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Von Schlössern, Burgen und sagenhaften Gestalten

Märchen als Touristenmagnet - das hätten sich die Brüder Grimm wohl kaum träumen lassen. Doch in den Orten an der "Deutschen Märchenstraße" können Besucher Dornröschens Schloss, Rapunzels Turm und den Rattenfänger von Hameln sehen.

Von Jörn Freyenhagen | 05.05.2013
    Morgenstimmung an der Oberweser bei Bursfelde. Ein feenhaftes Bild tut sich auf. Vom Himmel dringt das mattgoldene Sonnenlicht durch den Nebel und zaubert kupferfarbene Schimmer auf den Fluss. Aus dem Höhenzug am linken Ufer ragt ein ausgedehnter Wald hervor, in dem - tief versteckt - ein Märchenschloss liegt. So mancher hat schon versucht, vom Schiff aus mit dem Fernglas einen Blick auf diesen verwunschenen Ort zu erhaschen. Doch eine hohe Dornenhecke verwehrt die Sicht auf das Schloss:

    "Es ging aber die Sage in dem Land von dem schönen schlafenden Dornröschen, denn so ward die Königstochter genannt, also dass von Zeit zu Zeit Königssöhne kamen und durch die Hecke in das Schloss dringen wollten. Es war ihnen aber nicht möglich, denn die Dornen, als hätten sie Hände, hielten fest zusammen."

    Es ist quasi offiziell: Das schöne Kind, nachdem es sich an einer Spindel verletzt und darum ein Jahrhundert verschlafen hatte, wurde genau hier von einem Prinzen wachgeküsst. Die 670 Jahre alte Sababurg im Reinhardswald bei Kassel ist das Dornröschenschloss. So steht es an der Bushaltestelle und so ist es im Kataster festgehalten. Der Pächter und Gastronom Günter Kossek lässt schon aus kommerziellen Gründen keine Zweifel zu. Für ihn ist das Märchen zuckersüße Realität geworden:

    "Es gab früher eine Dornenhecke. Wir haben ja hier den größten und ältesten Tierpark Europas und in der Renaissance war es üblich, Tiergärten mit Dornenhecken einzufrieden. Das ist also nichts Ungewöhnliches, aber ungewöhnlich ist, dass der Tiergarten um das Schloss herumging. Das gibt es in ganz Europa nicht noch mal. Das gibt’s nur hier und dadurch umschloss also auch diese Dornenhecke das ganze Schloss, und daher hatten wir tatsächlich mal eine Dornenhecke, fünf Kilometer lang, drei Meter hoch, ungefähr sieben Meter dick, und das andere ist die Architektur des Schlosses.

    Sie können also hier, wenn Sie den Märchentext lesen, genauso laufen wie der Prinz und durch das Schloss gehen und kommen dann auch wie Dornröschen schon vorher eben auch an einen kleinen Turm mit einer engen Wendeltreppe, die bis oben unters Dach führt und wo dann wohl die Kammer gewesen sein könnte, wo Dornröschen sich dann gestochen hat und 100 Jahre geschlafen hat."

    Märchen als Magnet für den Tourismus – das hätten sich die Brüder Grimm wohl kaum träumen lassen. Genaue Orte tauchen in ihren Geschichten selten auf. So blieb den Touristikern ausreichend Spielraum für den Verlauf der "Deutschen Märchenstraße", die vor fast 40 Jahren gegründet wurde. Ihr verbindendes Element ist die Weser. Der Fluss fließt durch vier Bundesländer. Zur Saisoneröffnung für die Ausflugsschifffahrt kommen die Märchenfiguren an Bord der Dampfer, und auch am heutigen Sonntag in Hameln beim Gipfeltreffen des Rattenfängers mit Robin Hood aus Nottingham sind sie mit von der Partie.

    "Ich bin die Rapunzel und komme aus der schönen Trendelburg, das liegt in Nordhessen."

    "Ich bin der gestiefelte Kater und komme aus Oedelsheim."

    "Ich bin der Dr. Eisenbart aus Hannoversch Münden."

    "Ich bin der Hans im Glück aus Immenhausen und das liegt ungefähr zwölf Kilometer von Kassel entfernt."

    "Ich bin das Schneewittchen und das sind alles meine sieben Zwerge und wir kommen aus Gieselwerder an der schönen Weser."

