Angekündigt wurde dieser Tage für Mitte Juli eine erste Bach Biennale in Weimar. Im Kerngeschäft verspricht das Programm in etwa das, was seit rund 200 Jahren in deutschen Kleinstädten immer wieder in Erinnerung an den großen Komponisten aufgeboten wird.
So weit, so gut. Zum Abschluss des mittelthüringischen Events aber soll es ein "Leckerli" geben: den "Festakt Bach und seine Musikfürsten". Der Titel vernebelt allerdings das Problem, das der Musiker mit seinen Landesherrn hatte: dass sie seiner Auffassung nach teil- oder zeitweise zu wenig Interesse an den Tonkünsten entwickelten.
Hauptdarsteller der Inszenierung am 13. Juli im Residenzschloss sind zwei Nachfahren: Seine Königliche Hoheit Prinz Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach sowie Seine Hoheit Prinz Eduard von Anhalt. Sie versprechen – knapp 300 Jahre nach der mit Streit endenden Beschäftigung Bachs in Weimar – die "feierliche Rehabilitation des Komponisten".
Ja, so mag man sich da fragen, bedarf der Meister denn solcher Huld? Was ist denn damals vorgefallen? So viel sich noch in Erfahrung bringen lässt, dies: J.S. Bach war 1708 in Weimar als Hoforganist und Cammermusicus angestellt worden. Er hatte – im Rang eines Unteroffiziers – die in Husarenuniform aufspielenden Mitglieder des Hoforchesters zu drillen und die Gottesdienste in der Schlosskapelle zu bedienen. Er war so leistungswillig wie produktiv, wurde aber lange nicht befördert. Also bewarb er sich, was auch damals sein gutes Recht war, im benachbarten Köthen, wo der Bruder der Landesherrin residierte, aber nicht gut mit seiner Verwandtschaft auskam.
Dem Dienstherrn in Weimar passte dieser beabsichtigte Wechsel nach Köthen nicht – und Bach, der geschnitten wurde, fing wohl an, Dienst nach Vorschrift zu machen. Daraufhin hat man den jungen Meister kurzerhand ohne Rechtsgrundlage "wegen seiner Halßstarrigen Bezeüglichkeit", wie das im damaligen Amtsdeutsch hieß, "auf der LandRichter-Stube arrêtiret."
Haft also wegen Eigensinn und angeblichem Vertragsbruch (vielleicht auch wegen vermuteter Gefahr der Flucht in Richtung neue Arbeitsstelle). Nach vier Wochen fruchtloser Erzwingungshaft jedenfalls, die zu Reinschriften von Orgelwerken genutzt wurde, ließ man ihn mit Frau Maria Barbara und vier kleinen Kindern gehen.
Angesichts des Sachverhalts – Rechtsbeugung, Nötigung und Freiheitsberaubung – stünde es, wenn dergleichen irgend einen Sinn machte, dem Erben eines Adelstitels heute höchstens an, sich zu entschuldigen für das Übel, das der Urahn dem alten Bach zufügte. Dessen vielleicht noch in der Erde vor der Leipziger Johanniskirche liegende Restknochenmasse erreicht die frohe Botschaft aus Weimar, dass ein nie ergangenes Urteil aufgehoben wird, gegebenenfalls gewiss mit respektvoller Erschütterung.
Der unlängst von einer schottischen Anthropologin rekonstruierte Bach-Schädel kann die Angelegenheit abnicken, wenn man dies skurrile Kunstobjekt an den Ort der "Wiedergutmachung" schafft und mit ihm ein wenig wackelt. Beste Gelegenheit dazu bietet sich im Grand Hotel Russischer Hof, in dessen Gala-Diner der Festakt nahtlos übergeht (das Kombi-Angebot für "Rehabilitation" und 3-Gänge-Gourmet-Menü: 95 Euro).
Postmortale Revisionen von staatlichem Unrecht sind ohnedies fast immer schon problematisch und skurril. Hier aber maßt sich, wenn auch mit ironischem Augenzwinkern, einer, der gar nichts mehr zu sagen hat, einen Hoheitsakt an. Es geht um Selbstamnestierung und -inszenierung von bedeutungslos gewordenen Fürsten. Dass Seine Königliche Hoheit auch gleich dem entfernten Cousin Eduard öffentlich die Hand schütteln will, wird die Lokal- und Bunte-Blätter-Presse gewiss ergreifend finden und so das PR-Spektakel für die Herren von Thut- und Taugtnix funktionieren.
