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Von Zürich nach Salzburg

Alexander Pereira, der 61-jährige gebürtige Wiener mit portugiesischen Vorfahren, wird in Zukunft die Salzburger Festspiele leiten. Wie das Festspielkuratorium mitteilte, wird Pereira 2011 die Nachfolge von Jürgen Flimm antreten, der die Intendanz der Berliner Staatsoper übernimmt. Der Neue gilt als erfolgreicher Manager: Neben Erfahrungen in der freien Wirtschaft leitet er seit 1991 das Züricher Opernhaus.

Von Jörn Florian Fuchs |
    Habemus Intendantem! So titelt heute eine große österreichische Boulevardzeitung - und die gesamte Kulturwelt, diesseits und jenseits der Salzach, darf aufatmen. Mit Alexander Pereira ist definitiv das kleinere, vielleicht sogar das kleinstmögliche Übel gewählt worden. Das aus diversen Interessensvertretern und Geldgebern bestehende Festspielkuratorium hatte eine Findungskommission um Vorschläge für die Nachfolge von Jürgen Flimm gebeten. Flimm ist zwar seit 2007 im Amt, kann es aber kaum erwarten, seinen Posten als Chef der Berliner Lindenoper anzutreten, weswegen er bereits 2010 aus seinen Salzburger Verpflichtungen entlassen werden möchte, also ein Jahr vor offiziellem Vertragsende. In Berlin teilt sich Flimm die Macht mit Daniel Barenboim, groteskerweise hat Flimm nun offenbar in letzter Minute versucht, Barenboim in Salzburg zu installieren, entweder um dort weiter Einfluss zu haben oder um in Berlin ungestörter werkeln zu können. Barenboim sollte gemeinsam mit Stéphane Lissner antreten. Lissner ist momentan Intendant der Mailänder Scala und Musikchef der Wiener Festwochen, wo er, wie man hört, für ein massives Finanzloch gesorgt hat. Das Tandem Lissner/Barenboim favorisierten die rot gefärbten Mächtigen im Kuratorium, die konservative Seite mauerte und somit kam die notwendige Einstimmigkeit nicht zustande. Also suchte man einen Kompromiss. Der trägt nun den Namen Alexander Pereira. Die ersten Reaktionen sind eher verhalten. Vielleicht ist aber gerade das die Chance für Pereira, nämlich unterschätzt zu werden. Immerhin hat der als konservativ und starverliebt titulierte Österreicher in früheren Jahren, als Generalsekretär des Wiener Konzerthauses, durchaus für Innovationen gesorgt. In Zürich muss Pereira alljährlich einen ausgedehnten Repertoire-Spielplan mit mindestens einem Dutzend Premieren aufrüsten, darunter finden sich etliche Produktionen von eher zweifelhafter, weil altbackener Regie-Qualität, aber es gibt eben auch jene Leuchtturmaufführungen, die erkennen lassen, dass hier kein reiner Stareinkäufer und Liebhaber von Stückbebilderungen am Werke ist. Vor allem im Barockbereich dürfte Zürich singulär dastehen und bei der für Salzburg so wichtigen Mozartrezeption gelangen interessante Deutungen durch Tobias Moretti oder Sven-Eric Bechtolf.

    In Salzburg kann sich Pereira nun aufs sommerliche Kerngeschäft, also auf fünf bis sechs Premieren konzentrieren und damit erkennbare programmatische Blöcke dem bisherigen Gemischtwarenladen von Jürgen Flimm entgegensetzen. Und wenn er Zürcher Hausstars wie Marc Minkowski, William Christie oder auch Cecilia Bartoli an die Salzach lockt, umso besser. Was aber am meisten für Pereira spricht, ist eine kolportierte kritische Distanz zu den Wiener Philharmonikern. Kritisch heißt nicht ablehnend, aber doch reserviert. Pereira prangerte schon mehrfach das Substitutssystem der Philharmoniker an, die ihre Opern und Konzerte immer wieder mit Zweit- und Drittkräften besetzen, während die erste Garde in Luzern oder anderswo mehr Geld und zusätzliches Prestige erhält..

    Bei allem Optimismus bleibt allerdings ein Vorwurf bestehen. Die Bewerbung des aktuellen Salzburger Konzertchefs Markus Hinterhäuser wurde überhaupt nicht berücksichtigt. Dabei verleiht gerade er den Festspielen momentan am schärfsten Profil, mit exzellent durchdachten Programmgruppen und Schwerpunkten gelingt ihm die Balance zwischen hoher Kunst und dem in Salzburg nun einmal nicht zu vermeidenden Kommerz.

    Hinterhäuser nicht mit ins Boot zu holen und seine Position aufzuwerten, wäre mit Sicherheit der erste große Fehler des neuen Intendanten.