Archiv


Von neuen Besen

Mit der Hamburger Kunsthalle steht es nicht zum Besten: Die Kuratorenstelle für zeitgenössische Kunst war über ein Jahr lang nicht besetzt: Jetzt ist es zwar wieder, aber trotzdem sehen Kritiker die bisher zweieinhalbjährige Amtszeit von Direktor Hubertus Gassner als Phase der Stagnation. Seinen überregionalen Ruf habe das Museum eingebüßt. Die Probleme scheinen nicht nur finanzieller, sondern auch politischer Natur zu sein.

Von Carsten Probst |
    "Ich fühle mich hinreichend, aber nicht ausreichend unterstützt, um es mal so zu sagen, "

    lautet der zwar diplomatische, aber am Ende doch eindeutige Kommentar von Kunsthallendirektor Hubertus Gassner an die Adresse des Hamburger Senats. Die prekäre Situation der Kunsthalle wie auch der weiteren fünf großen Hamburger Museen ist offenbar, und es gibt mittlerweile nicht wenige, die dafür direkt die Hamburger Politik verantwortlich machen.

    "Das, was sich mir jetzt darbietet in den beiden großen Museen an Schwierigkeiten, an Engpässen, an Abstürzen auch in riesige Schuldenlasten und so weiter, führe ich, und ich bin nicht der einzige, auf diese Sache mit der Stiftung zurück, also diese - angeblich - diese Lösung von allen Problemen und Befreiung von allen Zwängen. Ich hab das nie so gesehen. "

    Sagt zum Beispiel Werner Hofmann, Hamburgs großer alter Museumsmann, der die Kunsthalle während seiner langjährigen Amtszeit in ihrer überregionalen Ausstrahlung maßgeblich geprägt hat.

    Die "Sache mit der Stiftung", auf die er anspielt, ist die Überführung der Hamburger Museen in öffentliche Stiftungen, die 1999 vollzogen wurde und als die große Lösung aller alten Schuldenprobleme der Hamburger Kunsthäuser galt. Auch an der Kunsthalle hieß es damals voller Optimismus, nun könne man viel unabhängiger und erfolgreicher wirtschaften. Hubertus Gassner hat, als er sein Amt vor zweieinhalb Jahren in Hamburg antrat, selbst noch zu den Verfechtern dieser Stiftungslösung gehört.
    "Das war eine richtige Entscheidung. Es war keine richtige Entscheidung, es unterzufinanzieren, und es war keine richtige Entscheidung, eine Stiftung ohne Stiftungskapital zu gründen. Da geht es um mindestens 50 Millionen, die wir brauchen eigentlich, dass wir die Unterfinanzierung durch die Gewinne über das Stiftungskapital decken könnten. Wenn wir eine Million im Jahr Verlust machen ungefähr, wenn wir ausrechnen, dass wir fünf Prozent Lohnsteigerung haben im Jahr, fünf Prozent Energiesteigerung, fünf Prozent Bewachungskosten im Jahr, dann wird mir einfach ganz schwindelig, dann sind wir in ein paar Jahren wieder bei mehreren Millionen. Wer das auffangen soll, ist mir völlig rätselhaft, und da weiß auch keiner eine Lösung eigentlich dafür."

    Die Träume von größerer Unabhängigkeit und erfolgreichem Wirtschaften haben sich demnach in Hamburg gründlich zerschlagen. Leidtragende sind die Museen selbst. Ohne festes Stiftungskapital, das die Defizite des laufenden Betriebs auffangen kann, läuft das Modell langsam aber sicher auf Grund. Doch Gassners Enttäuschung reicht mittlerweile weiter. Bei seinem Amtsantritt, so sagt er, habe er nichts gewusst vom chronischen, strukturellen Defizit bei den Hamburger Museen, das offenbar bereits seit vielen Jahren besteht und nicht behoben werden kann, sofern es keine ausreichende Erhöhung des Budgets gibt.

    Zwar sei die Kunsthalle von ihren 4,5 Millionen Euro Altlasten entschuldet, das Jahresbudget um 1,2 Millionen erhöht worden, erkennt Gassner an, aber das reiche, wie man heute weiß, bei weitem nicht aus, um nur den Betrieb zu sichern.

    Zudem gebe es nach dem Verkauf des Kunsthallengebäudes an eine private Holding immer wieder Streit um die Zuständigkeit für die Kosten der notwendigen Sanierung des Gebäudes. Die neuen Besitzer des Hauses wollen diese offenbar teilweise an den Senat abwälzen. Das aber würde das Kunsthallen-Budget wiederum massiv schmälern. Gassner deutet einen Wirrwarr bei den Abrechnungen an, den niemand mehr durchschaue, der aber durchaus Potential genug für einen mittleren Skandal in sich trägt.

    Die Lage ist unübersichtlich. So muss der Kunsthallendirektor seit geraumer Zeit ohne Ausstellungs- und Ankaufsetat auskommen. Die Stelle des Kurators für die Galerie der Gegenwart wurde demonstrativ erst kürzlich, nach einem Jahr seit dem Weggang von Christoph Heinrich, wieder besetzt - weil man sparen und dies auch zeigen wolle.

    Nicht alle in Hamburg sind glücklich mit diesem Krisenmanagement des Direktors, der als Mann für das 19. Jahrhundert und Verfechter eines bürgerlichen Begriffs von Kunstmuseen gilt. Die überregionale Ausstrahlung des Museums habe unter seiner Amtszeit gelitten, hört man aus dem Umkreis der Kunsthalle, weil das Haus und sein Programm nicht mehr zeitgemäß wirke. Doch Gassner ist kein Freund von großen Events und versucht durchaus bewusst gegenzusteuern gegen einen immer stärker nach Sensationen gierenden Kunstbetrieb. Und spektakuläre Ausstellungen würden die tiefgehende Krise des Hauses vermutlich auch kaum lösen, sondern am Ende noch ablenken von der Verantwortung der Hamburger Politik.