Deren Basis waren allzu häufig amerikanische Hypothekendarlehen mit hohem Ausfallrisiko. Und die brechen jetzt weg, weil die Schuldner in Zeiten steigender Zinsen ihre Raten nicht mehr abzahlen können - und zu all dem noch die Preise für die Häuser in den USA fallen. Doch diese "Subprime"-Krise, wie sie in der Bankersprache heißt, hat tiefe Ursachen, die schon Jahre zurückliegen. Ausgangspunkt der aktuellen Verwerfungen sind die Terroranschläge des 9. September 2001, meint Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank:
" Die amerikanische Notenbank hat nach den Anschlägen im Jahre 2001 die Liquidität sehr stark ausgeweitet, die Zinsen massiv gesenkt auf ein Prozent, und das hat natürlich Anreize geschaffen, insbesondere bei den amerikanischen Konsumenten, sich zu verschulden, um das Geld dann in den Immobilienmarkt zu stecken, getrieben von der Hoffnung, von Preissteigerungen der Immobilien profitieren zu können."
Dieses billige Geld führt zu großen Verlockungen. Nur so ist es möglich, dass amerikanische Hypothekenfinanzierer in der Folge mit aggressiven Verkaufsmethoden kleine Gelegenheitsarbeiter in Texas überreden, sich eine Immobilie zuzulegen - obwohl sie es sich eigentlich kaum leisten können. Die Auswirkungen sind in diesen Tagen zu spüren: Ein Hypothekenfinanzierer nach dem anderen meldet in den USA Insolvenz an. Inzwischen gibt es sogar Gerüchte um Finanzierungsschwierigkeiten einer der größten Hypothekenbanken des Landes: Countrywide Financial.
Um ihre Risiken gering zu halten, lassen sich die Hypothekenbanken aber einiges einfallen. So verkaufen sie ihre Kredite an Investmentbanken, die sie wiederum zu neuen Paketen zusammenschnüren und ihrerseits auf dem Kapitalmarkt verkaufen. Der kleine Kredit des texanischen Gelegenheitsarbeiters tritt also eine große Reise rund um die Welt an. Und diese Papiere finden reißenden Absatz. Wegen des höheren Risikos werfen sie auch höhere Zinsen ab als herkömmliche Anleihen. Das Spekulationsrad an den Finanzmärkten wird also immer schneller gedreht. Detlev von Larcher vom globalisierungskritischen Netzwerk attac sieht deshalb strukturelle Gründe für die aktuelle Krise:
" Die eigentliche Ursache liegt in der Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte, die dazu führen, dass Finanzjongleure praktisch ganz hochrisikoreiche Geschäfte tätigen, immer neue Geschichten erfinden, und das ist dann die eigentliche Ursache der Finanzkrise, wenn diese Geschäfte ins Stottern kommen."
An diesem Rad wollen alle drehen - auch wenn es deutlich zu groß ist. So hat sich die bis dahin als solide geltende deutsche Mittelstandsbank IKB damit komplett übernommen. Als sie vor zwei Wochen zugeben musste, dass sie sich gewaltig verspekuliert hat, dass sie mit 3,5 Milliarden Euro Verlust aus diesen Geschäften rechne, da geht eine erste Erschütterungswelle durch den deutschen Markt. Börsianer sind entsetzt. Dieter Hein vom unabhängigen Analysehaus "fairesearch":
" Das ist natürlich ein Schlag ins Gesicht des Kapitalmarktes, und was momentan ist, ist eigentlich ein Desaster für die IKB."
Schnell schnüren die Banken unter Leitung der Deutschen Bundesbank ein Rettungspaket, damit eine Pleite verhindert werden kann. Damit wird eine Bankenkrise in Deutschland zunächst vermieden, aber der Bürger dürfte die Auswirkungen doch spüren, meint Detlev von Larcher von attac:
" Wenn so was passiert, und die Banken gerettet werden durch öffentliche Gelder, da muss man wissen, das sind wir Steuerzahler, die dann praktisch für die Finanzjunkies einspringen müssen."
Seit der IKB-Schieflage erreichen die Börsianer fast täglich neue schlechte Nachrichten vom direkten oder indirekten Engagement der Banken im amerikanischen Hypothekenmarkt. Die Postbank etwa nennt für ihr Engagement ein Volumen von 600 Millionen Euro, die WestLB eines von 1,25 Milliarden, und auch die öffentlich-rechtliche Sachsen-LB soll über eine Zweckgesellschaft fast 13 Milliarden Euro dort investiert haben. SachsenLB-Sprecher Frank Steinmeyer versichert zwar:
" Wir haben keine Anzeichen für erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeiten, die Papiere sind alle Triple A gesichert, und wir haben keine Liquiditätsprobleme."
