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Von ''Mekka'' zu ''Mokka''

Passt die Türkei in die EU - diese Frage, die derzeit immer wieder gestellt wird, scheint im Zusammenhang eines kleinen Vorfalls am Essener Folkwang-Museum viel zu groß zu sein. Da wird gerade die Ausstellung ''Klopfzeichen: Kunst und Kultur der achtziger Jahre in Deutschland'' gezeigt. Darunter drei Skulpturen von Georg Herold, Drahtgestelle mit Unterhosen. Die Figuren mit den weißen Unterhosen heißen ''Kahler Asten'' und ''Kleiner Bernhardiner'', die mit der schwarzen ''Mekka''. Die Arbeit ist 18 Jahre alt, schon oft gezeigt, aber nie beanstandet worden: bis jetzt.

Hubertus Gassner, Museumsdirektor, im Gespräch |
    DLF: Mitglieder der muslimischen Gemeinden in Essen fühlen sich in ihren religiösen Empfindungen verletzt. Sie haben gedroht, die Skulpturen zu zerstören, forderten ein Gespräch mit dem Direktor des Museums, Hubertus Gassner. Dieses Gespräch haben sie auch bekommen, worauf das Namensschild, Mekka, durch ein anderes ersetzt wurde. Auf dem neuen steht anstatt Mekka Mokka. Ich stelle die Frage an den Museumsdirektor, Hubertus Gassner. Sind die muslimischen Kritiker mit Mokka einverstanden?

    Gassner: Ich hatte den Vertretern der muslimischen Gemeinden, es waren sechs Gemeinden, die jeweils einen Vertreter und den Sprecher der Ausländer geschickt hatten, dieses vorgeschlagen, nachdem ich mit Georg Herold darüber gesprochen hatte. Er fand die Idee gut, weil ihm Sprachspiele sehr liegen. Man hat sich dann einen Moment Bedenkzeit erbeten. Der Sprecher der Ausländer hat dann mit dem Religionsbeauftragten der Türken gesprochen. Dann haben sie mich angerufen und gesagt, dass sie einverstanden sind.

    DLF: Wie massiv waren denn die Proteste?

    Gassner: Die Vertreter der Gemeinden sagten mir, ich könnte mir nicht vorstellen, was es für eine Aufruhr gegeben habe. Es stünden also Tausende hinter ihm, die die sofortige Beseitigung oder auch mehr als dieses verlangen. Das Problem war, dass diese Skulptur offensichtlich gefilmt worden ist. Es ist ja jetzt das heilige Jahr, wo Mekka eben als Pilgerstätte eine besondere Rolle spiel. Da hat man in den Gemeinden überall diesen Film vorgeführt, so dass es zu einem Aufruhr gekommen ist. Man hat den Film da gezeigt, wo man sich zum Gebet versammelt hat. Er wurde dann auf breitester Basis als Blasphemie verdammt. Die Vertreter sind dann eigentlich nur geschickt worden, um die Stimme der muslimischen Gemeinden vorzutragen. Die das gemacht haben, waren eigentlich sehr moderat. Aber man merkte den Druck, der dahinter stand.

    DLF: Sind denn dann auch die Gespräche, die am letzten Dienstag stattgefunden haben, moderat verlaufen?

    Gassner: Ja, das kann man so sagen. Ich habe erst einmal zur einer Skulptur eine historische Einleitung gegeben. Ich habe erklärt, was der Okzident dem Orient seit dem Mittelalter verdankt und dass es eine große islamische Kultur gibt, dass es da aber im Unterschied zu uns, in dem Sinne keine Aufklärung gegeben hat. Ich kann das aber auch verstehen. Das ist ja eine Kultur, wo die Kunst die Dienerin der Religion ist. Bei uns sind ja spätestens seit dem 18. Jahrhundert Kunst und Religion getrennt. Da ergeben sich natürlich auch Probleme. Wir dürfen in der Kunst etwas machen, auch die Religion kritisieren. Das ist der Kultur seit der Aufklärung möglich. Im Islam ist das einfach nicht so.

    DLF: Sind denn Ihre Erklärungen verstanden worden?

    Gassner: Ja, sie sind verstanden worden. Man hat gesagt, dass wir tun können, was wir wollen, sofern es sich um unsere Kunst und Kultur handelt. Nur wir dürfen eben nicht mit unserem Kunstverständnis fremde Religionen beleidigen.

    DLF: Da möchte man die Trennung dann doch nicht haben.

    Gassner: Nein, das war mir auch von vorne herein klar. Man kann unseren Kunstbegriff, der ja nun über 200 Jahre oder seit der Renaissance gewachsen ist, nicht einfach so übertragen. Das sind dann objektive kulturelle Konflikte.

    DLF: Also an diesem Konflikt wird für Sie schon diese kulturelle Kluft zwischen dem säkularen Westen und der islamischen Welt deutlich.

    Gassner: Ja, dafür war das aber eine sehr friedliche Auseinandersetzung.

    DLF: Andererseits gab es ja auch vor einigen Jahren eine Kritik strenger Christen, die vehement gegen Martin Scorseses Film 'Die letzte Versuchung Christi' protestiert hatten. Manche Kinos sind ja sogar besetzt worden.

    Gassner: Es steht mir jetzt eine zweite Klage ins Haus. Ein Herr René Hoffmann hat einen Brief an den Oberbürgermeister geschrieben, weil es hier eine Fotographie gibt. Das ist eine alte Frau ohne Beine, die nackt auf einem Bett im Krankenhaus liegt. Dann gibt es eine Geburtsszene, die aufgenommen ist, wo man die Frau ohne Kopf sieht. Die Geburt hat darauf gerade stattgefunden. Dieser Herr hat jetzt bei der Staatsanwaltschaft gegen mich Anklage wegen jungendgefährdender Pornographie und Verunglimpfung der Menschenwürde erhoben. Also die Toleranz scheint bei uns im Staat gegen Null zu gehen.

    DLF: Nun ist ja diese Mekka-Zettel angeblich nur mit dem Mokka-Zettel überklebt. Das Wörtchen Mekka soll angeblich noch durchscheinen. Ist das ein Zufall, ein Witz oder Provokation oder ein künstlerisches Minihappening zum Thema interkultureller Dialog?

    Gassner: Ja, also es ist schon so, denn ich habe mir genau überlegt, was wir denn nehmen. Mokka ist ja auch eine Stadt in Arabien. Sie haben sozusagen die Städte ausgetauscht. Mokka ist aber der schwarze Kaffee. Das passt wunderbar zu der schwarzen Hose und es bleibt im arabischen Bereich. Mekka ist, das habe ich versucht, den muslimischen Gemeinden klar zu machen, bei uns ja gar nicht so mit der Religion verbunden. Mekka ist bei uns eher ein Paradies für alles Mögliche. Wenn man also eine Unterhose mit Mekka tituliert, dann geht das eher in Richtung Lust, Erotik, Sexualität. Mokka hat ja nun auch etwas mit Genuss zu tun.

    DLF: Vielen Dank, Herr Gassner!

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