    Die 1334 errichtete Sababurg, Heimat von Dornröschen, ist das Vorzeigestück der "Deutschen Märchenstraße". Die Rundtürme mit ihren barocken Hauben wirken einfach märchenhaft. Im Torbau, wo heute edle Speisen serviert werden, sollen die Brüder Grimm ihre Werke geschrieben haben. Draußen blühen jede Menge Rosen, drinnen gibt es Rosenkonfitüre, Rosentee, Rosenchutney und Rosensenf. Theater, Küche und Literatur liefern auf der Sababurg viele Beiträge zum Thema. Rosenzüchter und Märchenforscher treffen sich hier zu Tagungen. Im Geiste immer dabei sind Dornröschen und der Prinz. An jedem Sonntag zwischen April und Oktober begrüßen Sie höchstpersönlich die Besucher.

    "Ich weiß gleich, was ich tun muss. Ich bück mich, gib‘ ihr einen Kuss."

    "Kaum hatte sein Kuss mich berührt, da habe ich durch und durch gespürt, jetzt ist der lange Schlaf vorbei und ich war endlich frei."

    "Sie blickte mich so freundlich an."

    "Ich wusste gleich, er wird mein Mann. Mir war im Herzen wohlig warm."

    Im ältesten deutschen Standesamt außerhalb eines Rathauses geben sich rund 200 Brautpaare jährlich ihr Ja-Wort. Sie bleiben zum Feiern gleich hier, verbringen im Burghotel die Hochzeitsnacht und wandeln auf den Spuren des Märchens.

    "Die Hochzeitsfeier voller Pracht."

    "Sie dauert dreimal Tag und Nacht, und wir reichten uns die Hände …"

    "… ist Vergnügen ohne Ende."

    Die "Deutsche Märchenstraße" führt heute über 600 Kilometer durch fünf Bundesländer. Sie vereint zwischen Hanau, dem Geburtsort der Brüder Grimm, und Bremen, dem Ziel der "Bremer Stadtmusikanten", mehr als 80 Städte und Gemeinden. Ihnen sind jeweils ein oder mehrere Märchen, Sagen und Geschichten zugeordnet. Das Konzept ist aufgegangen. Weit mehr als eine Million Menschen bereisen jährlich die "fabelhafte Route vom Main zum Meer". Als Programmheft und Reiseführer kann die Sammlung der Grimmschen Kinder- und Hausmärchen dienen, aber auch einige andere Quellen bereichern den Fundus. Es ist eine Mischung aus Dichtung und Wahrheit. Die schillerndsten Figuren der Märchenstraße sind im Weserbergland zu Hause. Dabei erlebt so mancher Reisende seine Überraschung. So realistisch hätte er sich das Wiederauftauchen historischer Gestalten gar nicht vorgestellt:

    "Leute, Leute, herbei, herbei. Wir zeigen Euch heut ein kleines Konterfei vom hochgelobten Dr. Eisenbart."

    "Ja, geehrte Leut’, ich bin der Eisenbart, kurier die Leut auf meine Art. So heißt es in dem bekannten Lied, das Euch sicher in Erinnerung blieb, aber dieses Lied stellt mich als einen Scharlatan hin, der ich in Wahrheit gar nicht bin. Vielmehr ein guter Arzt in mir steckt. Die Forscher haben das erst vor ein paar Jahren entdeckt."

    Er hat wirklich gelebt: Johann Andreas Eisenbart. Obwohl er sich in Hannoversch Münden nur kurze Zeit aufgehalten hat, wirbt die Stadt heute kräftig mit ihm und veranstaltet im Sommer "Doktor-Eisenbart-Spiele" vor dem Rathaus. Die lauten Possen sollten auch die markerschütternden Schreie der Patienten übertönen, denn so wirksame Narkosen wie heute gab es damals noch nicht. Eisenbart starb 1727 in Münden an der Gicht und einem Schlaganfall. Besucher pilgern heute vor allem zu seinem Grabstein an der Aegidienkirche, zur Eisenbart-Skulptur an seinem früheren Haus in der Altstadt oder zum Glockenspiel am Rathaus.

    In Höxter gibt es Hänsel- und Gretel-Spiele. Die Burgruine von Polle wurde zum Sitz von "Aschenputtel". Das "tapfere Schneiderlein" agiert heute in Wahlsburg. Der Ort ist durch eine Märchenfähre mit dem Reinhardswald verbunden, der voller Sagen steckt. Mit seinen jahrhundertealten, knorrigen Eichen entspricht er perfekt dem Bild eines Märchenwaldes. Das beflügelt die Fantasie. Einige volkstümliche Geschichten ließen sich die Brüder Grimm von der Gastwirtstochter Dorothea Viehmann aus Niederzwehren am Südrand des Reinhardwaldes erzählen.

