Von Kopf bis Fuß das Beste

Zwei abgebrochene Äste als Torstangen und eine Blechbüchse als Ball - so einfach kann Fußball sein. Doch nicht bei der Fußball-Weltmeisterschaft: In der Ausrüstung vom Fußballschuh bis zur Eckfahne steckt Hochtechnologie.

Von Heinz Peter Kreuzer |
    "Hier in Madrid, im Stadion Bernabeu, ist das erste Tor schon vor dem Anpfiff gefallen. Jawohl. Das spanische Tor, es ist einfach umgefallen. Und wir haben von unseren spanischen Kollegen jetzt erfahren, dass man im Augenblick bemüht ist, ein neues Tor heranzuschaffen. Ja, wo gibt’s das? Ist irgendwo in der Innenstadt ein Torgeschäft?","

    fragte ARD-Reporter Manni Breuckmann 1998 bei der Champions-League-Partie zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund. In Madrid war das Tor umgefallen, weil es am Zuschauerzaun befestigt war und 20 Jahre lang die Fans an dem Zaun gerüttelt hatten. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland sind die Ersatztore schon im Stadion, aber sie werden voraussichtlich nicht benötigt, ist sich Tore-Lieferant Wilfried Baaser sicher:

    ""Die Tore haben eine freie Netzaufhängung, das heißt, die Verbindung vom Netz zum Zuschauerzaun besteht nicht mehr. Es sind zwei separate Pfosten, die die Netze halten, es kann also da eine ständige Bewegung am Tor, das eventuell das Tor abbricht wie ein Kupferdraht, den man ständig bewegt, kann heute nicht mehr passieren."

    Baasers Firma Allzweck Sportartikel rüstet alle WM-Stadien mit Toren, Eckfahnen, Spielerbänken und sonstigem Zubehör aus. Auch die Schiedsrichter und ihre Assistenten werden von dem Unternehmen aus Bingen mit allen Utensilien ausgestattet. Seit 1978 ist Baaser Lieferant des Fußball-Weltverbandes FIFA.

    "Und ich habe dann vor der WM Argentinien 1978 eine gute Idee, neue Linienrichterfahnen der FIFA vorzustellen, in fluoreszierendem Rot und Gelb mit einem Kunststoffstag und einem Korkgriff. Die FIFA war so begeistert davon, das sie sofort 100 Stück für die WM in Argentinien bestellt hat, die ich in Frankfurt dem Volker Roth, dem heutigen DFB-Schiedsrichterobmann, übergeben habe."

    Die lieferte Baaser noch umsonst, der Auftrag für die WM 2006 bringt ihm eine halbe Million Euro und viele Folgeaufträge. Sein Unternehmen hat in der Vergangenheit viele Dinge neu entwickelt, unter anderem die Funkfahnen für die Linienrichter. 1982 gab es ebenfalls eine Neuheit aus Rheinland-Pfalz, auch die Eckfahnen wurden mit leuchtenden Fahnen versehen.

    "Da kamen Eckstangen dazu, in fluoreszierendem Gelb mit rotem Tuch, ebenfalls fluoreszierendem Rot, das war so toll, man konnte also diese Stangen bei jedem Spielzug erkennen. Das also die FIFA beeindruckt war und diese Farben sogar ins Regelwerk übernommen haben. "

    Für die machte 1986 sogar Weltstar Diego Armando Maradona Werbung.

    "Und zwar hat sich Maradona über den Schiedsrichterassistenten geärgert, nahm unsere Eckstange, riss sie aus dem Boden, und warf sie weg. Dabei flog die Fahne noch separat weg. Der Linienrichter sagte: 'Nee, nee, mein Freund, so geht das also nicht, stell die Fahne wieder auf.' Maradona nimmt die Fahne und stellt sie ins Loch rein. 'Nee, nee, da liegt immer noch die Fahne auf dem Boden.' Maradona nimmt dann die Fahne und legt sie auf die Stange drauf. Da war der Linienrichter immer noch nicht zufrieden, er musste also wie ein Kondom die Fahne über die Stange ziehen. Und das Fernsehen war voll dabei, richtete die Kamera darauf und unser Firmenzeichen war so gut zu sehen. Und das ging ja minutenlang, das war für mich etwas, da ging das Herz auf. "

    Normalerweise verzückte Maradona die Fußballfans mit seinen Zaubertricks am Ball. Dieser wird für jede WM neu erfunden, alle vier Jahre heißt es: Das ist der beste, der je hergestellt wurde. Manfred Drexler, ehemaliger Bundesligaprofi und heute Servicemann des Nationalmannschaftsausrüsters, kann sich noch an die Zeiten erinnern, als die Kugel noch aus Leder war:

    "Wenn Sie nur den Spielball anschauen, früher war das ein genähter Lederball, der dann noch zwei so Schleifchen oben gehabt hat. Wenn man dann geköpft hat, dann hat man hier eine Druckstelle gehabt."