Küche und Service im Russischen Hof sind übrigens in der Regel vorzüglich. Guten Appetit also auch weiterhin!
So weit, so gut. Zum Abschluss des mittelthüringischen Events aber soll es ein "Leckerli" geben: den "Festakt Bach und seine Musikfürsten". Der Titel vernebelt allerdings das Problem, das der Musiker mit seinen Landesherrn hatte: dass sie seiner Auffassung nach teil- oder zeitweise zu wenig Interesse an den Tonkünsten entwickelten.
Hauptdarsteller der Inszenierung am 13. Juli im Residenzschloss sind zwei Nachfahren: Seine Königliche Hoheit Prinz Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach sowie Seine Hoheit Prinz Eduard von Anhalt. Sie versprechen – knapp 300 Jahre nach der mit Streit endenden Beschäftigung Bachs in Weimar – die "feierliche Rehabilitation des Komponisten".
Ja, so mag man sich da fragen, bedarf der Meister denn solcher Huld? Was ist denn damals vorgefallen? So viel sich noch in Erfahrung bringen lässt, dies: J.S. Bach war 1708 in Weimar als Hoforganist und Cammermusicus angestellt worden. Er hatte – im Rang eines Unteroffiziers – die in Husarenuniform aufspielenden Mitglieder des Hoforchesters zu drillen und die Gottesdienste in der Schlosskapelle zu bedienen. Er war so leistungswillig wie produktiv, wurde aber lange nicht befördert. Also bewarb er sich, was auch damals sein gutes Recht war, im benachbarten Köthen, wo der Bruder der Landesherrin residierte, aber nicht gut mit seiner Verwandtschaft auskam.
Dem Dienstherrn in Weimar passte dieser beabsichtigte Wechsel nach Köthen nicht – und Bach, der geschnitten wurde, fing wohl an, Dienst nach Vorschrift zu machen. Daraufhin hat man den jungen Meister kurzerhand ohne Rechtsgrundlage "wegen seiner Halßstarrigen Bezeüglichkeit", wie das im damaligen Amtsdeutsch hieß, "auf der LandRichter-Stube arrêtiret."
Haft also wegen Eigensinn und angeblichem Vertragsbruch (vielleicht auch wegen vermuteter Gefahr der Flucht in Richtung neue Arbeitsstelle). Nach vier Wochen fruchtloser Erzwingungshaft jedenfalls, die zu Reinschriften von Orgelwerken genutzt wurde, ließ man ihn mit Frau Maria Barbara und vier kleinen Kindern gehen.
Angesichts des Sachverhalts – Rechtsbeugung, Nötigung und Freiheitsberaubung – stünde es, wenn dergleichen irgend einen Sinn machte, dem Erben eines Adelstitels heute höchstens an, sich zu entschuldigen für das Übel, das der Urahn dem alten Bach zufügte. Dessen vielleicht noch in der Erde vor der Leipziger Johanniskirche liegende Restknochenmasse erreicht die frohe Botschaft aus Weimar, dass ein nie ergangenes Urteil aufgehoben wird, gegebenenfalls gewiss mit respektvoller Erschütterung.
Der unlängst von einer schottischen Anthropologin rekonstruierte Bach-Schädel kann die Angelegenheit abnicken, wenn man dies skurrile Kunstobjekt an den Ort der "Wiedergutmachung" schafft und mit ihm ein wenig wackelt. Beste Gelegenheit dazu bietet sich im Grand Hotel Russischer Hof, in dessen Gala-Diner der Festakt nahtlos übergeht (das Kombi-Angebot für "Rehabilitation" und 3-Gänge-Gourmet-Menü: 95 Euro).
Postmortale Revisionen von staatlichem Unrecht sind ohnedies fast immer schon problematisch und skurril. Hier aber maßt sich, wenn auch mit ironischem Augenzwinkern, einer, der gar nichts mehr zu sagen hat, einen Hoheitsakt an. Es geht um Selbstamnestierung und -inszenierung von bedeutungslos gewordenen Fürsten. Dass Seine Königliche Hoheit auch gleich dem entfernten Cousin Eduard öffentlich die Hand schütteln will, wird die Lokal- und Bunte-Blätter-Presse gewiss ergreifend finden und so das PR-Spektakel für die Herren von Thut- und Taugtnix funktionieren.
Küche und Service im Russischen Hof sind übrigens in der Regel vorzüglich. Guten Appetit also auch weiterhin!