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Von Hobbits, Drachen und Zwergen

Peter Jacksons Trilogie "Der Herr der Ringe" begeisterte Millionen Zuschauer, allein der erste Teil lief fast ein Jahr durchgehend in den deutschen Kinos. Rund elf Jahre später kommt die Vorgeschichte "Der Hobbit" ins Kino - wieder als Dreiteiler und wieder mit viel technischem Aufwand.

Von Josef Schnelle | 13.12.2012
    "Beteiligung maximal ein Vierzehntel des Gesamtprofits – Mh, scheint angemessen. Die Unterzeichner sind nicht haftbar für zugefügte Verletzungen, einschließlich aber nicht ausschließlich: Platzwunden – Ausweidung - Verbrennung?" – "Na ja. Er schmelzt einem im Handumdrehen das Fleisch von den Knochen."

    So geht die Abenteuerreise los in "Der Hobbit" - dem man das Kinderbuchadjektiv "klein" vorsichtshalber weggenommen hat.

    13 Zwerge wollen mit dem eigentlich wenig abenteuerlustigen Halbling aus dem Auenland den Drachen aus ihrem verlorenen Heimatland vertreiben. Der Zauberer Gandalf hat den Hobbit als 14. Reisegefährten ausgesucht, denn Hobbits, kleiner noch als Zwerge, werden leicht übersehen, verstehen sich vorzüglich auf Diebstahl und verfügen trotzdem über ein Heldenherz.

    Auf dem Weg zum Berg Erebor mit seinen sagenhaften Goldschätzen muss die kleine Heldenschar zahlreiche Begegnungen mit den bösen Orks, die auf Superwölfen reiten und allerlei Gesindel und Monstern des Fantasy-Kontinents überstehen. Und wenn der Vorhang nach rund zweieinhalb Stunden sich wieder schließt, hat man erst ein Drittel der Reise überstanden.

    Immerhin hat Bilbo Beutlin aber seinen gemütlichen inneren Schweinehund vorerst besiegt. Wenn die Zwerge mit ihren Schwertern prahlen, die Königen gehört und Heldentaten überstanden haben, die größer sind als sie selbst, tröstet einer der Zwerge Bilbo über den gröbsten Frust hinweg:

    "Mach dir keine Gedanken, Junge. Schwerter heißen nach den großen Taten, die sie im Krieg vollbringen." – "Soll das heißen, mein Schwert hat noch keine Schlacht gesehen?" – "Ich weiß nicht mal, ob es ein Schwert ist. Sieht eher wie ein Brieföffner aus."

    Der Brieföffner wird aber noch wichtig werden in dieser unendlichen Geschichte von Schwertern und Zauberei, in der der auf Westentaschenformat geschrumpfte Durchschnittsmensch Hobbit, der auch mal gern ein Haschpfeifchen raucht, den ganzen Unterschied macht.

    Das war schon das Geheimnis des Erfolgs von "Der Herr der Ringe" von J.R.R. Tolkien, der in den 70er-Jahren zum Kultroman der Studentenbewegung wurde und mit Peter Jacksons Filmserie 2001 bis 2003 zum Hollywoodtopseller, der weit mehr als den harten Kern der Fans erreichte. Da war es nur eine Frage der Zeit und der Rechteprobleme, bis sich Jackson an die Vorgeschichte herantrauen würde.

    Aus dem schmalen Kinderbuch, immerhin doch von 500 Seiten, das J.R.R. Tolkien ursprünglich für seine Kinder geschrieben hatte, wurden schließlich drei Filme, die ein von den geistlosen Fortsetzungsfilmen aus Hollywood ermüdetes Publikum sicher rasch weltweit in die Milliarden Zuschauer-Liga heben wird.

    "Der Hobbit" hat natürlich alles, was dem zeitgenössischen Eskapismus entspricht. Tolle Spezialeffekte, grandiose 3-D-Inszenierungen und eine zufriedenstellende Berücksichtigung der Fangemeindeinteressen. Orkschlachten noch und nöcher, orchestriert wie im Videogame zum Beispiel.

    Peter Jackson hat die Quests bis an den Rand des erträglichen ausgedehnt. So schnell kommen diese Helden nicht zum Erfolgserlebnis. Die Wälder sind geheimnisvoll. Die einzelnen Episoden so gut durchgearbeitet wie weiland bei Disney. Von Teams, die sich wahrscheinlich zwischendurch nie getroffen haben. Man kann also locker zwei Stunden Spaß mit einem Bäckerdutzend von Zwergen haben, die mindestens tausend Orks ins – wenn es denn für sie existiert – Jenseits schicken. Viel mehr passiert eigentlich nicht.

    Nein! Halt! Da ist dann doch eine grandiose Szene und es ist ausgerechnet die wichtigste in diesem dramaturgischen Konstrukt: irgendwann trifft Bilbo auf Gollum, der am Rande des unterirdischen Sees seinen Schatz bewacht, den Ring, um den es in "Herr der Ringe" immerzu geht.

    Im Unterschied zur Bombastmystik des Vorgängerfilms hat "Der Hobbit" einen leichten, lockeren und selbstironischen Erzählton. Etwas Besseres konnte Peter Jackson gar nicht passieren. Und deshalb ist die Schlüsselszene fast ein Kammerspiel. In der Höhle. Bilbo erfindet ein Spiel, dem der gefährliche und gleichzeitig witzige Gollum nicht widerstehen kann.

    "Wieso rätseln wir nicht ein wenig?" – "Und wenn es verliert? Was dann? Nun ja, wenn es verliert, mein Schatz, fressen wir es auf. Wenn Beutlin verliert, fressen wir es ganz auf." – "Einverstanden."