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"Von Manipulationen gewusst"

Die Unterlassungsklagen von Burckhard Bremer, dem Sportdirektor beim Bund Deutscher Radfahrer, gegen den Saarländischen Rundfunk und den Bundestagsabgeordneten Peter Danckert sind von der Pressekammer des Landgerichts Hamburg abgewiesen worden.

Von Ralf Meutgens | 29.08.2010
    Bremer hatte sich gegen Inhalte eines Online-Beitrags des Saarländischen Rundfunks und eines Interviews von Danckert im Deutschlandfunk presserechtlich zu Wehr gesetzt. In beiden Fällen war dargestellt worden, dass Bremer von Manipulationen bei Radsportlern gewusst, die Fälle aber verschwiegen habe.

    Schon im Frühjahr war ein Unterlassungsbegehr von Bremer in einer Berufungsverhandlung gegen den Bundestagsabgeordneten Winfried Hermann vom Kammergericht Berlin abgewiesen worden. Die Richter kamen zu dem Urteil, dass Bremer daran mitgewirkt habe, den Dopingverdacht gegen einen Radsportler im Jahre 2004 zu vertuschen.

    Vor der Pressekammer in Hamburg war Peter Weibel, der frühere Bundestrainer des Bundes Deutscher Radfahrer, als Zeuge gehört worden. Die dortige Kammer ist dafür bekannt, den Schutz des Persönlichkeitsrechtes als sehr hoch einzustufen. Die Richter werteten Weibels Aussagen als sachlich, nüchtern und glaubhaft. Einen Irrtum oder eine bewusste Falschaussage schlossen sie aus. Insbesondere, weil sich Weibel durch seine Aussage teilweise selbst belaste.

    Weibel bestätigte den Wahrheitsgehalt der von Bremer widersprochenen Berichterstattung. Er, Weibel, habe Bremer als seinen Vorgesetzten über die auffälligen Blutwerte des Radprofis Sinkewitz informiert, die von den Verbandsärzten festgestellt worden waren. Die Rad-Mediziner hätten dann versucht, die Blutwerte durch so genannte Plasmaexpander und Glukoseinfusionen in einen normalen Bereich zu bringen. Die Verabreichung von Plasmaexpandern ist eine verbotene Dopingmethode. Als das misslang, sei man übereingekommen, den Sportler wegen einer angeblichen Grippe nach Hause zu schicken.

    Das Verfahren gegen den grünen Bundestagsabgeordneten Winfried Hermann hatte auf einen anderen Dopingfall aus dem Jahr 2000 abgezielt. Die Hamburger Kammer sah ein erhebliches öffentliches Interesse an diesen Sachverhalten. Bremer sei von Berufs wegen mit der Materie vertraut. Erhöhte Blutwerte seien klare Hinweise auf Doping, insbesondere, weil man als Konsequenz den Radsportler mit der Begründung einer Erkrankung nach Hause geschickt habe. Eine Berufung gegen die Urteile ist möglich.

    Den Bund Deutscher Radfahrer ficht das alles offenbar nicht an. Bremer war nach einem Vorschlag aus Berliner Radsportkreisen 2008 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden. Den Orden erhielt er wegen seiner Verdienste im Radsport. In der Begründung wird ihm Fachwissen und Verantwortungsbewusstsein attestiert.

    Nun steht nach dem Urteil von zwei unterschiedlichen Gerichten fest, dass Bremer in zwei Fällen daran mitgewirkt hat, dopingrelevante Informationen zurückzuhalten und einen Dopingfall zu vertuschen, anstatt den Hintergründen nachzugehen.

    Für eine förmliche Entziehung eines Ordens setzt der Paragraph 4 eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe voraus. Man hat bei der Verabschiedung des Gesetzes über Orden offenbar schlichtweg vergessen, den besonderen Verhältnissen im Sport mit Doping als der denkbar größten und eine seriöse Ehrung völlig konterkarierende Verfehlung Rechnung zu tragen. Eine Anfrage an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages für eine entsprechende Änderung ist auf dem Weg.

    Bremer genießt bis zu seiner Rente einen offensichtlich sehr gut dotierten Vier-Jahres-Vertrag als Sportdirektor des Bundes Deutscher Radfahrer. Obwohl der aus öffentlichen Mitteln bezahlt wird, hat man sich über das Gehalt bislang konsequent ausgeschwiegen. Eine Anfrage an die Bundesregierung bezüglich Bremer, des Umgangs mit diesem Fall, seines Gehalts und einer möglichen Rückforderung durch das Innenministerium hat der Bundestagsabgeordnete Hermann auf den Weg gebracht.

    Der Fall Bremer wirft darüber hinaus mindestens eine weitere Frage auf: Warum wurde diesem Treiben von Verbandspräsident Rudolf Scharping nicht längst ein Ende gesetzt, anstatt den Mann weiter zu protegieren? Zwar will der BDR die Sache jetzt juristisch unabhängig, wie er behauptet, prüfen lassen. Doch arbeitsrechtlich wird vermutlich nicht viel geschehen. Denn die Fakten waren bei Bremers Vertragsabschluß bzw. seiner Vertragsverlängerung hinlänglich bekannt.