    "Rapunzel ward das schönste Kind unter der Sonne. Als es zwölf Jahre alt war, schloss es die Zauberin in einen Turm, der in einem Walde lag und weder Treppe noch Türe hatte, nur ganz oben war ein kleines Fensterchen. Wenn die Zauberin hineinwollte, so stellte sie sich unten hin und rief: ‚Rapunzel, Rapunzel, lass mir dein Haar herunter‘, und dann fielen die Haare zwanzig Ellen tief herunter, und die Zauberin stieg dann hinauf."

    "Das passt", sagten sich vor fast 20 Jahren Touristikexperten der Stadt Hofgeismar und verlegten das Märchen "Rapunzel" kurzerhand auf die Trendelburg südlich von Helmarshausen an der Diemel. Die mächtige Burg auf einem Sandsteinfelsen überragt den Ort und zeigt sich heute so, wie sie nach zwei Bränden im 15. Jahrhundert wieder aufgebaut wurde. Der runde Bergfried erhebt sich 38 Meter hoch. Dieter Uffelmann, selbst ein Trendelburger, begrüßt die Gäste auf der Burg als Ritter Dietrich mit Kettenhemd, Helm und Schwert. Dabei stellt er schnell einen Bezug zum Märchen her:

    "Hier sind nämlich fünf Türme, und einer sieht genauso aus, wie wir in den Grimmschen Märchen einen Rapunzel-Turm gezeichnet bekommen haben, denn der Turm der Trendelburg, der auch noch Hotelzimmer hat, dort kann man entsprechend natürlich wunderbar schlafen, dort kann man sich wunderbar aufhalten, und wenn man entsprechend sagt, ich bin auf die Märchen aus und man hat’s mit den Haaren, wir nehmen auch manchmal die Treppe dazu, dann kann man natürlich dort seiner Fantasie freien Lauf lassen."

    Bleibt nur die Frage, ob die Tourismusförderer eine Frau mit so langen Haaren gefunden haben, damit sie als "Rapunzel" auftreten kann.
    "Wir wollen nichts an Haaren herbeiziehen. Aber natürlich kann man heute entsprechend mit einem Haarteil noch nachhelfen, aber diese kleinen Tricks der Weiblichkeit, die waren früher schon gang und gäbe, und die sind heut’ noch nicht anders."

    Der Turm, wo dies geschieht, heißt inzwischen Hochzeitsturm. Denn auch hier fühlen sich Brautpaare von der besonderen Atmosphäre des Burghotels magisch angezogen. Ritter Dietrich arrangiert auf Wunsch eine mittelalterliche Hochzeitszeremonie. Bei passender Gelegenheit erzählt er auch die freizügige Originalversion des Märchens. Was die Brüder Grimm nämlich wegließen: Rapunzel vergnügte sich mit ihrem Prinzen im Turm und wurde schwanger.
    "Die erwachende Sexualität, na klar, man sieht doch entsprechend, das junge Mädchen ist in einem Turm eingeschlossen und lernt jetzt etwas Verbotenes kennen. Nun, das kennen wir doch auch heute noch, ist doch so, und diese Freuden, die sie dabei genießt, da muss sie irgendwann den Preis für zahlen."

    Jacob und Wilhelm Grimm haben schriftliche und mündliche Quellen aufgetan, diese kunstvoll bearbeitet und mitunter auch deren Charakter verändert. Viele Sagen und Märchen seien den Brüdern Grimm zugeschickt worden, und sie hätten diese dann entschärft oder einfach umgeschrieben, sagt der Volkskundler Professor Jörg Uther von der Universität Göttingen.

    "Das gilt auch für die ganzen Stücke, die sie aus der Literatur genommen haben, aus Zeitschriften zum Beispiel oder aus Chronikbüchern, aus Predigtbüchern älterer Art, dass sie dann doch diese Stücke alle umerzählt haben, gewissermaßen in einen Märchenton gebracht, der für Erwachsene und Kinder gleichermaßen sein sollte."

    Die Italiener kennen das Märchen "Rapunzel" unter dem Namen "Petronisella", was so viel wie "Petersilchen" bedeutet. "Dornröschen", weltbekannt unter dem Titel "Sleeping Beauty", stammt ebenfalls aus Italien. Im ursprünglichen Text bekommt sie Zwillinge. "Der gestiefelte Kater" kam über Italien und Frankreich nach Deutschland.

