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Von Klaeden: Israel braucht Sicherheitsgarantien

Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden, sieht gute Chancen für einen Waffenstillstand im Nahen Osten. Ein realistischer Weg zu einer Feuerpause führe über Sicherheitsgarantien für Israel, betonte der CDU-Politiker, der sich zur Zeit in Jerusalem befindet. Um dies zu gewährleisten seien vor allem Ägypten und die internationale Staatengemeinschaft aufgerufen, den Waffenschmuggel in den Gaza-Streifen und den Raketenbeschuss der Hamas zu unterbinden.

Eckart von Klaeden im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Ägypten hat gemeinsam mit Frankreich einen Plan für einen Waffenstillstand vorgelegt, und der israelische Ministerpräsident Olmert kann sich humanitäre Erleichterungen für die Menschen in Gaza vorstellen. Doch noch hält die israelische Bodenoffensive im Gaza-Streifen an.
    In Israel hält sich zurzeit Eckart von Klaeden auf. Er ist der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion und wir erreichen ihn in Jerusalem. Guten Morgen, Herr von Klaeden.

    Eckart von Klaeden: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Welche Nachrichten erreichen Sie an diesem Morgen über die Situation in Gaza?

    von Klaeden: Mich erreichen dieselben Nachrichten, die Sie auch erreichen, denn über die Lage in Gaza kann ich mir auch nur ein Bild über die internationalen und die hiesigen Medien machen. Das was sich jetzt aber abzeichnet, dass es Verhandlungen geben kann über einen Waffenstillstand und über Sicherheitsgarantien für Israel, ist ja eine positive Entwicklung.

    Engels: In der Nacht hat der israelische Ministerpräsident Olmert erstmals von humanitären Korridoren gesprochen, die den eingeschlossenen Palästinensern zeitlich befristet gewährt werden sollen. Ist das der Auftakt für eine Waffenruhe?

    von Klaeden: Das ist möglicherweise der Fall. Wir müssen uns ja immer wieder vergegenwärtigen, dass es eine Waffenruhe, die von Ägypten vermittelt wurde, ja bereits gegeben hat bis zum 19. Dezember des letzten Jahres, und danach hat die Hamas massiv begonnen, Israel erneut mit Raketen zu beschießen, und das ist die Ursache für die israelische Militäroperation gewesen. Israel hat immer wieder betont - und das ist aus meiner Sicht auch eine nachvollziehbare Position -, dass man zu einer Waffenruhe dann bereit ist, wenn entsprechende Sicherheitsgarantien mit ihr verbunden sind, und das halte ich auch für den realistischen Weg zu einer Waffenruhe und das ist ja im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gestern auch besprochen worden. Insofern eine positive Entwicklung.

    Engels: Sicherheitsgarantien dafür, dass der Raketenbeschuss auf Israel aufhört und dass der Waffennachschub für die Hamas, der derzeit über Ägypten vor allen Dingen kommt, gestoppt wird. Das sind die Kernbedingungen. Kann denn die internationale Staatengemeinschaft eine solche Garantie überhaupt geben?

    von Klaeden: Es wäre ja schon einmal viel gewonnen, wenn es ernsthafte Bemühungen und das ernsthafte Handeln gebe, die ungefähr 400 Tunnel, die es von Ägypten in den Gaza-Streifen gibt und die zum Schmuggel der Waffen seit Jahren genutzt werden, zu schließen.

    Engels: Wer muss sich denn da bewegen?

    von Klaeden: Da muss sich vor allem die internationale Gemeinschaft und Ägypten bewegen, denn diese Eingänge zu diesen Tunnel liegen auf ägyptischem Territorium und müssen dort dann auch geschlossen beziehungsweise zerstört werden.

    Engels: Muss Deutschland sich an möglichen internationalen Aktionen auch möglicherweise vor Ort beteiligen?

    von Klaeden: Das ist aus meiner Sicht der dritte Schritt vor dem ersten, aber selbstverständlich sollte man so etwas grundsätzlich nicht ausschließen. Alles was dazu führen kann, dass es zu einem nachhaltigen Waffenstillstand kommt und zu entsprechenden Sicherheitsgarantien, sollte von uns unterstützt werden.

    Engels: Wen sehen Sie denn da als Gestalter in der Pflicht? Ägypten, die internationale Staatengemeinschaft, aber vor allen Dingen die USA?

    von Klaeden: In den USA ist ja im Augenblick die Schwierigkeit, dass wir es mit einer ausgehenden Administration zu tun haben und viele darauf warten, welche Nahost-Politik von der neuen Obama-Administration entwickelt werden wird. Ich hoffe und erwarte, dass Obama nicht den Fehler seiner beiden Vorgänger machen wird, nämlich erst sich mit dem Nahost-Konflikt zu beschäftigen, wenn seine Amtszeit ausläuft. Aber sicherlich sind auch wir Europäer in der Pflicht, aber vor allem die arabischen Staaten, denn der Kern des Konflikts zwischen Hamas und Israel ist nicht der palästinensisch-israelische Konflikt, sondern es ist der innermuslimische Konflikt zwischen radikalen und moderaten Kräften. Wir müssen uns vor Augen führen, dass bevor der massive Raketenbeschuss der Hamas auf Israel begonnen hat, also die erhebliche Steigerung dieses Raketenbeschusses, die Hamas zunächst die Fatah in Gaza auf brutale und blutige Weise von der Macht verdrängt hat. Dort sind die Vertreter der Fatah unter anderem in die Knie geschossen worden und vom 14. Stock eines Gebäudes gestürzt worden. Das sind ja alles Bilder, die wir damals im Fernsehen haben beobachten müssen. Deswegen hat die amerikanische Regierung zurecht auch gefordert, dass die Fatah wieder die Macht im Gaza-Streifen übernehmen soll als ein Teil dieser Sicherheitsgarantien.

