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Vor 125 Jahren
Eröffnung der Tower Bridge

Zwei Türme, gewaltige Pfeiler, eine Fahrbahn: Die Tower Bridge in London. Hinter ihrem mittelalterlichen Aussehen verbergen sich ein Skelett aus Stahl und eine Hydraulik für die Brückenhebungen. Der Mechanismus gilt als technische Meisterleistung - und funktioniert bis heute.

Von Ruth Rach | 30.06.2019
    Die Tower Bridge in London im Nebel.
    Mehr London geht nicht: Die Tower Bridge ist 244 Meter lang - und auch im Nebel eindrucksvoll (picture alliance / Prisma)
    Trutzig, bizarr und weltberühmt: die Tower Bridge, am 30. Juni 1894 mit großem Pomp eröffnet. Anwesend waren der damalige Prinz von Wales, zwei künftige Könige, zehntausend Gäste und 6.000 Kinder. Eine neugotische Tour de Force, halb Klappbrücke, halb Hängebrücke, 244 Meter lang und 65 Meter hoch. Ein klassisches Wahrzeichen von London, bei Touristen und Filmemachern gleichermaßen beliebt.
    Schiffe haben Vorfahrt
    Selbst James Bond alias Daniel Craig konnte es sich nicht verkneifen, mit seiner Majestät Königin Elisabeth der Zweiten höchstpersönlich per Hubschrauber durch die Tower Bridge zu fliegen. Zumindest in dem Einspielstreifen von Danny Boyle, der 2012 zum Auftakt der olympischen Sommerspiele in London um die halbe Welt ging.
    Zwei spitzgieblige Brückentürme, die auf gewaltigen Pfeilern ruhen, in luftiger Höhe mit zwei Fußgängerstegen verbunden. 43 Meter tiefer die Fahrbahn. Sie besteht aus zwei Teilen, die hochgeklappt werden können, um höheren Schiffen die Durchfahrt zu ermöglichen. Die Öffnung muss umgehend geschehen. Und gebührenfrei. Die historischen Gründe erläutert Laura Martin von der Tower Bridge.
    "Im British Empire spielte der Handel eine zentrale Rolle. Die Themse war eine lebenswichtige Verkehrsader. Der Warentransport auf dem Wasser durfte auf keinen Fall behindert werden. Und so verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das bis heute gilt. Der Straßenverkehr muss warten. Der Schiffsverkehr hat Vorfahrt."
    Moderne Technik im alten Gewand
    Die Tower Bridge wurde innerhalb von acht Jahren gebaut. Sie war dringend nötig, gerade im Osten Londons in der Nähe der Hafenanlagen, denn Londons Bevölkerung war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rasant gewachsen. Die Transportwege waren überlastet. Passanten und Händler blieben stundenlang im Stau stecken, vor allem auf den Themsebrücken.
    Und so wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben für eine neue Brücke, die sich für alle Verkehrsmöglichkeiten eignen sollte.
    Historischer Schwarz-weiß-Druck: Eröffnung der Tower Bridge, London, England, Großbritannien, 1890.
    Wurde 1894 mit großem Pomp eröffnet: Tower Bridge (picture alliance / Imagebroker)
    Balkenbrücke. Auslegerbrücke. Bogenbrücke. Wer die 206 Stufen im Brückenturm hochsteigt, kann dort die zum Teil exzentrischen Entwürfe besichtigen. Es dauerte zehn Jahre, bis der Sieger feststand: Horace Jones, der Stadtbaumeister, der "zufällig" auch in der Auswahlkommission saß. Sein Design führt den Betrachter an der Nase herum, sagt Laura Martin.
    "Die Tower Bridge sieht sehr viel älter aus, als sie ist, weil sie dem Tower von London ähneln sollte, und diese Festung wurde ja bereits im Jahr 1066 gebaut. Deshalb auch der Name: Tower Bridge. Aber eigentlich verbirgt sich unter dieser mittelalterlich anmutenden Brücke ein Skelett aus Stahl, das mit Portland- Stein und Granit verkleidet wurde. Die viktorianischen Baumeister waren derart bemüht, den Geist der Vergangenheit heraufzubeschwören, dass sie der Tower Bridge sogar ein Verrätertor verpasst haben, auf dem man etliche Jahrhunderte davor die Köpfe von Aufständischen zur Schau gestellt hätte."
    Der Mechanismus funktioniert perfekt - bis heute
    Das Design der Tower Brücke hatte zwar von Anfang an Kritiker. Aber ihre raffinierte Hydraulik – bis 1976 mit Kohle und Wasserdampf betrieben – gilt als unbestrittene Meisterleistung. Die Brückenhebungen sorgen bei den Besuchern bis heute für Aufsehen.
    "Plötzlich wird es auf der Brücke unheimlich still, der Verkehr bleibt stehen, das ist ein unglaubliches Gefühl."
    Maschinen im Inneren der Tower Bridge in London, die für die Hydraulik zuständig ist.
    Im Inneren der Pfeiler sorgt Hydraulik für die Brückenhebungen (picture alliance / Prisma)
    Tatsächlich heben sich die beiden Straßenflügel unerwartet geräuschlos. Und unerwartet schnell. Zu viktorianischen Zeiten wurde die Tower Bridge bis zu 50 Mal am Tag hochgeklappt. Das musste rasch gehen, schließlich durfte auch der Verkehr auf der Brücke nicht allzu lang behindert werden. Die heutigen Containerriesen legen viel weiter stromabwärts an. Heute wird die Tower Brücke nur noch etwa 800 Mal im Jahr geöffnet. Eine technische Panne hat es noch nie gegeben.
    Der Mechanismus funktioniert perfekt, auch nach über 400.000 Hebungen. Die Brückenteile öffnen sich innerhalb von 60 Sekunden, allerdings ist der Zeitraum auf 90 Sekunden verlängert worden, um den Mechanismus ein bisschen zu schonen. Kein Zweifel, die Viktorianer haben Dinge gebaut, die Bestand hatten. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen. Diese Brücke ist 125 Jahre alt, wird aber auch in 125 Jahren noch stehen."