Dienstag, 21. Mai 2024

Archiv


Von Schwarz und Weiß

Der junge Dramatiker Brett C. Leonhard widmet sich mit "Unconditional" dem amerikanischen Rassenkonflikt. Doch das Stück erschöpft sich in vorhersehbaren Klischees und kommt mit geradezu beschämender Naivität daher.

Von Andreas Robertz | 22.02.2008
    Das Licht geht an und wir sehen einen gefesselt und geknebelten weißen Mann mit dem Hals in der Schlinge auf einem Bürostuhl stehen. Vor ihm sitzt ein rauchender schwarzer Mann mit einer Waffe und einer Südstaatenflagge in der Hand. Minuten später wird er sie verbrennen, den Mann auf dem Stuhl voll Wut seinen Revolver ins Gesicht drücken und dann schließlich den Stuhl wegtreten.

    Lichtwechsel. Wir sehen einen trinkenden Mann an einem Tresen, der eine einsame, ebenfalls rauchende schwarze Frau zu überreden versucht, mit ihm ins Hotelzimmer zu gehen, nur um sich später von ihr erniedrigen zu lassen.

    Neun ineinander geschnittene New Yorker Geschichten erzählen von schwarzen und weißen Menschen, die sich anscheinend besser nie begegnen würden. Sie erzählen von rassistischem Gebaren, Sex, Gewalt und Hass, und ein bisschen von einem Versuch von Liebe.

    Der Raum besteht aus einer langen von Bühnenwänden eingefassten Arena, in die das Publikum entweder von oben oder von den Seiten Einsicht hat. Durch verschiedene Schiebewände werden immer wieder neue Perspektiven und Orte für die einzelnen Geschichten geschaffen. Wie in Schubladen werden Betten, Tresen oder ganze Büros aus den Wänden gezogen, ein Effekt, der sich leider sehr schnell abnutzt. Hier konnte sich der britischen Regisseur Marc Wing-Davey wohl nicht zwischen realistischer Erzählform und naturalistischen Unwichtigkeiten entscheiden.

    Unterlegt mit melancholischer Bluesmusik und beleuchtet in einer Filmästhetik à la Sin City, erzählt "Unconditional", wie schwierig es doch für Schwarze und Weiße ist, mit dem jeweils anderen in Beziehung zu treten. Leider erfahren wir zu wenig über diese Menschen selber, außer dass sie einsam und wütend sind.

    Zum Beispiel der seit 25 Jahren angestellte schwarze Büroangestellte, dem kurz vor seiner Pensionierung gekündigt wird, damit die Firma seine Pension nicht vollständig zahlen muss. Oder der unglücklich verheiratete weiße Mann, der sich nach einer schwarzen sanften Schönheit sehnt. Immer wieder sehen wir die Figuren rauchend irgendwo sitzen, oder neben einem Telefon warten, oder auf einen Fernseher starren.

    Am Ende des Abends, wenn wir uns wieder in der Anfangsszene befinden, sagt der Büroangestellte seinem am Seil hängenden Chef, kurz bevor er ihm den Stuhl wegtritt, dass dieser Angst vor ihm habe, vor seiner Hautfarbe, seinem Schwanz und seinem Hass. Kommt uns dass nicht alles schrecklich bekannt vor?

    Ist New York wirklich so oberflächlich in seiner Behandlung von race relationships, einem seit den zwanziger Jahren so wichtigen Terminus, der die Beziehungen zweier Menschen unterschiedlicher Rassen beschreibt, im Besonderen Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen?

    Der weiße Autor Brett C. Leonhard will uns das in "Unconditional" wohl glauben machen. Vielleicht hätte er sich einmal mit Schriftstellern der Harlem Renaissance wie Langston Hughes oder W.E.B. Du Bois beschäftigen sollen, die bereits in den frühen 20er Jahren engagierter und mutiger über dieses Thema Stücke geschrieben haben.
    "Unconditional" ist in einer Zeit, wo Rassismus in Amerika unter der Oberfläche der political correctness ein äußerst subtiles und vielschichtiges Problem ist, von geradezu beschämender Naivität und Seichtigkeit. Es erschöpft sich in vorhersehbaren Klischees und einer Ästhetik, die abgenutzt und verstaubt wirkt - für New Yorker Verhältnisse ein enttäuschender Abend.