Doch das behaupten auch die anderen Banken. Sie äußern sich überzeugt davon, dass sie in gut abgesicherte Papiere investiert hätten und allenfalls geringe Verluste zu erwarten seien: Die Commerzbank hat deshalb 80 Millionen, die Dresdner Bank 70 und die Postbank 33 Millionen Euro zurückgestellt. Die Deutsche Bank beziffert ihr Engagement nicht, kann allerdings mit einer Bilanzsumme von gut einer Billion Euro auch zunächst einige Risiken verkraften. Doch vor allem öffentlich-rechtliche Institute wie die SachsenLB sollten auf das Zocken lieber verzichten, meint Wolfgang Gerke, Professor der Universität Erlangen-Nürnberg:
" Auch eine Landesbank muss schauen, wie viel Geld sie in einzelne Risiken hineinstecken kann, und wenn die Sächsische Landesbank 20 Milliarden beim Immobilien-Risiko investiert, dann mögen das noch gute Immobilien sein, dann ist das einfach in Relation zur Bank zuviel."
Auch die Bankenaufsicht musste sich in den vergangenen Wochen vorwerfen lassen, sie habe nicht richtig hingeschaut. Das sieht der designierte Wirtschaftsweise Gustav Horn allerdings nicht so. Er ist Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung:
" Die Bankenaufsicht funktioniert in Deutschland, aber diese Risiken waren einfach versteckt in bestimmten Anlagefonds, so dass die Banken es ja selber nicht einmal gemerkt haben, welche Risiken in ihren Portefeuilles haben, sie haben sich einfach blind auf Rating-Agenturen verlassen, und das ist ein sehr großer Fehler gewesen, denn diese Agenturen wirken offensichtlich nicht so wie sie es tun sollten."
Die Rating-Agenturen sind die Bonitätsprüfer auf den Finanzmärkten. Auf ihre Notengebung verlassen sich die Börsianer und Investoren. Doch oft reagieren sie spät - viele behaupten, zu spät - auf Veränderungen im Riskio. Dieter Hein von "fairesearch":
" Bei vielen Krisen in der Vergangenheit ist aufgefallen, dass Rating-Agenturen ihre Ratings erst runtergenommen haben, als die Krise schon da war, nicht davor. Auf der anderen Seite sind die Ausfallraten bei diesen Anleihen in den vergangenen Jahren auch deutlich zurückgegangen, und von daher sind auch die Zinsen zurückgegangen. Also von daher kann man eigentlich erst reagieren, wenn man Indikationen hat, dass die Ausfälle höher werden, nachdem diese Konstrukte, die so genannten "Subprime" relativ riskant war, hätte man auch vorher reagieren können, aber das hat man nicht, ist auch schwierig in dieser Situation."
Jetzt will sogar die Europäische Kommission prüfen, ob die Rating-Agenturen zu spät vor den Problemen im amerikanischen Markt für zweitklassige Hypothekenkredite gewarnt hätten - und sie erwägt gegebenenfalls gesetzliche Regelungen. Doch die Unsicherheit müssten sich die Finanzinstitute auch zum Teil selbst zuschreiben, meint Hein:
" Die Institute legen die Risiken nicht richtig offen, und wenn sie dann offengelegt werden, werden sie auch nicht immer entsprechend bewertet."
Aus Vertrauen ist in den letzten Wochen Misstrauen geworden - auch der Banken untereinander. Und dabei vergessen sie die sonst übliche Unterscheidung - alles wird in einen Topf geworfen, sagt Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz-Dresdner-Gruppe:
" Wir werden wieder zu einer differenzierteren Betrachtung auch der Risken kommen. Jetzt in den letzten Tagen sind ja doch alle möglichen Produkte abgestraft worden, die eigentlich sehr solide sind. Natürlich gibt es bei vielen der Spezialanleihen, um die es hier geht, große Bewertungsprobleme, so dass es nicht ganz klar ist, wie werden denn die Wertberichtigungen und Rückstellungen ausfallen. Manche Institute, die die in den Büchern haben, solange das nicht ganz klar ist, sind natürlich die Kreditlinien eher klamm geworden. Aber im Laufe der Zeit wird sich zeigen, dass viele Produkte sehr solide sind, ein hohes Rating verdienen, und dann werden auch die Kredite wieder leichter fließen. Im übrigen ist es natürlich immer eine Frage des Zinses. Wir haben sehr viel Liquidität im Gesamtsystem, und Banken, die Liquiditätsüberschüsse haben, werden die bei entsprechend guten Zinsen natürlich auch weiterreichen."
Doch in der vergangenen Woche wird das Misstrauen der Banken untereinander schließlich sogar so groß, dass sie sich nicht einmal mehr gegenseitig Geld leihen wollen. Das geschieht üblicherweise auf dem Geldmarkt, der nur den Kreditinstituten vorbehalten ist - zu Zinsen, die nahe dem Leitzins der Europäischen Zentralbank liegen. Damit droht eine Liquiditätsklemme. Deshalb pumpten die Notenbanken in der vergangenen Woche riesige Summen in die Finanzmärkte, die EZB allein 200 Milliarden Euro: Dieses Geld leiht sie den Banken - auf Tagesbasis, gegen Zinsen und Hinterlegung von Sicherheiten. Damit haben die Notenbanken die Panik eingedämmt, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank:
" Die Märkte haben - und das können sie auch - darauf vertraut, dass die Funktionsweise des Geldmarktes erhalten bleibt, die Funktionsfähigkeit, und deswegen haben sie da auch keinen Grund, noch mehr Liquidität jetzt zu horten."