    Engels: Herr von Klaeden, Sie führen derzeit auch politische Gespräche. Nun flimmern aber auch wieder furchtbare Bilder über die Mattscheiben, die auch viele palästinensische Opfer zeigen. Wie ordnen Sie das ein in den Gesprächen? Drängen Sie da auch die Gesprächspartner zu humanitärer Bewegung, Ihre israelischen Gesprächspartner?

    von Klaeden: Das ist ein selbstverständliches Anliegen. Ich bin aber hier nicht in der Lage, jede Entscheidung des israelischen Generalstabs zu beurteilen, und ich mache hier ausdrücklich auch keine Vermittlungsmission, sondern will mir ein eigenes Bild über die Lage verschaffen. Bei allen schrecklichen Vorgängen, die wir erfahren, glaube ich, müssen wir uns immer wieder klar machen, dass bei der Operationsführung der Hamas und Israels ein grundlegendes unterschiedliches Prinzip vorhanden ist, nämlich dass Israel sich darum bemüht, so viele zivile Opfer auf beiden Seiten wie möglich zu vermeiden, und es Ziel der Operationsführung der Hamas ist, so viele zivile Opfer auf beiden Seiten wie möglich hervorzurufen.

    Das gilt für den Raketenbeschuss auf Israel, der sich ausschließlich gegen die Zivilbevölkerung richtet, und zum zynischen Kalkül der Hamas gehört auch, dass je mehr zivile Opfer durch ihre Kriegsführung, durch den Missbrauch der eigenen Bevölkerung als Schutzschilde in verschiedener Hinsicht hervorgerufen werden man kalkuliert, dass der Protest gegen Israel in der internationalen Gemeinschaft und auch in der arabischen Welt weiter zunimmt. Das ist die zynische Kalkulation der Hamas. Das erklärt nicht und rechtfertigt auch nicht jede Entscheidung des israelischen Generalstabs, die ich wie gesagt ja gar nicht beurteilen kann. Dazu müsste ich in Gaza selber sein. Aber dieser grundlegende Unterschied, den müssen wir uns immer wieder klar machen.

    Ein Fehler, der aus meiner Sicht in Deutschland und in Europa auch immer wieder gemacht wird, ist das Argument, man solle ja direkt mit der Hamas verhandeln, so wie man das auch nach einer Zeit mit der PLO von israelischer Seite getan hat. Mit der PLO ist Israel bereit gewesen zu verhandeln, nachdem die PLO ausdrücklich darauf verzichtet hat, ihre Charta geändert hat und die Existenz Israels anerkannt hat. Dazu ist die Hamas nach wie vor nicht bereit. Die Hamas ist eine Terrororganisation, deren Ziel die Vernichtung Israels ist, und sie ist im Gegensatz zur PLO keine säkulare Organisation, sondern eine religiöse Organisation. Das heißt, sie nimmt für sich in Anspruch, wenn ich das noch sagen darf, dass ihr Programm direkt von Allah diktiert ist, und mit solchen Leuten ist es eben sehr, sehr schwierig zu verhandeln. Gleichwohl ist es mehrfach versucht worden, wie zum Beispiel bei dem Waffenstillstand, der über Ägypten vermittelt war.

    Engels: Herr von Klaeden, Deutschland versteht sich immer als enger Freund Israels. Aber angesichts der Eskalationen, gibt es auch irgendwo Grenzen für die deutsche Unterstützung des israelischen Vorgehens?

    von Klaeden: Selbstverständlich erwarten wir von allen, dass sie sich an das humanitäre Völkerrecht halten und dass sie so verhältnismäßig wie möglich vorgehen. Das sollte uns aber nicht den Blick auf die tatsächliche Situation hier verstellen. Man muss sich vor Augen führen, dass seit 2001 Städte wie Sderot, die ich gestern besucht habe, mit über 6000 Raketen beschossen worden sind. Ich bin selber in der Operationszentrale in Sderot gewesen. Die durchschnittliche Warnzeit dauert 15 Sekunden. Gestern ist es erneut wieder so gewesen, dass einige Raketen eingeschlagen sind und der Alarm erst danach ertönte, weil die Vorwarnzeit so gering ist. Die Hamas hat den Waffenstillstand im Dezember gebrochen und für eine Regierung wie die israelische ist die einzige Alternative angesichts einer solchen Situation zu der Zeit gewesen, gegen die Hamas militärisch vorzugehen. Den Waffenstillstand und die Schließung der Tunnel, die jetzt diskutiert werden, das hätte man auch alles viel früher machen können, aber es ist trotzdem gut, dass es jetzt endlich dazu kommt.

    Engels: Eckart von Klaeden, der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch.

    von Klaeden: Bitte sehr!