstern

Der Illustrator Peter Schössow lebt und arbeitet in Hamburg. Er ist bekannt durch seine Bilder zu den Geschichten von Ragnar Hovland und Ingvar Ambjörnsen. Peter Schössow illustriert Gedichte von Goethe und Morgenstern, entwirft Cover, auch für die Magazine "Spiegel" und "Stern". Vor allem aber kennt man ihn durch seine eigenen Geschichten: Das Bilderbuch Gehört das so?, das Pixiheft Meehr!, die Popinga-Pappbilderbuchreihe sind Werke der letzten Jahre. Zahlreiche Preise hat er gewonnen, mit fast allen Werken war er auf den Besten 7 vertreten, mehrfach war er nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis. Auch in diesem Jahr wieder, mit dem Bilderbuch: "Gehört das so?".

Von Ute Wegmann | 16.09.2006
    Erst wussten wir gar nicht was los war.
    Plötzlich zog sie vorbei.
    Mit ihrer knallroten Lacklederomahandtasche.
    Stand mächtig unter Dampf.
    Und dann? Dann legte sie los.
    Gehört das so?
    Dann zog sie weiter.
    Wir blieben dran.
    Gehört das so?
    Ganz schön merkwürdig fanden wir.
    Wir fragten uns. Was macht die da?
    Schulterzucken.
    Bis die Lange, die zu uns gehört, sich traute:
    Was ist eigentlich los mit dir?
    Elvis ist tot!, brüllte die Kleine.


    "Gehört das so?" - ist die Geschichte eines kleinen Mädchens, die um ihren Kanarienvogel trauert. Eine ungewöhnliche Geschichte zum Thema Freundschaft und vor allem zum Thema Tod. Ungewöhnlich, weil diese Geschichte keine Schwere hat, sondern durchaus tröstend ist. Das Versöhnliche resultiert u.a. aus der Tatsache, dass sich alles in einem sommerlichen Park ereignet und nicht an einem tristen Herbsttag. Peter Schössow arbeitet gern mit den Elementen der Natur, stellt so Stimmungen her.

    " Es ist überhaupt Wetter oder Umstände, auf die man keinen Einfluss hat. Die spielen eine Rolle in den Geschichten und die versuch ich eben auch zu betonen...Wetter und Atmosphäre... Also ich sehe gerne Spielfilme und bewundere, wie manche Sachen ausgeleuchtet sind , wie Atmosphären hergestellt werden und versuche das auch in meinen Bildern, in meinen Illustrationen rüberzubringen."

    Die größte Rolle in den Bilderbüchern spielt jedoch das Meer. In allen Schattierungen, mit all seinen Launen hat Peter Schössow es in den Gedichten "Meeres Stille und Glückliche Fahrt" von Johann Wolfgang von Goethe hervorragend herausgearbeitet. Ein Bilderbuch, mit dem er im Jahr 2005 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war.

    " Diese Schattierungen, also ich hab nie eine Atlantiküberfahrt gemacht, aber das würde ich gern einmal machen, um das Element Meer und Wasser in all seinen Schattierungen kennen zulernen... Ich hab mich bemüht, Wasser und Meer glaubwürdig darzustellen, aber das ist so schwierig das zu machen, ich könnte mich noch jahrelang mit dem Thema beschäftigen."

    Eine besonders warme, verträumte, nahezu romantische Atmosphäre entsteht durch die Benutzung der Gelbtöne und Schattierungen in den beiden Büchern von Ragnar Hovland, im Besonderen in "Emil der Kaffeekocher". In fließendem Gelb sind einzelne Seiten gehalten, die Figuren und der Text schwarz-grau darauf gesetzt. Landschaften und Hintergründe sind bei Schössow oft flächig, nur in groben Konturen angedeutet. Denn: Meist steht das Lebewesen im Mittelpunkt der Illustrationen.

