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Von Trollen und anderen Fabelwesen

Mit seiner Serie "Hilda" gelang dem britischen Autor und Zeichner Luke Pearson eine anspruchsvolle Comicreihe, die Kinder wie Erwachsene gleichermaßen begeistert. Nun erscheint der erste Band der Serie unter dem Titel "Hilda und der Mitternachtsriese" auf Deutsch.

Luke Pearson im Gespräch mit Christian Gasser | 21.03.2013
    Hilda, ein resolutes Mädchen mit blauem Haar, lebt mit ihrer Mutter in einem Blockhaus in den Bergen, umgeben von Trollen, Elfen, Holzmännchen, beseelten Steinbrocken und anderen fantastischen Wesen. Manche dieser Fabelwesen sind niedlich, andere sind furchterregend, die meisten sind Hildas Freunde. Außer den unsichtbaren Elfen, die Hilda und ihre Mutter mit Drohbriefen und Steinwürfen zu vertreiben versuchen.

    "I've always had interest in children's stories, children's books and children's animation. I've always been fond of it."

    Er habe sich schon immer für Kinderbücher und Trickfilme interessiert, entgegnet Luke Pearson auf die Frage, ob es nicht ungewöhnlich sei, dass ein 25 Jahre junger Mann Geschichten um ein kleines Mädchen und Monster erzählt.
    Noch mehr möge er aber Geschichten, die sowohl Erwachsene als auch Kinder ansprechen. Genau das strebe er mit "Hilda" an.

    "…like I'm fond of all ages works. Or like works that appeal to adults and children's alike. That's what I wanted to do rather than a kid's book."

    Das ist ihm in "Hilda und der Mitternachtsriese" wunderbar gelungen: Der Plot ist kindgerecht, ohne aber die Intelligenz erwachsener Leserinnen und Leser zu beleidigen – und vor allem ist er alles andere als belanglos. Kinder seien schließlich nicht dumm, betont Luke Pearson, als Kind habe er selber vor allem die Bücher gemocht, die ihn nicht wie ein Kind behandelten.

    "…like kids aren't stupid. The books I liked when I was kid weren't like kids books. You don't need to be talked to like a kid."

    Eines Tages machen sich die winzigen Elfen Hilda gegenüber sichtbar und erklären ihr, warum ihre Hütte sie stört: Sie steht mitten im Elfental, und Tag für Tag zertrümmern Hilda und ihre Mutter ohne es zu bemerken mehrere Elfenhäuser. Hilda sieht das Problem, aber sie möchte in den Bergen bleiben – deshalb macht sie sich auf den langen Irrweg durch die elfische Bürokratie, um ihre Situation mit dem Elfenkönig zu klären.

    Er habe keineswegs eine politische Aussage machen wollen, betont Pearson:

    "I didn't want to hammer like a political point in there. Or I wouldn't even try to be subversive or anything."

    Auch wenn der Subtext um Integration, Ausgrenzung und Toleranz unübersehbar ist, fügt er sich bruchlos in Hildas magischen Kosmos ein und wirkt in keinem Moment belehrend. Das liegt auch an Hilda selber. Ein bisschen sorglos sei sie, und doch sehr mitfühlend. Sie sei ein gutes Kind, sagt Pearson, ohne aber dem unangenehmen Stereotyp des guten Kinds zu entsprechen.

    "Hilda herself can be carefree and caring. She is a good kid without being like a cloying annoying stereotype of a good kid."

    Unterstützt von ihren fabelhaften Freunden kämpft sich Hilda durch ihr großes Abenteuer, das immer wieder überraschende Wendungen nimmt. Vor diesem Hintergrund, ist Pearson überzeugt, können auch Kinder die eher politische Ebene der Geschichte nachvollziehen – indem sie diese als Teil der elfischen Realität akzeptieren.

    "I think children will maybe pick up on that as well, it's not going over their heads, it's just something that's just there, just the way it is."

    Trolle und Elfen: Die nordische Sagenwelt ist Pearsons größter Einfluss, seit er als Kind Ferien in Norwegen verbrachte. Auch über seine anderen Einflüsse redet er offen: Da wäre der zauberhafte Kosmos um "Die Mumins" von Tove Jansson, diese nilpferdartigen Trollwesen aus Finnland, die vor einigen Jahren mit großem Erfolg wiederentdeckt wurden:

    "The obvious inspiration is Tove Jansson and the Moomin books."

    Auch den klaren Strich und die Seitengestaltung von "Tim und Struppi" führt er an und die nostalgische Wärme der Animationsfilme von Hayao Miyazacki. Diese Einflüsse verarbeitet Pearson zu einem eigenen, gleichermaßen modern wie nostalgisch wirkenden Stil. Ein Stil, der wunderbar zu der Geschichte passt, die trotz der fantastischen Elemente, des Humors und der visuellen Verspieltheit von einem emotionalen, bisweilen sogar melancholisch düsteren Grundton durchzogen ist. Etwa wenn der Mitternachtsriese auftaucht, stumm und einsam, der auf der Suche nach seiner Geliebten seit Jahrhunderten durch die magische Bergwelt geistert.

    Die Geschichten sollen zwar das Gefühl von Wärme und Sicherheit verströmen, sagt Pearson:

    "I just want the stories to be like warm and safe – but not in a bad sense of safe. I want it to be like a sense of cosiness with a sense of like big adventure and like trying to marry those two things somehow."

    Aber er versucht, diese Gefühle zu verknüpfen mit der Atmosphäre eines großen Abenteuers. So gelingt Luke Pearson mit "Hilda und der Mitternachtsriese" tatsächlich das seltene Kunststück, sowohl kindliche als auch erwachsene Leser zu bezaubern und zu begeistern – und das macht aus "Hilda" eine Figur mit großem kommerziellen Potenzial.

    Pearson denkt aber weiter als an den heutigen Erfolg. Er möchte, dass die Kinder, die "Hilda" heute lesen, sich als Erwachsene gerne an diese Bücher erinnern und sich nicht dafür schämen.

    "…and I want these books to be something that people would read as kids and then look back on fondly and not look back on, thinking "why was I reading that" and not feel any connection with it."

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.