Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Vor 1000 Jahren geweiht
Basler Münster im Wandel der Zeit

Kaum ein Dom hat eine so wechselvolle Geschichte wie das vor 1000 Jahren geweihte Basler Münster. 1431 war es Schauplatz eines spektakulären Konzils, in der Reformation wurde es von Bilderstürmern heimgesucht, kurz vor dem Ersten Weltkrieg diente es als Versammlungsort von Sozialisten.

Von Alfried Schmitz | 02.10.2019
Vorderansicht auf die Türme des Basler Münsters
Die Türme des Basler Münsters (imago stock&people)
Aus rotem Sandstein erbaut, ragen die beiden mächtigen Türme mit ihren gotisch verspielten Spitzen in den Himmel. Im höchsten Teil der Basler Altstadt gelegen, vierzig Meter oberhalb des Rheins, steht das Münster an prominenter Stelle.
Auf diesem Stadthügel gab es schon in frühchristlicher Zeit eine Bischofskirche. Als einer der ersten Bischöfe wird Ragnacharius erwähnt. Damals, Anfang des 7. Jahrhunderts, war Basel eine noch unbedeutende Stadt und das Kirchengebäude von bescheidener Größe und Ausstattung. Doch das sollte sich mit den nachfolgenden Bischöfen ändern. Der Historiker und Münsterkenner Stefan Hess sagt: "Es gab auch schon eine erste Blüte um 800. Das war der Bischof Haito und sein Vorgänger Waldo. Die waren mit dem karolingischen Königshaus sehr eng verbunden. Eventuell einer sogar verwandt. Und die haben schon ein karolingisches Münster gebaut."
Verwüstung durch Ungarn und Erdbeben
Doch dieser Vorgängerbau wird im Jahr 917, wie fast die gesamte Stadt, bei einem Überfall der Ungarn zerstört. Adalbero II., von 999 an Bischof von Basel, lässt während seiner Amtszeit auf den Grundmauern der zerstörten karolingischen eine neue, wesentlich größere Kirche erbauen.
"Und dass man da wirklich ein großes Münster hingestellt hat, das war schon ein Zeichen, mit uns ist wieder zu rechnen," sagt Stefan Hess, "hinzukommt, dass Adalbero weltliche Rechte bekommen hatte. Er hat auch als erster Bischof Münzen geprägt. Das ist so ein Aufbruch. Da merkt man, da geht die Entwicklung vorwärts. Einerseits für das Bistums, aber auch für die Stadt."
Förderer des Münsterbaus wird der deutsche Kaiser Heinrich der II. Sein Ziel ist es, die Stadt durch den Kirchenbau aufzuwerten. Er schenkt Basel bedeutende Reliquiengaben und er reist nach Basel: zur Einweihung des Münsters, am 11. Oktober 1019 - vor genau 1000 Jahren.
Doch auch diesem Münster ist keine glückliche Zukunft beschert. Im Jahr 1356 erschüttert ein Erdbeben die Region. Große Teile der Stadt Basel und des Münsters werden verwüstet.
Mit viel Geld und einem gewaltigen technischen Aufwand wird auf den Ruinen ein neues Münster errichtet. Im Jahr 1500 wird der Neubau vollendet: Dem südlichen Martinsturm wird die Kreuzblume aufgesetzt.
Basler Konzil und der Eklat