    " Wenn ich Geschichten anfange zu illustrieren, läuft das in erster Linie über die Erarbeitung der Figuren. Im Hinterkopf sind natürlich auch Landschaften und Atmosphären, aber zunächst einmal erarbeite ich mir die Figuren. Und was ich sehr wichtig finde, ist eben auch Gestik und Körpersprache. Dass sich zum Beispiel nicht nur über einen offenen Mund oder zugekniffene Augen mitteilt, sondern auch über Handhaltung, wie man mit seinen Armen und Beinen umgeht, wie man insgesamt mit seinem Körper auf bestimmte Dinge reagiert. Das ist mir sehr wichtig, das einzusetzen, diese Möglichkeiten, die darin liegen."

    Die Figuren zeichnen sich aus durch eine spezielle Kantigkeit, wirken aber nie mechanisch oder kühl.

    " Ich sehe natürlich meine Figuren formal nicht kantig, die sind schon sperrig vom inhaltlichen her. ... - Ich entwickel die Figuren so, dass sie für mich sympathisch sind, sonst könnte ich mich gar nicht monatelang mit den Figuren beschäftigen...Wenn das sehr schwere Stoffe sind, sehr dramatische, sehr dunkle Stoffe, dann nehm ich solche Aufträge gar nicht an oder gucke, dass ich mich nicht zu lange mit den Figuren beschäftige."

    Auf die Frage nach Vorbildern, sagt Peter Schössow, dass er jede Sache neu angeht und der Reiz in der Arbeit unter anderem darin liegt, dass er sich selber überraschen kann. Aber natürlich hat ihn auch die Lichtgestaltung in der bildenden Kunst und in Filmen geprägt.

    Er ist immer auf der Suche nach Texten, die bildlich umgesetzt werden könnten. Dennoch: Neben den eigenen Geschichten oder den illustrierten Bilderbüchern gibt es so etwas wie reine Auftragsarbeiten: Covergestaltungen, Frontispize oder: die schwarz-weiß-Portraits der Philosophinnen in dem Sachbuch "Ich will verstehen". Eine andere Art von Kreativität:

    " Das ist Pflicht, die ich mir zur Kür mache....bei den Philosophinnen war es so auch bei Schiller, dass ich Schwarz-weiß-Illustrationen machen sollte und ich dachte, ich gönn mir was, und mach die Dinger in Farbe. "

    Dieses Pflichtprogramm bleibt Notwendigkeit, die Aufträge immer eine Mischkalkulation. Von der reinen Bilderbuchgestaltung könnte Peter Schössow, der schon über 30 Jahre im Geschäft ist und zu den bekanntesten Zeichnern Deutschlands zählt, nicht leben.

    Der Humor des Illustrators steckt im Detail, ein Pflaster auf dem Knie eines kessen Görs, eine bestimmte Körperhaltung, der Heiligenschein über dem Kopf des Kanarienvogels. In den eigenen Geschichten findet man Schössows Witz durchaus auch im Text. Bestes Beispiel dafür ist das kleine Geschenkbändchen "Für Dich". Kurz, knapp, lakonisch und dabei hochamüsant sieht man einen Erpel in Turnschuhen und Kappe am Werk, der Liebsten mit kleinen Verrücktheiten seine Zuneigung zu beweisen.

    Ein ganz anderer Text, den Schössow illustrierte: "Die Mausefalle" von Christian Morgenstern.

    Palmström hat nicht Speck im Haus
    Dahingegen eine Maus
    Korf, bewegt von seinem Jammer
    Baut ihm eine Gitterkammer
    Und mit einer Geige fein
    Setzt er seinen Freund hinein.
    Nachts ist's und die Sterne funkeln.
    Palmström musiziert im Dunkeln.
    Und derweil er konzertiert
    Kommt die Maus hereinspaziert.
    Hinter ihr, geheimerweise
    Fällt die Pforte leicht und leise.


    So beginnt die ungewöhnliche Freundschaftsgeschichte der beiden Herren Palmström und Korf und ihre sanfte, kreative, ziemlich aufwendige Idee, die störende Maus, die es sich im Haus bequem gemacht hat, dank Schössow Pralinen isst und das Fernsehprogramm bestimmt, mit Hilfe des Geigenspiels in einen Käfig zu locken. Ein Buch der sanften Entsorgung! Eine sensible Art der Trennung. Denn zum Schluss, und das ist das Schöne, sind alle glücklich. Sogar die kleine Maus, die im Wald zurück bleibt.