Die Bedingungen an den Finanzmärkten normalisieren sich allmählich wieder, lässt EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Dienstag mitteilen. Er ruft die Beteiligten zu Gelassenheit auf. Die Experten sorgen sich längst, die Krise auf den Finanzmärkten könnte sich auch auf die Wirtschaft auswirken. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sieht in Deutschland zwar keine direkten Folgen. Doch aus den USA könnten negative Impulse für die deutsche Wirtschaft ausgehen, meint er:
" Die privaten Haushalte in Amerika sind zu hoch verschuldet, sie haben vor allen Dingen Hypothekenschulden aufgenommen, um vom Immobilienboom zu profitieren. Die Banken werden deshalb auf Jahre hinweg sehr restriktiv sein mit der Vergabe von Hausbaukrediten. Die privaten amerikanischen Hausalte werden wieder lernen müssen, dass sie sparen müssen, um sich ein Haus zu leisten, das heißt Amerika steht vor einer Zeit, in der die Hausbauaktivität gedämpft ist und vor einer Zeit, in der die Haushalte ihre Sparquote erhöhen und den privaten Verbrauch auch nicht mehr so steigern können wie in der Vergangenheit üblich, und das wird indirekt abstrahlen auf die deutsche Wirtschaft."
Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen IMK sieht solche Auswirkungen ebenfalls innerhalb Deutschlands - und das schon bald:
" Die können sehr drastisch sein, wir haben das ja im Jahr 200 erlebt, wo natürlich ein sehr starkes Platzen der Blase war. In dem Moment schränken die Banken ihre Kreditvergabe drastisch ein, das heißt der Investitionsprozess kommt ins Stocken, und die Konjunktur bricht ab mit der Folge schwachen Wachstums und hoher Arbeitslosigkeit."
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank hält zwar das Misstrauen der Investoren gegenüber fast allen Kreditrisiken für übertrieben. Aber auch er rechnet mit einer zögerlicheren Kreditvergabe der Banken in Zukunft:
" Es überschlug sich der Kreditzyklus in den vergangenen Quartalen schon wieder, und es sind sicherlich auch schon wieder Investitionen getätigt worden, von denen man gar nicht so genau weiß, ob so sinnvoll sind mit Übernahmen beispielsweise. Und die Zentralbanken haben das ja schon vor langer Zeit erkannt, dass die Liquiditätswelle, die sie vor sich herschieben, zu groß ist und damit Normalisierung notwendig ist und haben die Zinssätze normalisiert. Jetzt reagieren die Märkte darauf, jetzt entlädt sich diese Spannung. "
Wegen der sehr niedrigen Zinsen hatten vor allem Beteiligungsgesellschaften immer mehr und immer größere Übernahmen gestemmt. Nun haben mit Blackstone und KKR schon zwei große amerikanische Private-Equity-Gesellschaften eingeräumt, es werde schwieriger größere Übernahmen zu finanzieren. Die Banken sitzen heute schon auf 300 Milliarden Dollar Krediten, die Beteiligungsgesellschaften zur Finanzierung von Firmenkäufen versprochen sind. Sie will aber derzeit kein Investor haben. Gustav Horn:
" Das halte ich für eine Normalisierung. Es war ja auch sehr, sehr billig und sehr günstig für diese Fonds, dadurch Gewinne zu machen, dass sie Billigkredite aufnahmen und sich an Firmen beteiligten, die unter Druck setzten, hohe Gewinne zu erwirtschaften und dann das Ganze wieder verkauft wurde. Das war eine Überhitzung, die jetzt korrigiert wurde auch durch die höheren Zinsen, das ist auch gut so."
Diese höheren Zinsen würden auch private Verbraucher zu spüren bekommen. Derzeit schrillen aber noch keine Alarmglocken. Die Furcht vor Geldknappheit und ausufernden Zinsen geht noch nicht um. Zumindest haben die Verbraucherzentralen noch keinen erhöhten Beratungsbedarf festgestellt, was Fragen zu Ratenkrediten oder zur Baufinanzierung anbelangt. Jutta Gelbrich, Leiterin der hessischen Verbraucherzentrale:
" Die Verbraucher wenden sich bezüglich dieser Krise noch nicht an uns. Da merken wir nicht soviel. Da reagiert der Markt auch etwas zeitverzögert oder auch die Beratungsnachfrage zum Beispiel zum Thema Baufinanzierung oder Ratenkredite. Da ist das jetzt noch nicht so spürbar."
Das kann sich natürlich schnell ändern, sobald die Zinsen steigen, falls sich also der Kauf eines Fernsehers oder eines Kühlschranks verteuert. Mehr noch würden es die Häuslebauer spüren. Die hessische Verbraucherschützerin rechnet als Folge der Hypothekenkrise tatsächlich mit höheren Zinsen, allerdings dürfte sich der Anstieg wegen des starken Wettbewerbs in Grenzen halten:
" Für steigendes Zinsniveau spricht, dass die Banken sicherlich jetzt in der Kreditvergabe auch etwas vorsichtiger werden, so dass weniger Kredite vergeben werden, nicht nur dann der Tagesgeldzinssatz das Zinsniveau hebt oder das Interbankengeschäft oder Geldknappheit, sondern auch dass weniger Kredite ausgelegt werden."
