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Von Liebe, Kunst und wunderbaren Begegnungen

Ein Mann und eine Frau philosophieren in Abbas Kiarostamis "Die Liebesfälscher" über das Leben, die Kunst und die Liebe. Ebenfalls um Liebe geht es in dem Drama "Restless" von Gus van Sant. Und in Christian Züberts "Dreiviertelmond" findet ein alter Taxifahrer durch die Begegnung mit einem türkischen Mädchen neuen Lebensmut.

Von Jörg Albrecht |
    "Der Liebesfälscher" von Abbas Kiarostami

    "Einige von Ihnen werden vielleicht wissen, dass ich die Idee zu meinem Buch in Florenz hatte ... bin ich wieder zurück in der Toskana und habe die Möglichkeit, Ihnen die Früchte dieser Arbeit zu präsentieren."

    Ein britischer Schriftsteller hat mit "Copie conforme" ein Buch über Originalität in der Kunst geschrieben. "Copie conforme" – also "gleichlautende Kopie" – heißt auch Abbas Kiarostamis Film im Original. Sein deutscher Titel "Die Liebesfälscher" bezieht sich bereits auf die beiden Hauptfiguren. Ihre Beziehung zueinander wird bis zum Schluss im Unklaren bleiben. Die Frage, die nicht beantwortet wird: Verbringen William Shimell in der Rolle des Schriftstellers und die von Juliette Binoche gespielte Kunstexpertin ihren ersten gemeinsamen Tag oder aber sind sie womöglich schon seit Langem ein Ehepaar, das sich über die Jahre auseinander gelebt hat? Vielleicht aber spielen sie beide auch nur eine Rolle.

    "Die Cafébesitzerin meinte: Das Einzige, was im Leben zählt, ist, dass man einen Ehemann hat. Und du als schlechter Ehemann könntest doch ab und zu mal da sein. – Nein, warte! Es ist nicht fair von dir, mir die Rolle des abwesenden Elternteils zu geben. Aber du sagst, dass es Zeiten gibt. In deinem Fall ist das allerdings ständig."

    Anfangs auf der Fahrt im Auto, später dann beim Spaziergang durch das malerische Städtchen San Gimignano führen die zwei Gespräche über das Leben und die Liebe. Diese werden mit philosophischen Betrachtungen garniert, die immer wieder auf das Buch anspielen. Auf die Wahrnehmung von Kunst, auf den Unterschied zwischen Original und Kopie. Es soll sich ein doppelbödiges Spiel entwickeln. Doch fehlt es dieser sperrigen Versuchsanordnung schlicht an der Pointe, die einem geschwätzigen Drehbuch Sinn geben könnte. Schön war es für die Beteiligten in der Toskana aber gewiss.

    "Die Liebesfälscher" von Abbas Kiarostami – enttäuschend.

    "Restless" von Gus van Sant

    "Kenne ich dich? – Kennt hier irgendjemand dich? Man trägt mittlerweile bei so was nicht mehr schwarz. Die Leute tragen heutzutage gern etwas Farbenfrohes. – Ich habe nichts Farbenfrohes."

    Auf dem Friedhof sind sich Annabel und Enoch begegnet. Gespielt werden sie von den Jungstars Mia Wasikowska und Henry Hopper. Nach dem Unfalltod seiner Eltern zieht es Enoch immer wieder auf Beerdigungen als Zaungast. Auch für Annabel ist der Tod allgegenwärtig. Die junge Frau hat sich mit der Diagnose Krebs im Endstadium und ihrem kurz bevorstehenden Tod abgefunden. Nicht so aber Enoch. Er, der sich in Annabel verliebt hat, kann und will das Schicksal nicht akzeptieren.

    "Ich wünschte, ich könnte mehr für dich tun. Eine Reise zu den Galapagos-Inseln. Oder es Frühling werden lassen oder so was. ... Du hast genug getan. – Echt? – Ja. – Schwörst du?"

    Wenn nach Wutausbrüchen und Trotzreaktionen in Enoch die Erkenntnis heranreift, dass es im Leben immer darum geht, den Augenblick zu nutzen, ist "Restless" genauso seicht, vorhersehbar und sentimental wie so viele andere Liebestragödien. "Love Story" lässt grüßen. Nach seiner glänzenden Filmbiografie über den Politiker und Bürgerrechtler Harvey Milk hat Gus van Sant jetzt einen klischeehaften und überraschend konventionellen Film gedreht.

    "Restless" von Gus van Sant – enttäuschend.

    "Dreiviertelmond" von Christian Zübert

    "Guten Tag! – Wobei, bei uns sagt man ja eher, grüß Gott! Ich habe ihr nur gesagt, dass sie jetzt eine echte Bayerin ist. – Oh, da müssen Sie aber aufpassen. Wir sind nicht in Bayern, sondern in Franken."

    Genau gesagt in Nürnberg, wo Hartmut Mackowiak schon sein Leben lang Taxi fährt. Bis vor Kurzem war für Mackowiak, den Elmar Wepper spielt, die Welt noch in Ordnung. Doch dann hat ihn seine Frau verlassen, um sich nach mehr als 30 Ehejahren eine Auszeit zu nehmen. Er könne das nicht begreifen, erzählt der Taxifahrer der erwachsenen Tochter. Schließlich habe er ihrer Mutter doch gerade erst eine nagelneue Küche gekauft. Die Aussicht auf einen einsamen Lebensabend macht aus Mackowiak einen Griesgram. Eines Abends sitzt das kleine türkische Mädchen von der Fahrt vor einigen Tagen plötzlich wieder bei ihm im Wagen.
    "Was machst denn du hier? Erzähl keine Romane! Ich verstehe das sowieso nicht. Hallo, Kopftuchmädchen! Hey, hallo!"

    Hayat, die kein Wort Deutsch spricht, ist ganz auf sich allein gestellt, nachdem ihre Großmutter ins Koma gefallen und ins Krankenhaus eingeliefert worden ist. Eigentlich sollte das Mädchen bei der Oma wohnen, solange seine Mutter beruflich unterwegs ist.

    Schon oft hat das Kino zwei vollkommen gegensätzliche Menschen zusammengeführt. Und selten war die Kombination so erfrischend, sympathisch und herzerwärmend wie hier. Mackowiak wird sich um die Kleine kümmern und ganz beiläufig neuen Lebensmut gewinnen. "Dreiviertelmond" ist ein berührender, niemals aber rührseliger Film, der von leiser Komik durchzogen ist. Und der 67 Jahre alte Wepper und die siebenjährige Mercan Türkoglu geben ein hinreißendes Duo ab.

    "Dreiviertelmond" von Christian Zübert – empfehlenswert.