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Von Zeitreisen, Erfüllung und Widersprüchen

Niko von Glasows Doku begleitet mit einem selbstironischen Augenzwinkern Sportler zu den Paralympics. In "Finsterworld" geht es um kunstvoll gegenübergestellte Widersprüche. Und Richard Curtis zeigt mit "Alles eine Frage der Zeit" eine klassisch-romantische Filmgeschichte.

Von Hartwig Tegeler | 16.10.2013
    "Mein Weg nach Olympia"

    Das Credo von Regisseur Niko von Glasow eröffnet den Film, gibt ihm sofort seinen Ton, die Stimmung von wunderbarer politischer Inkorrektheit und einem typischen Augenzwinkern.

    "I can teach you some German. - Okay! - We say in German: ´Sport ist Mord!´."

    Was das eine wäre...,

    "Sport sucks."

    ... das andere, meint der contergangeschädigte Filmemacher:

    "And the Paralympic is a stupid idea."

    Auch die Paralympics seien dämlich. Legitimation der Nichtbehinderten - meint von Glasow: Ja, wie kümmern uns doch um die Behinderten. Was Niko von Glasow in seinem Film "Mein Weg nach Olympia" nicht davon abhält, eine Gruppe behinderter Sportler 2012 auf die Paralympics nach London zu begleiten und sie in ihren Motiven, Hoffnungen, Sehnsüchten und Träumen zu porträtieren. Von Glasow tut das respektlos und selbstironisch, aber seine Protagonisten in jedem Filmbild ernst nehmend. Eine wunderbare Szene, wenn er beispielsweise die beinamputierte Schwimmern Christiane Reppe beim Pfannkuchenessen auf deren Balkon befragt:

    - "Keine Probleme, keine Träume, Miss Perfect mit einem Bein?"

    - "Ich bin nicht Miss Perfect. Man muss einfach damit arbeiten, was man hat."

    Auch, wenn Niko von Glasow sich am Anfang die Frage stellt, warum er, der ausgewiesene Sportmuffel, diesen Film macht, wird "Mein Weg nach Olympia" langsam, aber immer konsequenter, und auch in der Schönheit seiner Bilder, zum eindrucksvollen Porträt behinderter Menschen, die im Sport Erfüllung suchen und mitunter auch finden.

    "Mein Weg nach Olympia" von Niko von Glasow - herausragend.

    "Finsterworld"

    Ein Film von kunstvoll gegeneinandergestellten Widersprüchen, das ist "Finsterworld", Frauke Finsterwalders Spielfilmdebüt. Ein Episodenfilm, den sie zusammen mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Christian Kracht, geschrieben hat.

    Am Anfang das romantische Bild des deutschen Waldes, durch den ein Einsiedler zieht. Darunter gelegt, einschmeichelnd, süßlich, kitschig Cat Stevens Klassiker "The Wind". Doch schnell die dunkle, die Gegenseite: Finsterworld zeigt Deutschland als neues, abgründiges Biedermeier. Da ist der Polizist Tom - Ronald Zehrfeld -, der sich bei der Verkehrskontrolle selbstverständlich bestechen lässt und in der Freizeit im Bärenkostüm gern mit Gleichgesinnten trifft.

    "Das ganze Problem ist doch, dass die Menschen sich nicht wohl in ihrer Haut fühlen. Ich meine, dass man lieber jemand anderes wäre."

    Tom hat solche Alltagsfluchten nötig, denn seine Beziehung zur Dokumentarfilmerin - Sandra Hüller - ist ausgelaugt. Wie das ganze Land, sagt uns Finsterworld:

    - "Ich bin ichfixiert? Ich wollte mit dir über meine Gefühle reden."

    - "Du willst mit mir über deine Gefühle reden. Du bist doch total unsensibel, du bist doch unsensibel, Tom."

    Dann ist da noch das reiche Ehepaar, das offensichtlich im Ausland lebt, nun Urlaub in der alten, verhassten Heimat macht.

    "Gott, ist das hier hässlich."

    Da sind die Schüler einer Eliteschule, die mit ihrem linken Lehrer einen Ausflug in ein ehemaliges KZ machen.

    "Wissen Sie, Maximilian. Denunziantentum ist auch nicht gerade eine Tugend."

    Schüler Maximilian, groß blond, ist eine Art Wiedergänger der "blonden Bestie". Ja, wir können unter anderem lernen in Frauke Finsterwalders Film, dass der Schoß noch fruchtbar ist, aus dem der alte Naziterror kroch, und dass das ganze Land in einer Art Friedhofsruhe dahinvegetiert. Das kann nicht gut gehen. Aber so ganz will dieser Blick nicht überzeugen, denn einige der Episoden sind so plakativ, dass die Schauspieler gar nicht anders können, als die Dialoge aufzusagen. Dann liefert "Finsterworld" wieder intensive Momente - der Einsiedler, der seine zerstörte Waldhütte vorfindet -, Momente, dass man eine Gänsehaut bekommt. Inhaltlich mögen die Episoden von "Finsterworld" am Ende nahtlos zusammenlaufen. Formal kann Frauke Finsterwalders Film allerdings nicht wirklich zu sich finden.

    "Finsterworld" von Frauke Finsterwalder - zwiespältig, konfrontativ, empfehlenswert.

    "Alles eine Frage der Zeit"

    "Es ist schlicht und einfach so, dass die Männer in dieser Familie ... die Männer in unserer Familie können durch die Zeit reisen."

    Klärt der Vater - Bill Nighy - seinen 21-jährigen Sohn Tim - Domhnall Gleeson - auf. Zeitreise, rückwärts wohlgemerkt.

    "Ich kann weder Hitler töten noch die schöne Helena vögeln. Bedauerlicherweise."

    Aus dieser Idee entwickelt "Vier Hochzeiten und ein Todesfall"-Autor Richard Curtis in seiner zweiten Regiearbeit mit dem Titel "Alles eine Frage der Zeit" die klassisch-romantische Filmgeschichte über die Suche nach, wonach wohl?

    "Um ehrlich zu sein, wäre es im Moment gerade ziemlich genial, wenn es mir helfen könnte, eine Freundin zu finden."

    Dass es für dieses Vorhaben praktisch ist, die eine oder andere peinliche Erst-Situation - erster Kuss - qua Zeitreise zu korrigieren, liegt auf der Hand. Und Domhnall Gleeson und Rachel McAdams können es als Paar ohne Probleme mit Hugh Grant und Julia Roberts aus "Notting Hill" aufnehmen. Aber am Ende wird es - Zeitreise hin, Zeitreise her - in Richard Curtis Film doch arg süßlich und vorhersehbar.

    "Alles eine Frage der Zeit" von Richard Curtis - annehmbar.