Diese Aussicht sollte aber nicht zu Panikkäufen führen - Verbraucherschützer raten unbedingt, einen kühlen Kopf zu bewahren. Auch Aktionärsschützer blasen in dieses Horn. Aktienbesitzer sollten die aktuelle Krise lieber aussitzen. Besonders auf Sicherheit bedachte Anleger könnten aber auch in kleinerem Umfang Gewinne mitnehmen und in sichere Staatsanleihen stecken. Damit wäre ein ruhigerer Schlaf garantiert.
Ob die EZB - wie Anfang des Monats signalisiert - nun in zwei Wochen die Zinsen erhöhen wird, da sind sich die Volkswirte nicht einig. Ulrich Kater von der Dekabank hält eine Änderung des geldpolitischen Straffungskurses für recht unwahrscheinlich:
" Es ist allerdings zu beobachten in den nächsten zwei, drei Quartalen, ob die Verschärfung von Kreditstandards, das heißt also, dass die Kredite nicht mehr so leicht vergeben werden wie früher, ob sie die Investitionstätigkeit der Unternehmen beeinträchtigen. Das kann sein, das kennen wir aus der Vergangenheit, dass leichte Einbremsungen stattfinden, und danach wird sich Zentralbank in Amerika und auch in Europa richten, ob sie den geldpolitischen Kurs ändert und Zinsen eventuell senkt."
Er rechnet aber eher mit einer Zinserhöhung, so Kater - und dem stimmt auch Jörg Krämer von der Commerzbank zu:
" Wenn die Krise natürlich hochkochen sollte, wovon wir nicht ausgehen, dann könnte sie das noch in der letzten Minute absagen. Aber es zeichnet sich jetzt ja ab, dass sich die Liquiditätssituation entspannt. Und deshalb gehe ich davon aus, dass die EZB im September die Zinsen noch einmal erhöht. Es wäre auch richtig, die Zinsen zu erhöhen, weil die EZB versuchen muss, die Geldpolitik zu normalisieren, damit auch hier das Risikobewusstsein ganz allgemein der Marktteilnehmer, auch der Akteure auf dem Immomarkt erhöht wird, was notwendig ist, um zu verhindern, dass so etwas hier stattfindet wie in Amerika."
Dem allzu sorglosen Umgang mit Krediten dürfte deshalb zukünftig ein Riegel vorgeschoben werden. Alles auf Pump kaufen oder sein Häuschen ganz ohne Rücklagen zu finanzieren, dürfte schwieriger werden, glaubt die Leiterin der hessischen Verbraucherzentrale, Jutta Gelbrich:
" Die Tendenz, die wir in der letzten Zeit festgestellt haben, dass zunehmend 100 oder 120 Prozent Finanzierung, also nicht nur der Kauf eines Hauses, sondern sämtliche Nebenkosten auch noch finanziert wurden, dass diese Tendenz jetzt hoffentlich etwas abnimmt, begrüßen wir. Weil wir stellen sehr häufig fest, dass Leute, die so finanzieren, wenn dann was schief geht, eigentlich das Haus nicht mehr halten können, den Kredit nicht mehr bedienen können und die Gesamtkosten einfach zu hoch sind."
Das Risikobewusstsein ist in den letzten Tagen wieder gestiegen. Eine schmerzliche, aber richtige Lehre aus der Krise, meint Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz-Dresdner-Gruppe.
" Wir hatten doch in den letzten Wochen im Frühsommer eine erhebliche Risikobereitschaft in vielen, vielen Segmenten der Märkte festzustellen, die über ein vernünftiges Maß hinausgingen. Und das ist jetzt sehr stark korrigiert worden, das Pendel ist umgeschwungen von höchstem Risikoappetit zu großer Risikoscheu. Vielleicht etwas zu weit umgeschwungen, aber dass wir hier eine Korrektur bekommen haben, ist im Ganzen, glaube ich, eine gesunde Ausgangsbasis für einen positiven Trend an den Märkten. Ich glaube, dass die Aktien und auch die Unternehmensanleihen nicht schlechte Renditen abwerfen werden, wenn die Konjunktur weiterläuft. Und danach sieht es derzeit ganz eindeutig aus. "
Diese Lehren aber reichen Gustav Horn nicht aus. Er sieht eine systemische Krise des Markts, mit der man lernen müsse umzugehen:
" Deshalb plädiere ich ja auch für stärkere Regulierungsvorschriften. Es kann nicht sein bei den drastischen Konsequenzen, die Finanzmarktturbulenzen haben können, dass hier einen Markt haben, der sich durch eine hohe Intransparenz auszeichnet bei der Verteilung von Risiken, die global erfolgt auf diesem Markt. Wir brauchen mehr Transparenz, deshalb brauchen wir bessere Regulierungsvorschriften, am besten weltweit, aber zumindest EU-weit."