    Nur die Torhüter sind nicht so glücklich mit den neuen Bällen, wie Nationalmannschaftskeeper Jens Lehmann:

    "Der Ball ist sehr schnell, bei Regen ist er vielleicht für Torleute nicht so angenehm, weil er sehr schnell ist und dann anfängt zu flattern. Aber sowohl adidas als auch Nike tendieren ja auch immerhin dazu, den Ball für die Torleute so zu gestalten, dass sie oft schlecht aussehen. Es ist ja ein Ball, der ja für die Zuschauer und die Spieler an Attraktion gewonnen hat, nicht unbedingt für die Torleute."

    Nicht nur für die Herstellung der Bälle, auch für die Spielkleidung wird High-Tech eingesetzt. Das war früher anders, erinnert sich Drexler, der in diesem Sommer seine sechste Weltmeisterschaft als Servicemann erlebt:

    "Früher hat man natürlich mit Baumwolltrikots gespielt, man hat es dann gesehen, wenn es warm war, waren die Trikots verschwitzt, sie haben dunkle Ränder. Heute hat natürlich adidas Funktionsmaterialien in den Trikotagen, der Schweiß wird nach draußen abtransportiert, ohne dass das Hemd nass ist, das ist schon ein Riesenvorteil."

    Die großen Ausrüsterfirmen rüsten heute auch die Schiedsrichter aus, gelb, grün oder rot sind die modernen Hemden. In den 70er Jahren zu seiner aktiven Zeit musste sich jeder Unparteiische seine Kleidung zusammensuchen, erzählt Unternehmer Baaser, bis 1980 als Linienrichter in der Bundesliga aktiv:

    "Ich habe damals mein schwarzes Hemd bei C&A in einem Wühltisch geholt für zehn Mark und habe mir eine dunkelblaue Tennishose geholt, die ich schwarz gefärbt habe. Beim nächsten Regen lief mir natürlich die schwarze Brühe die Beine herunter, das sah schlimm aus, aber so hat man sich damals das Material zusammengekauft."

    Schiedsrichter wie Spieler benötigen auch gute Schuhe, die nach Meinung von Drexler eine Entwicklung von der Steinzeit ins High-Tech-Zeitalter hinter sich haben.

    "Früher hat man ja noch mit Stahlkappen vorne drin gespielt, das wäre heute ja auch verboten. Wenn sie heute Fußballschuhe anschauen, das sind eigentlich High-Tech-Produkte, die auf dem neuesten Stand sind. Die Schuhe sind heute um 40 bis 50 Gramm leichter als die alten Schuhe. Wir haben natürlich auch viele Spieler, die einen Sonderschuh haben, nach Abdruck, der bestellt ist, weil die Passform, da muss ja alles stimmen. "

    Den aktuellen Nationalspielern werden Schuhe und Kleidung auf den Leib geschneidert, Zeugwart und Physiotherapeut erfüllen jeden Wunsch. Ein Fritz Walter, Kapitän der Weltmeistermannschaft von 1954, musste noch selbst Hand anlegen:

    "Liebe Freunde, das Fußballspiel beginnt ja eigentlich schon in der Kabine, und zwar mit dem Anlegen der Bandage. Es gibt hier zwei Möglichkeiten, einen fertigen Knöchelschützer oder aber, so wie ich es gemacht habe, eine elastische Binde, um den Knöchel einen festen Halt zu geben. Man ist ja sehr oft in Zweikämpfe verwickelt, dann kommt der Schienbeinschützer, den ich unter den Strumpf schiebe. Dabei empfehle ich euch, nimmt keine dicken Wollsocken, um das Ballgefühl nicht zu stören."

    Auch in der heutigen Zeit gewinnt nicht die hochtechnisierte Ausrüstung ein Spiel, sondern das fußballerische Können, ist Servicemann Drexler überzeugt.

    "Entweder kann man einen Ball stoppen oder man kann ihn nicht stoppen."