Freitag, 29. März 2024

Archiv


Von Trichter- und Trompetenschwämmen

Glasschwammriffe galten schon als so gut wie ausgestorben, als kanadische Geologen die riesig großen Gebilde vor der Provinz British Columbia zufällig entdeckten. Weiße, wolkenförmige Schwämme, kelch- und trichterförmig mit wilden Zotteln daran und kleinen Mündern. Diese und andere Riffe müssen gerettet werden. Aber die Zeit ist knapp. Und nicht überall auf der Welt sieht man das Problem auf die gleiche Weise.

Von Dieter Nürnberger | 09.12.2008
    Dieses Internationale Jahr des Riffes 2008 war schon das zweite dieser Art - bereits 1997 gab es ein solches Jahr. Und die Botschaft hat sich seit damals nicht groß verändert. Man will aufklären über die Vielfalt dieser Lebensräume, natürlich auch über die Gefährdungen. Auch heute Vormittag, bei der Vorstellung der Bilanz, klang dies wieder durch. Was die Regenwälder für die Landfläche unserer Erde bedeuteten, das seien die Korallenriffe für die Meere - heißt es beispielsweise im Bundesumweltministerium, die Behörde war Schirmherr der Aktivitäten zum Internationalen Jahr des Riffes in Deutschland.

    Es geht also um Biotope mit der höchsten biologischen Vielfalt. Rund eine Million Arten konzentrieren sich in diesen Unterwasser-Landschaften. Reinhold Leinfelder, der Generaldirektor des Museums für Naturkunde in Berlin, zählte deshalb auch noch einmal die Hauptursachen der Gefährdung der weltweiten Riffe auf.

    "Nach wie vor sehr schwierig ist die Situation des Fischfangs. Es gibt eine enorme Überfischung und auch einen enormen Beifang. Aber es gibt auch falsche Fischereimethoden. Die haben wir in den Riffen immer noch nicht unter Kontrolle. Es gibt nach wie vor Dynamitfischerei, es gibt auch immer noch Zyankalifischerei. Und auch der Souvenirhandel geht weiter. Vielleicht wird dies inzwischen etwas besser kontrolliert, aber immer noch werden ganze Riffe deswegen abgebaut. Ein weiteres großes Problem: Der Schadstoffeintrag, der durch Landnutzung passiert, hier geht es um Überdüngung. "

    Zur Bilanz dieses Internationalen Jahres des Riffes gehört auch die Präsentation neuester Zahlen und Erkenntnisse. Georg Heiß ist Projektmanager dieses Gedenkjahres. Er stellte heute den neusten Bericht des "Global Coral Reef Monitoring Network" vor. Eine Mischung aus schlechten und guten Nachrichten.

    "Eine erstaunliche Erholung der Riffe vom großen Korallenbleichen Ende der neunziger Jahre gibt es zu verzeichnen. Das Korallenbleichen hat sich diesmal auch wieder bemerkbar gemacht - vor allem in der Karibik, aber nicht im Ausmaß wie vor 10 Jahren. Wir haben beispielsweise enorme Erfolge beim Schutz der Riffe, speziell bei der Ausrufung und Erklärung von Schutzgebieten. Obwohl dies natürlich viel schneller gehen könnte. 2004 hat der Tsunami in Südost-Asien ja auch regional erhebliche Schäden angerichtet. Die wurden durch schlechtes Management danach sogar noch verschärft. Die Schädigungen durch den Menschen sind praktisch nicht zurückgegangen. Das hält an. Und immer schlimmer und ungebremst wirkt sich der globale Klimawandel aus. "

    Rund 20 Prozent der weltweiten Riffbestände seien inzwischen zerstört. Vergleichsjahr ist hier 1950. Aber in der Tendenz konnte dieser Negativtrend zumindest gestoppt werden. 15 Prozent der Bestände gelten als kritisch, sie werden wohl in den nächsten 10 bis 20 Jahren verlorengehen. Und zusätzliche 20 Prozent gelten als bedroht - sie könnten in rund 40 Jahren verschwunden sein. Der Klimawandel gilt inzwischen als eine Art Hauptbedrohung, doch man möchte auch darauf aufmerksam machen, dass gesunde und intakte Korallenriffe auch ein Schutz gegen schlimmste Folgen des Klimawandels sein können. Reinhold Leinfelder.

    "Diese Erkenntnis ist nicht neu. Gesunde Korallenriffe - und nur diese - können mit einem Meeresspiegelanstieg auch Schritt halten. Sie können daher auch die Funktion des Wellenbrechens, des Schutzes vor Stürmen weiterhin wahrnehmen. Wenn dann noch die Mangroven intakt sind, dann bleiben auch die Schutzwälle direkt an den Küsten erhalten. Das ist eine gute Botschaft. Man kann sagen, Korallen als komplexe Systeme reagieren eben auf unterschiedliche Weise."

    45 Prozent der weltweiten Riffbestände gelten derzeit als gesund. Zur Bilanz gehöre auch, dass sich die Politik des Themas angenommen habe. Etwa auf der Vertragsstaatenkonferenz zur biologischen Vielfalt in Bonn im Sommer dieses Jahres. Und mehr - so hieß es heute in Berlin - könnte ein solches internationales Gedenkjahr wohl auch nicht leisten.