Einen solchen gesetzgeberischen Handlungsbedarf prüft die Bundesregierung derzeit. Unabhängig jedoch von der aktuellen Krise - wie sie nicht müde wird zu betonen. Das Finanzministerium hat in dieser Woche Eckpunkte für ein Gesetz vorgelegt, dass solche Risiken begrenzen soll. Wenn es denn noch rechtzeitig kommt.
" Die amerikanische Notenbank hat nach den Anschlägen im Jahre 2001 die Liquidität sehr stark ausgeweitet, die Zinsen massiv gesenkt auf ein Prozent, und das hat natürlich Anreize geschaffen, insbesondere bei den amerikanischen Konsumenten, sich zu verschulden, um das Geld dann in den Immobilienmarkt zu stecken, getrieben von der Hoffnung, von Preissteigerungen der Immobilien profitieren zu können."
Dieses billige Geld führt zu großen Verlockungen. Nur so ist es möglich, dass amerikanische Hypothekenfinanzierer in der Folge mit aggressiven Verkaufsmethoden kleine Gelegenheitsarbeiter in Texas überreden, sich eine Immobilie zuzulegen - obwohl sie es sich eigentlich kaum leisten können. Die Auswirkungen sind in diesen Tagen zu spüren: Ein Hypothekenfinanzierer nach dem anderen meldet in den USA Insolvenz an. Inzwischen gibt es sogar Gerüchte um Finanzierungsschwierigkeiten einer der größten Hypothekenbanken des Landes: Countrywide Financial.
Um ihre Risiken gering zu halten, lassen sich die Hypothekenbanken aber einiges einfallen. So verkaufen sie ihre Kredite an Investmentbanken, die sie wiederum zu neuen Paketen zusammenschnüren und ihrerseits auf dem Kapitalmarkt verkaufen. Der kleine Kredit des texanischen Gelegenheitsarbeiters tritt also eine große Reise rund um die Welt an. Und diese Papiere finden reißenden Absatz. Wegen des höheren Risikos werfen sie auch höhere Zinsen ab als herkömmliche Anleihen. Das Spekulationsrad an den Finanzmärkten wird also immer schneller gedreht. Detlev von Larcher vom globalisierungskritischen Netzwerk attac sieht deshalb strukturelle Gründe für die aktuelle Krise:
" Die eigentliche Ursache liegt in der Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte, die dazu führen, dass Finanzjongleure praktisch ganz hochrisikoreiche Geschäfte tätigen, immer neue Geschichten erfinden, und das ist dann die eigentliche Ursache der Finanzkrise, wenn diese Geschäfte ins Stottern kommen."
An diesem Rad wollen alle drehen - auch wenn es deutlich zu groß ist. So hat sich die bis dahin als solide geltende deutsche Mittelstandsbank IKB damit komplett übernommen. Als sie vor zwei Wochen zugeben musste, dass sie sich gewaltig verspekuliert hat, dass sie mit 3,5 Milliarden Euro Verlust aus diesen Geschäften rechne, da geht eine erste Erschütterungswelle durch den deutschen Markt. Börsianer sind entsetzt. Dieter Hein vom unabhängigen Analysehaus "fairesearch":
" Das ist natürlich ein Schlag ins Gesicht des Kapitalmarktes, und was momentan ist, ist eigentlich ein Desaster für die IKB."
Schnell schnüren die Banken unter Leitung der Deutschen Bundesbank ein Rettungspaket, damit eine Pleite verhindert werden kann. Damit wird eine Bankenkrise in Deutschland zunächst vermieden, aber der Bürger dürfte die Auswirkungen doch spüren, meint Detlev von Larcher von attac:
" Wenn so was passiert, und die Banken gerettet werden durch öffentliche Gelder, da muss man wissen, das sind wir Steuerzahler, die dann praktisch für die Finanzjunkies einspringen müssen."
Seit der IKB-Schieflage erreichen die Börsianer fast täglich neue schlechte Nachrichten vom direkten oder indirekten Engagement der Banken im amerikanischen Hypothekenmarkt. Die Postbank etwa nennt für ihr Engagement ein Volumen von 600 Millionen Euro, die WestLB eines von 1,25 Milliarden, und auch die öffentlich-rechtliche Sachsen-LB soll über eine Zweckgesellschaft fast 13 Milliarden Euro dort investiert haben. SachsenLB-Sprecher Frank Steinmeyer versichert zwar:
" Wir haben keine Anzeichen für erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeiten, die Papiere sind alle Triple A gesichert, und wir haben keine Liquiditätsprobleme."
Doch das behaupten auch die anderen Banken. Sie äußern sich überzeugt davon, dass sie in gut abgesicherte Papiere investiert hätten und allenfalls geringe Verluste zu erwarten seien: Die Commerzbank hat deshalb 80 Millionen, die Dresdner Bank 70 und die Postbank 33 Millionen Euro zurückgestellt. Die Deutsche Bank beziffert ihr Engagement nicht, kann allerdings mit einer Bilanzsumme von gut einer Billion Euro auch zunächst einige Risiken verkraften. Doch vor allem öffentlich-rechtliche Institute wie die SachsenLB sollten auf das Zocken lieber verzichten, meint Wolfgang Gerke, Professor der Universität Erlangen-Nürnberg:
" Auch eine Landesbank muss schauen, wie viel Geld sie in einzelne Risiken hineinstecken kann, und wenn die Sächsische Landesbank 20 Milliarden beim Immobilien-Risiko investiert, dann mögen das noch gute Immobilien sein, dann ist das einfach in Relation zur Bank zuviel."
