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Von Wolfensohn zu Wolfowitz

Der als Architekt des Irak-Krieges bekannte US-Politiker Paul Wolfowitz tritt am 1. Juni sein Amt als Chef der Weltbank an. Der 61-jährige wird Nachfolger von James Wolfensohn, der die Organisation zehn Jahre lang geleitet hatte. Die Wahl von Wolfowitz hatte weltweit Proteste ausgelöst. Die Weltbank ist eine der finazstärksten Entwicklungsinstitutionen der Welt. Im vergangen Jahr vergab sie rund 20 Milliarden Dollar an 245 Projekte in aller Welt.

Von Jule Reimer und Gerhard Schröder | 01.06.2005
    "Wir geben pro Jahr eine Billion Dollar für Rüstung aus. Eine Billion Dollar! Und wir geben vielleicht 50 bis 60 Milliarden Dollar im Jahr für Entwicklung aus. Also, etwas Sinnloseres kann man sich doch gar nicht vorstellen."

    James Wolfensohn hat als Präsident der Weltbank nie verhehlt, dass er Investitionen in Armutsbekämpfung für produktiver hält als Investitionen in Waffen. Heute hat er das Amt an Paul Wolfowitz übergeben. Der war zuvor stellvertretender US-Verteidigungsminister und Architekt des Irak-Krieges.

    Eine Dekade lang hat James Wolfensohn den Kurs der Weltbank bestimmt. Im Gouverneursrat der Bank vertritt Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die deutsche Regierung. Sie bilanziert:

    "Er hat die Weltbank geöffnet, er hat sie geöffnet für die Zusammenarbeit mit den Nichtregierungsorganisationen, auch für die Debatte. Er hat sich als jemand verstanden, der die Interessen, Hoffnungen und Erwartungen der Entwicklungsländer und der Menschen in den Entwicklungsländern aufgegriffen hat, mit ihm sind wir von einem Teil der Konditionalitäten weggekommen, die in den 80er Jahren galten."
    Heute setzt sich die Weltbank gemeinsam mit den Vereinten Nationen für sauberes Trinkwasser für über eine Milliarde Menschen, für die Halbierung der Zahl der Hungernden, für Grundschulzugang für alle Kinder und eine geringere Müttersterblichkeit ein – Bestandteile der acht Millenniumentwicklungsziele, die weltweit bis zum Jahr 2015 erfüllt sein sollen.

    Das war nicht immer so. In den 80er Jahren baute die Entwicklungspolitik der Weltbank unter der Bezeichnung "Washington Consensus" auf großen Infrastrukturprojekten und neoliberalen Strukturanpassungsprogrammen auf.

    Um Weltbankkredite zu erhalten, mussten hochverschuldete Regierungen Staatsunternehmen abstoßen und Subventionen streichen - auch solche für Grundnahrungsmittel, Schulen oder Krankenhäuser. Bodenschätze wurden ausgebeutet, Urwälder abgeholzt, landwirtschaftliche Monokulturen ausgeweitet – auch, damit die Entwicklungsländer ihre Auslandsschulden bedienen konnten. Peter Woicke, der ab 1999 als Vizepräsident zusammen mit Wolfensohn den Wandel der Weltbank bestimmt hat, erinnert sich:

    "Es war einfach Ende der 80er Jahre die Situation, dass in vielen Entwicklungsländern das Geld in den Budgets nicht mehr vorhanden war, um Infrastrukturprojekte durchzuführen, um Ausgaben im Gesundheitssektor usw. zu finanzieren und da wurde vielfach das Heil in der vollen Privatisierung gesehen und man nahm an, dass der Privatsektor in vielem einspringen könnte."

    Es hagelte Kritik, zuerst von engagierten Umweltschützern und Entwicklungsorganisationen, dann auch zunehmend von den Aktionären der Bank, den Regierungen. Deren Stimmrechte orientieren sich an den geleisteten Einlagen. Als größter Anteilseigner können die USA den Kurs der Weltbank stark beeinflussen, Entwicklungsländer hingegen kaum. Und traditionell bestimmt die US-Regierung den Präsidenten der Weltbank, während die Europäer die Spitze des Internationalen Währungsfonds besetzen.

    Der damalige US-Präsident Bill Clinton wählte den gebürtigen Australier Wolfensohn mit Bedacht für die Weltbankspitze aus. Der erfahrene Investmentbanker gibt sich weltoffen und kann begeistern.