Noch während der Bauphase werden die Stadt Basel und das damals noch unvollendete Münster zum Schauplatz eines wichtigen kirchenhistorischen Ereignisses. Auf dem Basler Konzil, 1431 noch von Papst Martin V. einberufen, der aber im selben Jahr verstirbt, kommt es zum Eklat. Viele Konzilsteilnehmer sind hungrig nach Reformen. Es setzt sich die Idee durch, ein Konzil habe über der Entscheidungsgewalt des Papstes zu stehen. Außerdem gibt man sich selbstbewusst eine eigene Geschäfts- und Tagesordnung und düpiert damit den neuen Papst Eugen IV.
"1437 kam es dann zum Bruch mit dem Papst," erzählt Stefan Hess. "Dann hat der Papst das Konzil kurzerhand nach Ferrara verlegt, später, weil dort Pest war, nach Florenz. Die meisten sind aber einfach hiergeblieben und haben weitergetagt. Und als dann Papst Eugen nicht spuren wollte, hat man ihn für abgesetzt erklärt und dann in einem ganz kurzen Konklave, in einem Haus auf der anderen Seite des Münsterplatzes, einen neuen Papst bestimmt. Und zwar war das der damalige Herzog von Savoyen. Der hatte einige Kinder, aber war verwitwet, war eben nicht verheiratet, den hat man dann nach dem alten Ritus zum Papst gekrönt. Da waren so viele Leute anwesend, dass es nicht im Münster stattfand, sondern auf dem Münsterplatz."
Doch Felix V., der letzte Gegenpapst in der Geschichte der katholischen Kirche, wird nur in der Schweiz, Bayern, Ungarn und im spanischen Aragonien anerkannt. Und so dankt er nach zehn Jahren Amtszeit ab. Sein freiwilliger Rücktritt wird belohnt. Rom zeigt sich gnädig. Bis zu seinem Tod 1451 darf er seine lukrativen Ämter als Kardinalbischof von Sabina und als Bischof von Genf ausüben. Die Reformansätze auf dem Basler Konzil waren verpufft.
Bildersturm und Reformation
Anfang des 16. Jahrhunderts verbreitet sich Luthers Reformationsbewegung in Europa umso schneller und findet auch in der Eidgenossenschaft viele Anhänger. In Zürich ist es Zwingli, in Basel ist es der Theologe und Humanist Johannes Oekolampad, der zum glühenden Verfechter der neuen Strömung wird. Eigentlich ist er um eine friedliche Erneuerung bemüht, doch dann läuft während der Fasnachts-Umtriebe alles aus dem Ruder. Es ist der 9. Februar 1529. Alkoholisiert und aggressiv verschafft sich eine grölende Menschenmenge Zugang zum Basler Münster. Es kommt zum Bildersturm.
"Von Standbildern wurde nichts unversehrt gelassen. Was von gemalten Bildern vorhanden war, wurde mit einer Übertünchung von Kalk bedeckt; was brennbar war, wurde auf den Scheiterhaufen geworfen, was nicht, wurde Stück für Stück zertrümmert."
Historische Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert, Portrait von Johannes Oekolampad oder Oekolampadius oder Ökolampad, 1482 - 1531, ein Schweizer Theologe und Humanist und der Reformator von Basel