Auch die Bankenaufsicht musste sich in den vergangenen Wochen vorwerfen lassen, sie habe nicht richtig hingeschaut. Das sieht der designierte Wirtschaftsweise Gustav Horn allerdings nicht so. Er ist Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung:
" Die Bankenaufsicht funktioniert in Deutschland, aber diese Risiken waren einfach versteckt in bestimmten Anlagefonds, so dass die Banken es ja selber nicht einmal gemerkt haben, welche Risiken in ihren Portefeuilles haben, sie haben sich einfach blind auf Rating-Agenturen verlassen, und das ist ein sehr großer Fehler gewesen, denn diese Agenturen wirken offensichtlich nicht so wie sie es tun sollten."
Die Rating-Agenturen sind die Bonitätsprüfer auf den Finanzmärkten. Auf ihre Notengebung verlassen sich die Börsianer und Investoren. Doch oft reagieren sie spät - viele behaupten, zu spät - auf Veränderungen im Riskio. Dieter Hein von "fairesearch":
" Bei vielen Krisen in der Vergangenheit ist aufgefallen, dass Rating-Agenturen ihre Ratings erst runtergenommen haben, als die Krise schon da war, nicht davor. Auf der anderen Seite sind die Ausfallraten bei diesen Anleihen in den vergangenen Jahren auch deutlich zurückgegangen, und von daher sind auch die Zinsen zurückgegangen. Also von daher kann man eigentlich erst reagieren, wenn man Indikationen hat, dass die Ausfälle höher werden, nachdem diese Konstrukte, die so genannten "Subprime" relativ riskant war, hätte man auch vorher reagieren können, aber das hat man nicht, ist auch schwierig in dieser Situation."
Jetzt will sogar die Europäische Kommission prüfen, ob die Rating-Agenturen zu spät vor den Problemen im amerikanischen Markt für zweitklassige Hypothekenkredite gewarnt hätten - und sie erwägt gegebenenfalls gesetzliche Regelungen. Doch die Unsicherheit müssten sich die Finanzinstitute auch zum Teil selbst zuschreiben, meint Hein:
" Die Institute legen die Risiken nicht richtig offen, und wenn sie dann offengelegt werden, werden sie auch nicht immer entsprechend bewertet."
Aus Vertrauen ist in den letzten Wochen Misstrauen geworden - auch der Banken untereinander. Und dabei vergessen sie die sonst übliche Unterscheidung - alles wird in einen Topf geworfen, sagt Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz-Dresdner-Gruppe:
" Wir werden wieder zu einer differenzierteren Betrachtung auch der Risken kommen. Jetzt in den letzten Tagen sind ja doch alle möglichen Produkte abgestraft worden, die eigentlich sehr solide sind. Natürlich gibt es bei vielen der Spezialanleihen, um die es hier geht, große Bewertungsprobleme, so dass es nicht ganz klar ist, wie werden denn die Wertberichtigungen und Rückstellungen ausfallen. Manche Institute, die die in den Büchern haben, solange das nicht ganz klar ist, sind natürlich die Kreditlinien eher klamm geworden. Aber im Laufe der Zeit wird sich zeigen, dass viele Produkte sehr solide sind, ein hohes Rating verdienen, und dann werden auch die Kredite wieder leichter fließen. Im übrigen ist es natürlich immer eine Frage des Zinses. Wir haben sehr viel Liquidität im Gesamtsystem, und Banken, die Liquiditätsüberschüsse haben, werden die bei entsprechend guten Zinsen natürlich auch weiterreichen."
Doch in der vergangenen Woche wird das Misstrauen der Banken untereinander schließlich sogar so groß, dass sie sich nicht einmal mehr gegenseitig Geld leihen wollen. Das geschieht üblicherweise auf dem Geldmarkt, der nur den Kreditinstituten vorbehalten ist - zu Zinsen, die nahe dem Leitzins der Europäischen Zentralbank liegen. Damit droht eine Liquiditätsklemme. Deshalb pumpten die Notenbanken in der vergangenen Woche riesige Summen in die Finanzmärkte, die EZB allein 200 Milliarden Euro: Dieses Geld leiht sie den Banken - auf Tagesbasis, gegen Zinsen und Hinterlegung von Sicherheiten. Damit haben die Notenbanken die Panik eingedämmt, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank:
" Die Märkte haben - und das können sie auch - darauf vertraut, dass die Funktionsweise des Geldmarktes erhalten bleibt, die Funktionsfähigkeit, und deswegen haben sie da auch keinen Grund, noch mehr Liquidität jetzt zu horten."
