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Von unglücklicher Liebe und innerer Einsamkeit

Die Schriftstellerin Carson McCullers galt in den 1940er Jahren als Wunderkind der New Yorker Literaturszene. Zwischen Partys, Whiskyexzessen und einer chaotischen Ehe war sie immer wieder die brave Tochter, die sich monatelang in ihrem Elternhaus in den Südstaaten einnistete und fleißig an ihren Romanen schrieb. Am 19. Februar 1917 wurde Carson McCullers in Columbus in Georgia geboren.

Von Maike Albath | 19.02.2007
    Ponyfransen, Kulleraugen, kurzer Rock und Kniestrümpfe, so trifft Carson McCullers im September 1934 in New York ein. Die Siebzehnjährige aus Georgia, die damals noch Lula Carson heißt, ist eine hochbegabte Pianistin und soll ihre Ausbildung an der Juillard-School fortsetzen. Doch daraus wird nichts, denn am dritten Tag nach ihrer Ankunft kommen ihr in der U-Bahn sämtliche Ersparnisse abhanden. Carson schlägt sich als Lokalreporterin, Kellnerin und Comic-Autorin durch und besucht ein paar Abendkurse an der Universität, um ihre zweite Leidenschaft zu kultivieren: das Schreiben. Ein paar Monate später läuft ihr ein junger Soldat namens Reeves McCullers über den Weg.

    "Als ich ihn das erste Mal sah, traf es mich wie ein Schock, ein Schock reinster Schönheit; er war der bestaussehendste Mann, den ich je gesehen habe."

    Reeves heiratet die junge Frau mit dem Kindergesicht und der messerscharfen Intelligenz. Beide wollen Schriftsteller werden, und jeweils für ein Jahr soll einer für den Unterhalt sorgen und der andere am Schreibtisch sitzen dürfen. Carson ist zuerst an der Reihe. Sie veröffentlicht eine Kurzgeschichte, erkrankt an rheumatischem Fieber und ergattert dennoch einen Verlagsvertrag für ihren Roman "Das Herz ist ein einsamer Jäger", der 1940 erscheint. Über Nacht wird Carson McCullers zum gefeierten Wunderkind der amerikanischen Literatur. Sie schlägt einen sanften Ton an und entspinnt behutsam das Schicksal ihrer Helden.

    "Weit weg von der Hauptstraße, in einem Negerviertel der Stadt, saß Doktor Benedict Mady Copeland allein in seiner dunklen Küche. Es war neun Uhr vorbei; die Sonntagsglocken schwiegen nun. Obwohl die Nacht sehr heiß war, brannte im Herd ein kleines Holzfeuer. Doktor Copeland saß vorgebeugt dicht davor auf einem geradlehnigen Küchenstuhl und hielt den Kopf in seine langen, schmalen Hände gestützt."

    Aber Reeves neidet seiner Frau den Erfolg, die beiden zerstreiten sich, und die Schriftstellerin bezieht mit Freunden ein Haus in Brooklyn, das zum Mittelpunkt der New Yorker Bohème wird. Benjamin Britten spielt im Wohnzimmer Klavier, Wysten Auden hält in der Küche Hof, Marilyn Monroe kommt vorbei, Redakteure von Harpers Bazaar diskutieren im Flur über Kierkegaard und C.G. Jung.

    Carson arbeitet rastlos an neuen Manuskripten und verliebt sich in Frauen. 1941 erleidet die Vierundzwanzigjährige ihren ersten Schlaganfall. Ihr Gesundheitszustand bleibt von nun an prekär, Whiskeygelage tun ein Übriges. Die Eheturbulenzen halten an, es kommt zu einer Versöhnung, bis Reeves unter Carsons Namen einen Scheck veruntreut und sie sich scheiden lassen. Der geschasste Ehemann tritt in die Armee ein, um im Zweiten Weltkrieg zu kämpfen. Aber 1945 heiraten sie ein zweites Mal.

    "Später flehte ich Reeves an, sich um einen Job zu bemühen, damit er nicht den ganzen Tag nur in der Wohnung herumhing und die Zeit totschlug. Er ging oft in Bars, um zu trinken, oder saß lesend zu Hause herum. Die völlige Sinnlosigkeit seines Lebens zermürbte mich, und diese absolute moralische Depression dauerte bis zu seinem Tod. Ich selbst war die ganze Zeit mit Schreiben beschäftigt, was ihm auf die Nerven gegangen sein muss."

    Als sie mit ihrem Mann Anfang der 50er Jahre einige Zeit in Europa lebt, versucht er, unfähig sich nach dem Krieg an die Normalität zu gewöhnen, seine Frau zum Doppelselbstmord zu überreden. Carson flüchtet nach New York, Reeves setzt seinen Entschluss 1953 in einem Pariser Hotelzimmer um.

    Die Qualen einer unmöglichen Liebe und die tiefe innere Einsamkeit der Menschen sind immer wieder Thema in McCullers Romanen. Es sind Geschichten über den deep south, den tiefen amerikanischen Süden mit seinen urtümlichen Bewohnern, den brutalen Rassenkonflikten und den Hinterlassenschaften des Bürgerkriegs. Immer stärker machen der Schriftstellerin ihre Krankheiten zu schaffen: halbseitig gelähmt kann sie noch ihr bestechendes Buch über den Tod "Die Uhr ohne Zeiger" beenden. 1967 stirbt Carson McCullers mit nur fünfzig Jahren.

    "Und all die Pläne, die sie in der inneren Welt gemacht hatte? Das musste doch für irgendetwas da gewesen sein, wenn es einen Sinn haben sollte. Und den musste und musste und musste es haben. Ja, es hatte einen Sinn. Na also! O.K. Einen Sinn."