    Ein für Kinder komplizierter Text. Gerade das reizte Peter Schössow, den Text so zu bebildern, dass er für Kinder nicht mehr sperrig ist: Der dicke Palmström mit seiner Micky-Maus-Ohren-Kopfbedeckung, der im Gitterkäfig Geige spielt, der schmale Freund Korf lauert unterdessen als Baum verkleidet, ob der Trick funktioniert und später das LKW-fahrende Pferd. Und natürlich die überaus entzückende Maus im orangefarbenen Rundrock mit weißer Bluse.

    Peter Schössow hat seine Arbeitsweise in den vergangenen Jahren verändert. Er gehört zu einer Generation, die sich nicht selbstverständlich den neuen Medien öffnet. Aber wie kam es zu diesem Schritt?

    " Ich habe das bei Kollegen gesehen, was man mit dem Medium machen kann. Es hat mich auch deshalb gereizt, weil ich keine endgültigen Bilder herstellen muss, sondern ich kann die Figuren auch so behandeln, das reinstellen und verschieben. Das kommt der Sache mit der Verfilmung sehr entgegen. Und das Material, das ich brauche um meine Bilder zu machen, wurde nicht mehr hergestellt.....Ich hab auf Reinzeichenkarton gearbeitet einer bestimmten Firma, die es nicht mehr gab. Meine eigenen Arbeiten schon wieder zu retouchieren....Ich benutze den Rechner so, als ob ich auf Papier arbeiten würde: Ich spritze damit, ich zeichne, ich setze Strukturen, und was mir sehr entgegen kommt, dass ich die Vorzeichnungen nicht umzeichnen muss. Dabei geht viel von der Spontaneität flöten....das ist durch den Rechner leichter geworden, weil ich Skizzen einscannen und bearbeiten kann."

    Und was sagt er zu dem hin und wieder geäußerten Vorwurf, die Illustrationen wirkten kälter? Hätten weniger Seele?

    " Diese Kälte bemühe ich mich eigentlich aufzuheben. Ich bemühe mich, dass etwas Eigenes entsteht, was nicht rechnerspezifisch aussieht. Ich versuche, das umzusetzen, was ich vorher auch gemacht habe: Stimmungen, Gefühle zu erzeugen, Atmosphären herzustellen. Diese Kälte rauszunehmen, zu brechen."

    Schössows Bücher sind generationsübergreifend. Es sind die Bücher mit der zweiten Ebene, an denen auch Erwachsene Spaß haben.

    " Ich versuche eine Geschichte zu erzählen für kleine Kinder, aber auch für Erwachsene. Dass Kinder bestimmte Dinge nicht begreifen, weil sie es nicht kennen, das finde ich ist kein Problem. Ich habe als Kind auch nicht die ganze Welt verstanden, das geht mir ja sogar noch heute so, dass mir einiges unverständlich bleibt. Ich achte vor allem darauf, dass die erste Ebene, die Handlung für die Kleinen funktioniert."

    Das letzte fertig gestellte Projekt heißt "Die Prinzessin", ein Text des Komponisten Arnold Schönberg. Nachdem er nach Amerika ausgewandert war, hat er seinen Kindern Geschichten beim Abendbrot erzählt. Dabei hat er englische Wörter eingestreut, um ihnen gleichzeitig die neue Sprache zu vermitteln. Auch wenn es sich hier nur um Tennisvokabular handelt, ist es eine hochamüsante Geschichte einer schwächelnden Prinzessin. Wieder ein Bilderbuch, das durch und durch von den Illustrationen des Zeichners Peter Schössow lebt.

    Bücherliste:
    Meeres Stille und Glückliche Fahrt, Text von Johann Wolfgang von Goethe, 24 Seiten, Euro 12,90

    Gehört das so?? Die Geschichte von Elvis, 32 Seiten, Euro 14,90

    Die Mausefalle, Text von Christian Morgenstern, 48 Seiten, Euro 12,90

    Die Prinzessin, Text von Arnold Schönberg, 32 Seiten, Euro 12,90

    Alle Bücher erschienen im Carl Hanser Verlag