Die Bedingungen an den Finanzmärkten normalisieren sich allmählich wieder, lässt EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Dienstag mitteilen. Er ruft die Beteiligten zu Gelassenheit auf. Die Experten sorgen sich längst, die Krise auf den Finanzmärkten könnte sich auch auf die Wirtschaft auswirken. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sieht in Deutschland zwar keine direkten Folgen. Doch aus den USA könnten negative Impulse für die deutsche Wirtschaft ausgehen, meint er:
" Die privaten Haushalte in Amerika sind zu hoch verschuldet, sie haben vor allen Dingen Hypothekenschulden aufgenommen, um vom Immobilienboom zu profitieren. Die Banken werden deshalb auf Jahre hinweg sehr restriktiv sein mit der Vergabe von Hausbaukrediten. Die privaten amerikanischen Hausalte werden wieder lernen müssen, dass sie sparen müssen, um sich ein Haus zu leisten, das heißt Amerika steht vor einer Zeit, in der die Hausbauaktivität gedämpft ist und vor einer Zeit, in der die Haushalte ihre Sparquote erhöhen und den privaten Verbrauch auch nicht mehr so steigern können wie in der Vergangenheit üblich, und das wird indirekt abstrahlen auf die deutsche Wirtschaft."
Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen IMK sieht solche Auswirkungen ebenfalls innerhalb Deutschlands - und das schon bald:
" Die können sehr drastisch sein, wir haben das ja im Jahr 200 erlebt, wo natürlich ein sehr starkes Platzen der Blase war. In dem Moment schränken die Banken ihre Kreditvergabe drastisch ein, das heißt der Investitionsprozess kommt ins Stocken, und die Konjunktur bricht ab mit der Folge schwachen Wachstums und hoher Arbeitslosigkeit."
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank hält zwar das Misstrauen der Investoren gegenüber fast allen Kreditrisiken für übertrieben. Aber auch er rechnet mit einer zögerlicheren Kreditvergabe der Banken in Zukunft:
" Es überschlug sich der Kreditzyklus in den vergangenen Quartalen schon wieder, und es sind sicherlich auch schon wieder Investitionen getätigt worden, von denen man gar nicht so genau weiß, ob so sinnvoll sind mit Übernahmen beispielsweise. Und die Zentralbanken haben das ja schon vor langer Zeit erkannt, dass die Liquiditätswelle, die sie vor sich herschieben, zu groß ist und damit Normalisierung notwendig ist und haben die Zinssätze normalisiert. Jetzt reagieren die Märkte darauf, jetzt entlädt sich diese Spannung. "
Wegen der sehr niedrigen Zinsen hatten vor allem Beteiligungsgesellschaften immer mehr und immer größere Übernahmen gestemmt. Nun haben mit Blackstone und KKR schon zwei große amerikanische Private-Equity-Gesellschaften eingeräumt, es werde schwieriger größere Übernahmen zu finanzieren. Die Banken sitzen heute schon auf 300 Milliarden Dollar Krediten, die Beteiligungsgesellschaften zur Finanzierung von Firmenkäufen versprochen sind. Sie will aber derzeit kein Investor haben. Gustav Horn:
" Das halte ich für eine Normalisierung. Es war ja auch sehr, sehr billig und sehr günstig für diese Fonds, dadurch Gewinne zu machen, dass sie Billigkredite aufnahmen und sich an Firmen beteiligten, die unter Druck setzten, hohe Gewinne zu erwirtschaften und dann das Ganze wieder verkauft wurde. Das war eine Überhitzung, die jetzt korrigiert wurde auch durch die höheren Zinsen, das ist auch gut so."
Diese höheren Zinsen würden auch private Verbraucher zu spüren bekommen. Derzeit schrillen aber noch keine Alarmglocken. Die Furcht vor Geldknappheit und ausufernden Zinsen geht noch nicht um. Zumindest haben die Verbraucherzentralen noch keinen erhöhten Beratungsbedarf festgestellt, was Fragen zu Ratenkrediten oder zur Baufinanzierung anbelangt. Jutta Gelbrich, Leiterin der hessischen Verbraucherzentrale:
" Die Verbraucher wenden sich bezüglich dieser Krise noch nicht an uns. Da merken wir nicht soviel. Da reagiert der Markt auch etwas zeitverzögert oder auch die Beratungsnachfrage zum Beispiel zum Thema Baufinanzierung oder Ratenkredite. Da ist das jetzt noch nicht so spürbar."
Das kann sich natürlich schnell ändern, sobald die Zinsen steigen, falls sich also der Kauf eines Fernsehers oder eines Kühlschranks verteuert. Mehr noch würden es die Häuslebauer spüren. Die hessische Verbraucherschützerin rechnet als Folge der Hypothekenkrise tatsächlich mit höheren Zinsen, allerdings dürfte sich der Anstieg wegen des starken Wettbewerbs in Grenzen halten:
" Für steigendes Zinsniveau spricht, dass die Banken sicherlich jetzt in der Kreditvergabe auch etwas vorsichtiger werden, so dass weniger Kredite vergeben werden, nicht nur dann der Tagesgeldzinssatz das Zinsniveau hebt oder das Interbankengeschäft oder Geldknappheit, sondern auch dass weniger Kredite ausgelegt werden."