    Wolfensohn verpflichtete die Bank-Mitarbeiter auf einen armutsorientierten Kurs, steuerte also weg vom reinen Wachstumsdenken. Damit hat er die Weltbank geprägt wie zuvor höchstens Robert McNamara in den 70er Jahren. McNamara, der die USA zuvor in den Vietnamkrieg geführt hatte, schwor die Bank auf die so genannte Grundbedürfnisstrategie ein. Doch dieser Ansatz scheiterte – aus gutem Grund, meint Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, benutze man heute einen viel breiteren Armutsbegriff.

    "Einmal im Sinne der Grundbedürfnisse, also der sozialen Dienste wie Bildung und Gesundheit, aber Armut auch definiert als mangelnder Zugang zu politischen Entscheidungen, als mangelnder Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen und da müssen wir immer wieder Wert drauf legen."

    Auch die neoliberalen Strukturanpassungsprogramme der 80er und 90er Jahre ignorierten letztlich die politischen Rahmenbedingungen in den Empfängerländern. Wolfensohn griff die Vorwürfe auf und suchte gezielt das Gespräch mit den schärfsten Kritikern der Weltbank, mit Nichtregierungsorganisationen aus Nord und Süd:

    "Sie werden die Weltbank immer kritisieren und das sollen sie ruhig auch. Ich habe keine Probleme mit heftigen Auseinandersetzungen, ich finde das - naja, mittlerweile finde ich das sogar anregend, solange man mich nicht symbolisch verbrennt oder mir Torten ins Gesicht wirft. Das alles ist mir passiert, aber wir haben jetzt zu einem zivilisierten Dialog gefunden. Wir sind nicht immer einer Meinung, aber wir brauchen die Nichtregierungsorganisationen und – mal ehrlich – sie brauchen uns auch. "

    Dass Nichtregierungsorganisationen, kurz NGOs, an der Entwicklung von Armutsbekämpfungsstrategien beteiligt sind, gilt heute als Voraussetzung, wenn sich eine Regierung bei der Weltbank um einen Schuldenerlass bewirbt. Für Wolfensohn steht fest: Die Weltbank hat den Armen in vielen Entwicklungsländern deutlich mehr Einfluss verschafft.

    "In the Poverty Reduction Strategy Approach we engaged civil society, we have given voice to civil society in a way they hadn’t had it before. "

    Ex-Weltbankvizepräsident Peter Woicke sieht auch ein Umdenken in Sachen Privatisierung und der Rolle des Staates.
    "Im Telekom-Sektor brauchen Sie heute keinen Staat mehr, aber es gibt auch andere Seiten: öffentliches Transportwesen, das braucht die Unterstützung vom Staat, das kann man nicht auf kommerzieller Basis machen und ich glaube, was wir alle - auch Jim Wolfensohn - gelernt haben, ist, dass wir die Sache weniger theoretisch angehen, sondern praktisch fragen, was läuft und was läuft nicht. "

    Die Weltbank habe die Armut erfolgreich in Osteuropa und Russland bekämpft, wo sie den Übergang vom Sozialismus zur Marktwirtschaft moderierte und mitfinanzierte. Allerdings fordert Woicke, dass sie sich noch mehr in Afrika engagieren müsse.
    Doch gerade in Afrika stellt Barbara Unmüßig zahlreiche Ungereimtheiten fest. Die Vorsitzende der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung hat die Politik der Weltbank viele Jahre lang für deutsche Umwelt- und Entwicklungsorganisationen kritisch begleitet und mit Wolfensohn an einem Tisch diskutiert. Die von ihm eingeleitete und 1999 auf dem Kölner G8-Gipfel verkündete Entschuldungsinitiative zugunsten der ärmsten Entwicklungsländer geht Unmüßig nicht weit genug. Die Industriestaaten hätten nicht wirklich mitgezogen.

    "Es war eine halbherzige Entschuldungsinitiative, so dass wir heute, 2005, wieder in der Situation sind, dass z.B. Länder wie Sambia Nettotransfers von Süd nach Nord leisten, sprich, sie geben mehr Geld für Schuldendienst aus als sie für Erziehung, Bildung und Gesundheit ausgeben."

    Damit sei fraglich, ob dort die Millenniumentwicklungsziele jemals erreicht werden. In Ghana habe die Weltbank zudem Regierung und Parlament gezwungen, Zölle auf importierte Fleischprodukte abzusenken, obwohl diese den Regeln der Welthandelsorganisation WTO entsprachen.

