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Von trägen Kühen und verschluckten Spitzmäusen

Preisverleihung. - Jedes Jahr im Herbst werden die Nobelpreise verliehen, die wohl prestigeträchtigsten Auszeichnungen für Wissenschaft. Bis dahin dauert es noch etwas, und damit die Zeit nicht zu lang wird, werden ebenfalls jedes Jahr im Vorfeld die Ig-Nobel-Preise verliehen. Auch sie zeichnen außergewöhnliche wissenschaftliche Leistungen aus. Jetzt war es im Sanders Theatre der Harvard Universität wieder soweit.

Von Volker Mrasek | 13.09.2013
    "Welcome."

    Für ausschweifende Willkommensreden war diese Nacht keine Zeit im Sanders Theatre in Boston.

    "Welcome."

    Zu dicht war mal wieder das Programm bei der feierlichen Zwei-Stunden-Zeremonie ...

    "Tonight ten prices will be given. The achievements speak for themselves all too eloquently."

    In insgesamt zehn Disziplinen wurden die illustren Ig-Nobel-Prices vergeben. Lauter Errungenschaften, die für sich sprächen, wie der Conférencier anmerkte - augenzwinkernd anmerkte. Denn ignoble – das kann man auch mit "unwürdig" übersetzen. Doch von wegen!

    "Tonight is a great honour for us..."

    Eine große Ehre sei es, hier zu sein. Das meinte gleich der erste Preisträger des Abends, ein Japaner. Auch mit seiner Dankesrede verblüffte er das Publikum.

    "La Traviata."

    Die Arbeitsgruppe des Forschers fand heraus, daß Opernmusik den Heilungsprozess nach einer Herztransplantation beschleunigt – jedenfalls bei Labormäusen. Denen spielten die Japaner "La Traviata" vor. Für das Experiment gab es jetzt den Ig-Nobel-Preis für Medizin. Überhaupt ging es in dieser Nacht sehr musikalisch zu - und das nicht nur im Rahmenprogramm.

    "We had a correlation."

    Der Franzose Laurant Bègue las seine Dankesrede nicht ab – er sang sie! Dazu spielte er auch noch Gitarre und Mundharmonika. Auch als Wissenschaftler hat Laurant Bègue offenbar seine Qualitäten. Zusammen mit Kollegen wies er nach, daß Leute, die annehmen, sie seien betrunken, auch glauben, sie seien attraktiv. Wofür diese Studie auch immer gut sein mag – sie erhielt auf jeden Fall den Ig-Nobel-Preis für Psychologie ...

    "Cows can be really boring!"

    Ganz mürrisch dagegen in dieser Nacht Bert Tolkamp. Sein ganzes Leben habe er damit verbracht, über Kühe zu forschen, erzählte der Niederländer. Auf dem Gebiet sei er absoluter Experte – und ziemlich frustriert. Denn:

    "These cows just were hanging around and they never did, what we expected of them!"

    Kühe hängen immer nur rum! Sie tun nie das, was man von ihnen erwartet! Tolkamp hat dennoch Erstaunliches an den Tieren beobachtet. Und sich so den Ig-Nobel-Preis für Wahrscheinlichkeitsrechnung verdient. Zunächst stellte er fest: Je länger eine Kuh faul auf der Haut liegt, desto wahrscheinlicher wird es, daß sie bald abrupt aufsteht. Doch vorherzusagen, wann sich das Rindvieh danach wieder niederlässt – das sei praktisch unmöglich!

    Was soll man von einem Forscher halten, der Folgendes tut: Er besorgt sich eine tote Spitzmaus, kocht sie ab, verschluckt sie komplett - und untersucht in den nächsten Tagen, welche Knochen des Nagers er wieder ausscheidet und welche nicht. Das muss man erst einmal verdauen!

    "This crazy, crazy idea!"

    Eine vollkommen verrückte Idee! Das sagt Brian Crandall selbst. Der hartgesottene Kerl aus den USA bekam dafür jetzt die Quittung: den Ig-Nobel-Preis für Archäologie. Denn der appetitliche Selbstversuch wurde – warum auch immer – von einem archäologischen Fachjournal veröffentlicht.

    "We are duplicating this study, and we will be recruiting volunteers outside."

    Wir wollen die Studie wiederholen und werden gleich draußen Freiwillige rekrutieren. Als Crandall das sagte, hielt das Publikum für einen Moment die Luft an. An anderer Stelle dagegen lauschten die Theatergäste ganz aufmerksam. Als nämlich der italienische Physiker Alberto Minetti behauptete, es sei möglich, über das Wasser eines Teiches zu laufen. Für jeden von uns. Es gebe da nur ein kleines Problem:

    "Those humans and the pond need to be on another planet."

    Der Tümpel und wir – wir müssten auf einem anderen Planeten sein! Genauer gesagt ...

    "...on the moon."

    Auf dem Mond! Dort sei die Gravitation nämlich gerade richtig, um über Wasser zu wandeln. Nicht zu stark, und nicht zu schwach. Leider werden es Alberto Minetti und seine Studienkollegen nie ausprobieren können. Trösten dürfen sie sich aber mit dem Ig-Nobel-Preis für Physik. Niemand wunderte sich übrigens, daß ein Preisträger an diesem Abend nicht auf der Bühne erschien – der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko. Ihm hatte man eigentlich den Ig-Nobel-Friedenspreis zuerkannt. Dafür, daß der Diktator öffentlichen Applaus unter Strafe gestellt hat.

    "Good night!"