Diese Aussicht sollte aber nicht zu Panikkäufen führen - Verbraucherschützer raten unbedingt, einen kühlen Kopf zu bewahren. Auch Aktionärsschützer blasen in dieses Horn. Aktienbesitzer sollten die aktuelle Krise lieber aussitzen. Besonders auf Sicherheit bedachte Anleger könnten aber auch in kleinerem Umfang Gewinne mitnehmen und in sichere Staatsanleihen stecken. Damit wäre ein ruhigerer Schlaf garantiert.
Ob die EZB - wie Anfang des Monats signalisiert - nun in zwei Wochen die Zinsen erhöhen wird, da sind sich die Volkswirte nicht einig. Ulrich Kater von der Dekabank hält eine Änderung des geldpolitischen Straffungskurses für recht unwahrscheinlich:
" Es ist allerdings zu beobachten in den nächsten zwei, drei Quartalen, ob die Verschärfung von Kreditstandards, das heißt also, dass die Kredite nicht mehr so leicht vergeben werden wie früher, ob sie die Investitionstätigkeit der Unternehmen beeinträchtigen. Das kann sein, das kennen wir aus der Vergangenheit, dass leichte Einbremsungen stattfinden, und danach wird sich Zentralbank in Amerika und auch in Europa richten, ob sie den geldpolitischen Kurs ändert und Zinsen eventuell senkt."
Er rechnet aber eher mit einer Zinserhöhung, so Kater - und dem stimmt auch Jörg Krämer von der Commerzbank zu:
" Wenn die Krise natürlich hochkochen sollte, wovon wir nicht ausgehen, dann könnte sie das noch in der letzten Minute absagen. Aber es zeichnet sich jetzt ja ab, dass sich die Liquiditätssituation entspannt. Und deshalb gehe ich davon aus, dass die EZB im September die Zinsen noch einmal erhöht. Es wäre auch richtig, die Zinsen zu erhöhen, weil die EZB versuchen muss, die Geldpolitik zu normalisieren, damit auch hier das Risikobewusstsein ganz allgemein der Marktteilnehmer, auch der Akteure auf dem Immomarkt erhöht wird, was notwendig ist, um zu verhindern, dass so etwas hier stattfindet wie in Amerika."
Dem allzu sorglosen Umgang mit Krediten dürfte deshalb zukünftig ein Riegel vorgeschoben werden. Alles auf Pump kaufen oder sein Häuschen ganz ohne Rücklagen zu finanzieren, dürfte schwieriger werden, glaubt die Leiterin der hessischen Verbraucherzentrale, Jutta Gelbrich:
" Die Tendenz, die wir in der letzten Zeit festgestellt haben, dass zunehmend 100 oder 120 Prozent Finanzierung, also nicht nur der Kauf eines Hauses, sondern sämtliche Nebenkosten auch noch finanziert wurden, dass diese Tendenz jetzt hoffentlich etwas abnimmt, begrüßen wir. Weil wir stellen sehr häufig fest, dass Leute, die so finanzieren, wenn dann was schief geht, eigentlich das Haus nicht mehr halten können, den Kredit nicht mehr bedienen können und die Gesamtkosten einfach zu hoch sind."
Das Risikobewusstsein ist in den letzten Tagen wieder gestiegen. Eine schmerzliche, aber richtige Lehre aus der Krise, meint Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz-Dresdner-Gruppe.
" Wir hatten doch in den letzten Wochen im Frühsommer eine erhebliche Risikobereitschaft in vielen, vielen Segmenten der Märkte festzustellen, die über ein vernünftiges Maß hinausgingen. Und das ist jetzt sehr stark korrigiert worden, das Pendel ist umgeschwungen von höchstem Risikoappetit zu großer Risikoscheu. Vielleicht etwas zu weit umgeschwungen, aber dass wir hier eine Korrektur bekommen haben, ist im Ganzen, glaube ich, eine gesunde Ausgangsbasis für einen positiven Trend an den Märkten. Ich glaube, dass die Aktien und auch die Unternehmensanleihen nicht schlechte Renditen abwerfen werden, wenn die Konjunktur weiterläuft. Und danach sieht es derzeit ganz eindeutig aus. "
Diese Lehren aber reichen Gustav Horn nicht aus. Er sieht eine systemische Krise des Markts, mit der man lernen müsse umzugehen:
" Deshalb plädiere ich ja auch für stärkere Regulierungsvorschriften. Es kann nicht sein bei den drastischen Konsequenzen, die Finanzmarktturbulenzen haben können, dass hier einen Markt haben, der sich durch eine hohe Intransparenz auszeichnet bei der Verteilung von Risiken, die global erfolgt auf diesem Markt. Wir brauchen mehr Transparenz, deshalb brauchen wir bessere Regulierungsvorschriften, am besten weltweit, aber zumindest EU-weit."
Einen solchen gesetzgeberischen Handlungsbedarf prüft die Bundesregierung derzeit. Unabhängig jedoch von der aktuellen Krise - wie sie nicht müde wird zu betonen. Das Finanzministerium hat in dieser Woche Eckpunkte für ein Gesetz vorgelegt, dass solche Risiken begrenzen soll. Wenn es denn noch rechtzeitig kommt.