    "Wenn ein Land Zölle für Importe senkt, dann zerstört das erstens die Einnahmen, zum einen fallen die Zolleinnahmen für das nationale Budget aus und zum anderen werden die Fleischimporte aus dem Norden die heimischen Märkte unterminieren."

    Die Auflagen in Ghana seien kein Einzelfall, sondern typisch – den Weltbankprogrammen fehle es häufig an einer abgestimmten armutsorientierten Wirtschaftspolitik, diagnostiziert Unmüßig.

    "Armutsorientierung wird ausschließlich auf die Sozialpolitik konzentriert, ein bisschen mehr Geld in die Erziehung gesteckt – das ist bestimmt passiert – auch mehr Geld für Gesundheit, weil viele Entwicklungsländer Probleme mit Infektionskrankheiten wie Malaria und Aids etc. haben, aber diese Erfolge werden zum Teil wieder wettgemacht durch eine Wirtschaftspolitik, die armutsbefördernd ist. "

    Andererseits interessieren sich die Weltbankberater überhaupt nicht für die Höhe des Militärhaushaltes eines Entwicklungslandes. Peter Woicke erklärt das mit den Geschäftsstatuten der Weltbank.

    "Sobald Herr Wolfensohn oder ich offiziell zu einem Land sagen würden: Ihr gebt zuviel für Militär aus, würde uns sofort gesagt, ihr dürft Euch nicht politisch äußern laut den Artikeln der Weltbankgruppe."

    Barbara Unmüßig hält das für Doppelmoral und spricht von doppelten Standards:

    "Den Militärhaushalt nicht anzugreifen halte ich für einen Fehler. Die Weltbank kann nie für sich in Anspruch nehmen, dass sie nicht politisch intervenieren würde. Sie sagt klipp und klar, wo sie Veränderungen sehen will, in welchen Sektoren, die Weltbank ist leider auch sehr bekannt dafür, dass sie in den letzten Jahren Länder der Dritten Welt über die Konditionen gezwungen hat, den Wassermarkt zu privatisieren. Das nimmt sie mittlerweile vereinzelt wieder zurück, auch weil es nach der Erhöhung der Wasserpreise vielerorts zu Unruhen kam. "


    Dient die Weltbank den multinationalen Konzernen also als Türöffner, der ihnen Zugang zu den Märkten im Süden verschafft? Ein Vorwurf, den einige Nichtregierungsorganisationen nicht nur mit Blick auf Privatisierungen und Strukturanpassungen erheben. Auch die Kreditvergabe der Bankengruppe an Privatunternehmen steht in der Kritik.

    Beispiel Ölförderung. In Nordafrika und am Kaspischen Meer haben die Großkonzerne Exxon Mobil und BP neue Ölquellen erschlossen – mit Hilfe der Weltbank. Im Tschad waren es 150 Millionen Dollar, die die Weltbank für den Bau einer Pipeline nach Kamerun bereitstellte. Bruce Rich, Weltbank-Experte der US-amerikanischen Umweltorganisation Environmental Defense:

    "Theoretisch kommen die Öleinnahmen den Armen zu gute. Die Weltbank hat sogar neue Mechanismen eingeführt, um das zu überwachen. Aber in der Vergangenheit waren diese Großprojekte immer ein Desaster für die Armutsbekämpfung. Es sind perverse Investitionen, die die Regierungen zerrüttet und die Korruption befördert haben."

    Bislang suchen auch heimische Experten noch vergeblich nach dem Segen des Öls. Gilbert Maun Donoji von der Nichtregierungsorganisation Gram Tece:

    "Geld, das für den Bau einer Schule vorgesehen war, war nicht aufzufinden. Die Schule existierte gar nicht. Dann die Wasserbauprojekte im Norden: Dort sollte ein Brunnen gebaut werden. Es gab zwar ein Loch, aber keinen Brunnen. Die Baufirma hatte einfach ein Loch gegraben und Wasser aus einer Zisterne reingeschüttet."