Im Wörterbuch speichern


Keine Wortliste für Englisch -> Deutsch...


Eine neue Wortliste erstellen...


Kopieren


Im Wörterbuch speichern


Keine Wortliste für Deutsch -> Deutsch...


Eine neue Wortliste erstellen...


Kopieren


Im Wörterbuch speichern


Keine Wortliste für Deutsch -> Deutsch...


Eine neue Wortliste erstellen...


Kopieren


Im Wörterbuch speichern


Keine Wortliste für Deutsch -> Deutsch...


Eine neue Wortliste erstellen...


Kopieren
Portrait von Johannes Oekolampad (1482-1531), Schweizer Theologe, Humanist und Reformator von Basel (imago / imagebroker)
So beschreibt der aufgeklärte katholische Philosoph und Theologe Erasmus von Rotterdam jenen Tag. Der berühmte Humanist, der Basel zu seiner Wahlheimat und Wirkungsstätte gemacht hatte, ist schockiert über die Exzesse und flieht nach Freiburg im Breisgau, so wie ein großer Teil des Basler Klerus. Basel wird zur reformierten Stadt, das Münster zur Hauptkirche der neuen Bewegung. Von den Heiligenbildern und Statuen haben sich die Basler getrennt, doch auf den Klang ihrer Münster-Orgel, wollen sie nicht verzichten. Andreas Liebig, seit fünf Jahren Münsterorganist in Basel:
"Sie müssen sich vorstellen, dass mit der Reformation, im Zuge des Bildersturms, ganz viele Orgeln zerstört worden sind. Das Orgelverbot im Kanton Zürich galt bis Mitte des 18. Jahrhunderts. Zwingli hat gesagt: Die Orgel ist ein Instrument des Teufels. Als hier im Basler Münster die Marienstatuen und alles, was an Heiligen da war, zertrümmert wurden, hat man die Orgel stehen lassen. Auf dem Münsterplatz war ein Orgelbauer Meyer. Und der hatte die Angewohnheit sonntags, nach dem Gottesdienst, bei geöffnetem Fenster die Orgel zu spielen. Und es heißt in den Quellen, die Jugend der Stadt habe sich dort versammelt. Das war der Obrigkeit ein Dorn im Auge. Und dann hat man doch lieber erlaubt, dass die Orgel wieder in der Kirche spiele. Und dreißig Jahre nach der Reformation, spielte die Orgel wieder in Basel. In der übrigen Schweiz nicht. Das heißt, wir haben im Basler Münster eine ungebrochene Orgelkultur über 700 Jahre. Denn die erste Orgel, wird gesagt, sei Pfingsten 1303 eingeweiht worden."
Rote Fahnen wehen im Münster
Zur Tausendjahrfeier wird das Münster zur Bühne für ein Theaterstück, das die wichtigsten Kapitel der Münstergeschichte thematisiert: von der Weihe über das Konzil und die Reformation, bis hin zum November 1912. Der Basler Kirchenratspräsident und Münster-Pfarrer Lukas Kundert erinnert an jene Zeit im Vorfeld des Ersten Weltkriegs, als Sozialisten die Kirche für ein Friedensmanifest nutzen:
"Ja, das war ein großer Glückfall der Geschichte. Die Trennung von Kirche und Staat hat 1911 stattgefunden. Es war so, dass die Sozialisten an verschiedenen Orten in der Schweiz nachgefragt hatten, ob sie zu Gast sein können. Und natürlich haben alle Kantonsregierungen in der Schweiz wollten sich die Finger nicht verbrennen an den Sozialisten. Und die Basler haben dann gesagt: ‚Ja, wir haben auch gar keinen Raum. Der einzige Raum, der ginge, wäre das Münster, aber der gehört uns ja nicht mehr, der gehört jetzt der Kirche.‘ Und die Kirchgemeinde hat dann in einer ihrer allerersten Sitzungen, seit die Kirche wieder selbständig ist, entschieden: ‚Jawohl, die Sozialisten, die lassen wir hier hinein.‘ Und die sind dann mit roten Fahnen, die Internationale singend hier in das Münster reingekommen, vom Rhein her hochgezogen, zehntausend Menschen auf dem Platz und dann noch einmal so viele, wie Platz gehabt haben hier im Münster. Es gibt Leute, die sagen, es seien 5000 gewesen. Man hatte ja einfach gehofft, man könnte durch eine internationale Verbündung der Arbeiterschaft den Krieg noch verhindern."
Grabmal für katholische Lichtgestalt
In Basel, mit circa zweihunderttausend Einwohnern die drittgrößte Stadt der Schweiz, sind die Christen in der Minderheit. Jeweils 15 Prozent der Bevölkerung sind evangelisch-reformiert oder römisch-katholisch. Mehr als die Hälfte der Menschen sind konfessionslos. Für Lukas Kundert eine besondere Herausforderung, aber eben auch ein Anlass, die Konfessionen näher aneinander rücken zu lassen.
Der Basler Kirchenratspräsident und Münster-Pfarrer Lukas Kundert
Der Basler Kirchenratspräsident und Münster-Pfarrer Lukas Kundert (imago images / Pacific Press Agency)
Ein wichtiges Symbol für eine neue Verbundenheit ist ein außergewöhnliches Relikt aus alter Zeit, zu finden im Basler Münster. Als Erasmus von Rotterdam 1535 aus seinem Exil wieder nach Basel zurückkehrt und schon ein Jahr später stirbt, erhält die katholische Lichtgestalt mitten in der reformierten Kirche ein Ehrengrab. Die große und prächtige Grabplatte ist heute die Hauptattraktion des Basler Münsters.
"Dass der im reformierten Gotteshaus beerdigt werden konnte, das ist ein großes Geschenk, dass unsere Vorfahren da einfach das Richtige getan haben."