    "Es war einmal ein Müller, der hatte drei Söhne. Fleißig halfen sie ihm beim Mahlen. Als der Müller sein Ende nahe fühlte, verteilte er seine ganze Habe. Der älteste Sohn bekam die Mühle, der zweite den Esel und der jüngste nichts als den Kater."
    Nach Gründung der "Deutschen Märchenstraße" ist "Der gestiefelte Kater" in Oberweser-Oedelsheim sesshaft geworden. Kein Problem, meint Jörg Uther. Der Ort braucht ja nur eine Mühle, einen Müller, einen Kater, ein paar Stiefel und eine Maus. Der Rest – ein Spiel, mit einer immer noch aktuellen Aussage: Es ist wichtig, Herrschaftswissen zu sammeln, wenn man Geschäfte machen will, so wie der Kater, der ein Aufschneider ist.

    "Die Welt will betrogen werden, aber er ist uns deshalb so sympathisch, weil er eben halt so geschickt agiert und alles beschafft und alle Widerstände überwindet, und deshalb ist das ein sympathischer Betrüger, so hab‘ ich ihn mal genannt, und es ist ein Schwank, und deshalb kann man eben sagen, im Schwank wird alles auf den Kopf gestellt."

    Jeder braucht Märchen, so die These von Jörg Uther, denn sie seien ein Spiegel der Alltagswelt, beinhalten Konflikte mit gutem Ausgang. Uthers Favorit ist "Hans im Glück", heute beheimatet im hessischen Immenhausen, wegen seiner Ambivalenz.

    "Als Beispiel sage ich jetzt nur: Stellen Sie sich vor, sie kaufen spontan eine Lederjacke, die hat sehr viel Geld gekostet, und sie sind kaum raus aus dem Geschäft, dann reut Sie dieser Kauf, und dann sind sie Zuhause und fühlen das Leder noch mal an und trösten sich damit, ach, es ist doch ein guter Stoff, die wird länger halten, und dafür habe ich das Geld doch richtig ausgegeben. Das ist eben die Einordnung des Weltbildes. Dann ist wieder Ihr Gewissen im reinen und genau das macht der Hans im Glück. Also eine im Grunde liebenswerte Figur."

    Die Sage vom Rattenfänger hat die Stadt Hameln in aller Welt berühmt gemacht. Sie ist heute international bekannter als Hannover. Mit süßen Flötentönen soll am 26. Juni 1284 der sogenannte Pfeifer mehr als 100 Kinder von Hameln aus der Stadt gelockt haben. Eigentlich seien es zwei Geschichten, die in dieser Sage eine Verbindung eingingen, erklärt Harald Wanger von der Hameln Touristik:

    "Das eine, die bekannten Rattenplagen, die es im Mittelalter reichlich gegeben hat, und Hameln war ja seit jeher als Mühlenstadt an der Weser da ein Stück weit natürlich auch prädestiniert. Also die Rattenplagen waren tatsächlich Ereignisse und es gab dann auch merkwürdige Gestalten, die eben diesen Plagen Herr werden wollten. Auf der anderen Seite der Kinderauszug, die zweite Seite der Geschichte, und hier vermutet man heute, viele Forscher haben sich damit beschäftigt, dass damit gemeint ist, nicht Kinder im eigentlichen Sinne, sondern Kinder der Stadt, also junge Menschen, die aus der Stadt geführt wurden, um im heutigen Osteuropa, Böhmen und Mähren, sich niederzulassen."

    Vom Rattenfänger gibt es unzählige Souvenirartikel. Hamelner Restaurants offerieren auf ihrer Speisekarte "flambierte Rattenschwänze" und die Brotratte ist ein beliebtes Mitbringsel. Beim Rattenfänger-Freilichtspiel und dem Musical "Rats" können Besucher die sagenhafte Geschichte live erleben. Auch bei Stadtführungen ist die Symbolfigur mit ihrem bunten Kostüm dabei. Der aus Harrisburg in Pennsylvania stammende Michael Boyer betätigt sich sogar als hauptamtlicher Rattenfänger. Für ihn, der nach seinem Soldatendienst bei einer nahen US-Basis in Hameln hängen blieb, ein Traumberuf. Pro Jahr absolviert er 500 Auftritte mit Bravour:

    "Es gibt Kurzprogramm für Gruppen mit Ratten, mit Musik, Rattenfängersage, Gedicht und es gibt auch längere Programmstücke wie zum Beispiel Stadtführungen mit dem Rattenfänger. Das ist der Luxusartikel schlechthin, wo sie eine Stunde von vorne bis hinten unterhalten werden und sie sehen alle Schauplätze der Rattenfänger-Sage und sie hören die Geschichte und die verschiedensten Theorien darüber. 130 junge Leute weg aus der Stadt. Ob sie nun verzaubert waren oder freiwillig mitgingen, sei dahingestellt, und es gibt seitdem 16 verschiedene Historiker, die daran gearbeitet haben, die liefern uns allerdings 18 verschiedene Antworten."
    Mit "Robin Hood" aus Nottingham ist der "Rattenfänger von Hameln" schon seit langer Zeit befreundet. Anlässlich des 200. Jubiläums der Grimmschen Märchen ist die englische Sagengestalt für ein ganzes Wochenende nach Hameln gekommen, um dort zugleich die Freilichtsaison für die Märchenspiele mitzueröffnen.

    "Die Touristen kommen schon ab Ostern, aber wenn die Freilichtspieler, die 80 Laiendarsteller, auf die Bühne gehen am Sonntag, das ist der wahre Beginn der touristischen Saison in Hameln, und da starten wir mit dem verkaufsoffenen Sonntag. Robin Hood gibt allen die Hand, und dann würden wir den ganzen Nachmittag durch für Autogramme und Fotos stehen, verschiedene Spiele, Sachen für Kinder, Bogenschütz-Wettwerb, also gibt schon was."

    Im Spätmittelalter soll Robin Hood vorzugsweise habgierige Geistliche und Adlige ausgeraubt haben. Im Zuge seiner Auseinandersetzungen mit Feinden wurde er zum Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit, der den Reichen nimmt und den Armen gibt. Dieser Tradition folgt Robin auch bei seinem Besuch in Hameln, wenn auch wesentlich friedlicher als noch vor Jahrhunderten.

    "Er wird den Reichen hier ein bisschen Geld abnehmen und es armen Leuten geben. Also sein Auftrag ist, Geld zu sammeln für das Kinderkrankenhaus hier in Hameln, damit sie Neues an Spielzeug und so weiter haben. Es könnte sein, dass wir ein paar Reiche finden, die wir spontan ausrauben wollen, aber im Grunde genommen werden freiwillig Reiche gesucht, die einen Euro hier, einen Euro da spenden. Ich glaube nicht, dass jemand wirklich genötigt werden muss, um also sein Geld zu geben für einen guten Zweck."

    Mit Rattenfänger-Methoden lockt Hameln heute viele Tausend Touristen aus aller Welt in die Stadt. Niemand könne daraus einen Vorwurf herleiten, meint der Hamelner Historiker Dr. Holger Rabe. Die Stadt habe schon sehr früh erkannt, wie sich eine merkwürdige Sage in klingende Münze umsetzen lasse:

    "In vielen Chroniken der Zeit und Reiseberichten taucht auf, dass man nach Hameln gekommen ist, um sich eben auch zu dieser Geschichte des Rattenfängers zu informieren und der Hamelner Rat hat da sehr bewusst drauf reagiert. Es gab nun mal von diesem Rattenfänger nichts mehr, und er schuf die Stätten, wo man sich des Rattenfängers erinnern konnte, ähnlich wie eine heutige Tourismusförderung funktionieren würde, schuf man am Stadttor Inschriften, dass dort 1284 der Pfeifer rausgezogen sei. Man schuf eine Inschrift am Rattenfängerhaus, die können Sie heute noch sehen. In der Marktkirche gab es ein großes Glasfenster, wo der von außen kommende Besucher sich erklären lassen konnte, was denn damals so ganz konkret passierte. Die Hamelner waren damals clever und verdienten von einer alten Geschichte und betrieben im modernen Sinne Tourismusförderung."

    Lernen vom Rattenfänger. Hameln schöpft heute den Rahm von der "Deutschen Märchenstraße" ab und steht mit der Zahl seiner Besucher unangefochten an der Spitze. Dagegen liegen manche andere Orte im Weserbergland noch immer im Dornröschenschlaf und warten nur darauf, wachgeküsst zu werden. Doch ist ihnen das wirklich zu wünschen? Die Märchen sind ihr Schatz, den sie pflegen wollen. Wer in diese Welt der Poesie abtaucht, sucht auch die Stille und Abgeschiedenheit. Allzu viel Lärm und Hektik könnten die Fantasie nur stören.