    Die Nichtregierungsorganisation Transparancy International führt die Regierung des Tschad in ihrer weltweiten Korruptionsrangliste auf Platz vier. Menschenrechtler klagen über regelmäßige Verstöße gegen Grundrechte. Ihren schlechten Ruf hat die politische Führung in dem Ölprojekt bestätigt, meint Kritiker Bruce Rich:
    "Der Präsident des Tschad tat zwei Dinge, die uns alarmiert haben. Er nutzte erstens fünf Millionen Dollar Einnahmen und kaufte davon Waffen. Und zweitens ließ er Parlamentarier verhaften, die gegen die Pipeline waren. Ein Mann wurde fast zu Tode gefoltert. Es gibt viele Hinweise, dass dieses Projekt ein schlechtes Experiment auf Kosten der ärmsten und verletzlichsten Menschen ist."


    Warum unterstützt die Weltbank solch umstrittene Investitionen internationaler Großkonzerne? Die Antwort ist einfach: Das Ölprojekt wäre ohne die Hilfe der Weltbank gescheitert. Wobei nicht die finanzielle Hilfe entscheidend war, sondern die politische Absicherung, meint Peter Woicke, bis vor kurzem noch Chef der International Finance Corporation, IFC. Die Weltbanktochter ist für die Förderung privater Unternehmen zuständig:
    "Was Exxon sicher in diesem Fall brauchte, war die Glaubwürdigkeit durch die Umwelt- und Sozialbedingungen der Weltbank. Wir sind stark kritisiert worden, dass das Projekt die Umwelt schädige. Ich bin der Meinung: Durch den Einfluss der IFC wurde die Umwelt besser behandelt; die Kompensationen für verlorenes Land: Ohne die IFC wäre das alles nicht passiert."


    Den Armen helfen Ölpipelines und Bohrtürme allerdings kaum, das ist das Ergebnis einer Studie, die die Weltbank selbst in Auftrag gegeben hat. Eine Kommission um den ehemaligen indonesischen Umweltminister Salim empfahl daher einen radikalen Kurswechsel: Rückzug aus der Finanzierung von Öl, Kohle und Gas und deutlich mehr Geld für erneuerbare Energien – auch um den Klimaschutz voran zu bringen.

    Die ambitionierten Großprojekte – neben der Ölförderung zum Beispiel Staudämme und Straßen – erhielten nach wie vor die meisten Mittel, kritisieren Nichtregierungsorganisationen. Der ehemalige Weltbankvize-Präsident Peter Woicke sieht das allerdings ganz anders:

    "Ich bin der Meinung, dass sich die Weltbank wegen der starken Kritik in den letzten Jahren zu sehr aus Großprojekten zurück gezogen hat. Das ist ein Problem. Denn die armen Länder brauchen Infrastruktur und sie brauchen Großprojekte. Wir können den armen Ländern nicht vorschreiben: Solche Projekte werden nicht mehr gemacht, ihr macht alles nur mit Kleinunternehmen und Kleinprojekten. Damit kann man die die Armut nicht verringern."

    Die Weltbank wiederhole ihre alten Fehler, meinen Kritiker. So hat sie erst im April den Weg frei gemacht für einen Großstaudamm in Laos, an dem der französische Stromkonzern EDF maßgeblich beteiligt ist.

    "Alle Studien belegen, dass der Fischfang an den Flüssen zusammenbrechen wird. Dadurch wird 100 000 Menschen die Lebensgrundlage entzogen. Und Laos ist eines der ärmsten Länder Asiens. So ein Projekt zu machen, das 100 000 Menschen ins Elend stürzt, und den Leuten zu versprechen, dass die Regierung die Einnahmen nutzen wird, damit es ihnen irgendwann in der Zukunft besser gehen wird – das halte ich schon für sehr riskant und sehr dubios. "

    Auch in der Weltbank selbst regt sich zunehmend Kritik. Eine interne Prüfkommission hat vor eineinhalb Wochen eine Bilanz vorgelegt – mit einem geradezu vernichtenden Urteil. Die Projekte seien meist schlecht vorbereitet, es gebe Probleme bei der Durchführung, die Kontrolle sei miserabel, die Ergebnisse dürftig.

    Ein Urteil, das den Weltbank-Kritiker Bruce Rich nicht überrascht. Schon Anfang der neunziger Jahre bescheinigte eine Kommission der Weltbank haarsträubende Ineffizienz:

    "Die Projektergebnisse der Weltbank sind so schlecht, weil die Bank sich unter einen hohen Druck setzt, möglichst viel Geld zu verleihen. Dagegen hat es immer wieder die Empfehlung gegeben, dass die Bank andere Anreize setzen muss, sie muss die Projekte besser überwachen und umsetzen. Und sie muss weg kommen von diesem Zwang, Geld zu verleihen. Das kann auch bedeuten, dass die Weltbank weniger Kredite vergibt, aber die Qualität wäre dann höher. "


    Auch der ehemalige Weltbank-Manager Peter Woicke sieht Bedarf für Korrekturen. Die Bankengruppe müsse vor Ort präsenter sein, dort wo das Geld ausgegeben wird, dafür sorgen, dass Probleme schnell erkannt und beseitigt werden.

    "Es geht nicht an, dass wir nur in die Länder reisen und sagen, diese Reformen müssen durchgeführt werden. Wir müssen mehr Leute vor Ort haben, die den Regierungen unter die Arme greifen – als Partner! Und dafür wird zu wenig Geld ausgegeben meiner Meinung nach."

    Die interne Prüfkommission fordert zudem eine radikale Wende bei der Geldvergabe. Mehr Geld für Straßen, Staudämme und Energie, weniger Geld für Bildung und Gesundheit, so lautet die Empfehlung der Prüfer. Die Weltbank müsse sich darauf konzentrieren, das Wachstum in den Entwicklungsländern anzukurbeln. Das komme dann automatisch den Armen zu gute. Ein Ratschlag, der bei Entwicklungsorganisationen Kopfschütteln auslöst:

    "Diese Schlussfolgerung wäre ein Desaster. Jetzt zu sagen "Gesundheit und Bildung liefen nicht so gut, wir machen jetzt nur noch große Infrastrukturprojekte und das erzeugt dann Wachstum", nein, das wird kein Wachstum erzeugen. Wir haben es in der Vergangenheit immer wieder erlebt. Diese Projekte schwächen die Länder, sie führen zu mehr Armut. "

    Viele halten es nicht für Zufall, dass die Ergebnisse ausgerechnet wenige Tage vor dem Wechsel an der Spitze der Weltbank lanciert wurden. Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sieht für einen Kurswechsel aber wenig Spielraum:

    "Die Weltbank muss helfen, die Milleniumsziele zu erreichen. Sie investiert ja schon in Gesundheit, fördert Aids-Projekte und unterstützt Schulprojekte für Kinder. Das alles sind Ziele, die für die Weltbank stehen und die auch für Wolfowitz stehen. "

    Ob der neue Mann an der Spitze der Weltbank das genauso sieht, ist noch unklar. Bislang hat Wolfowitz nur in Umrissen erkennen lassen, wohin er die Weltbank steuern will. Konzentration der Hilfe auf Afrika, Demokratie fördern, Kampf gegen Korruption – das sind Punkte, die Wolfowitz genannt hat, die aber vieles im Dunkeln lassen.

    Die US-Regierung etwa schlägt vor, die Weltbank solle keine Kredite mehr vergeben, sondern nur noch Zuschüsse. Und die auch nur noch an die ärmsten Länder. Ein Vorschlag mit weitreichenden Konsequenzen – vor allem für die Bank, meint Heidemarie Wieczorek-Zeul:

    "Wer den Mechanismus einer Bank kennt, der weiß, dass ein Großteil der Refinanzierung der Zuschüsse abgesichert wird durch die Tätigkeit als Bank in Schwellenländern. Wenn das nicht mehr geht, dann ist absehbar, wann die Weltbank auch den ärmsten Ländern keine Hilfe mehr geben kann. Wer das fordert, wird auflaufen."

    Paul Wolfowitz tritt ein schwieriges Erbe an. Strategie und Management der Weltbank stehen gleichermaßen in der Kritik. Und die Aufgabe wird nicht leichter durch das Misstrauen, das dem Architekten des Irak-Krieges in weiten Teilen der Welt entgegen schlägt. Wolfowitz wird viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Einen hat er immerhin schon auf seiner Seite. Seinen Vorgänger Wolfensohn. Der hält den ehemaligen Vize-Verteidigungsminister der USA für den richtigen Mann, trotz aller politischer Differenzen in der Vergangenheit:

    "I think he will be an excellent leader for the bank. I think he is a good choice."
    James Wolfensohn ehemaliger Präsident der Weltbank, am 30.9.2004 in Genf
    James Wolfensohn ehemaliger Präsident der Weltbank, am 30.9.2004 in Genf (AP Archiv)
    Vor der Weltbank wird gegen den neuen Präsidenten Wolfowitz demonstriert
    Vor der Weltbank wird gegen den neuen Präsidenten Wolfowitz demonstriert (AP)