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Vor 135 Jahren eröffnete die französische Kaiserin Eugenie den Suezkanal

"L’Aigle", der Adler, hieß das erste der mehr als 80 Schiffe, die in feierlichem Zug von Port Said am Mittelmeer aus erstmals den Suez-Kanal durchquerten. An Bord des "Adlers" waren die französische Kaiserin Eugénie sowie der Jurist und Diplomat Ferdinand de Lesseps mit seinen beiden Söhnen Charles und Victor. Die reine Fahrtzeit für die 161 Kilometer betrug 16 Stunden. Am 20. November, um 11 Uhr vormittags, erreichte die kaiserliche Yacht das Rote Meer.

Von Jochen R. Klicker | 17.11.2004
    Die Kaiserin ist nichts als schön; nichts als bigott, nichts als gefallsüchtig, nichts als herrschsüchtig, nichts als egoistisch und nichts als leer.

    Mit diesen Worten warnte Reichskanzler Bismarck vor dem schädlichen Einfluss der spanischen Katholikin, die sich – wie bei der feierlichen Eröffnung des Suez-Kanals - immer intensiver in die Staatsgeschäfte einmischt, je öfter ihr kaiserlicher Gatte Napoleon III. kränkelte. Sie war entfernt verwandt mit Lesseps, der sich selbst zum "Schöpfer des Suez-Kanals" ernannt hatte. Der Historiker Ernesto Kienitz über den Karrieristen:

    Es ist für den Charakter von Lesseps bezeichnend, das er lange Zeit erfolgreich die wahre Autorenschaft der Baupläne verschleiert hat, indem er sich den Anschein gab, er wüsste nichts davon, dass andere schon längst sehr ernsthaft an den Entwürfen zur Durchstechung der Landenge von Suez gearbeitet hatten. Man mag über diese Skrupellosigkeit seines Charakters den Stab brechen; trotzdem ist es zu bewundern, dass Lesseps die sich ihm immer wieder in den Weg stellenden Schwierigkeiten besonders finanzieller und politischer Art überwand.

    Das Kanal-Bauwerk entworfen hatte in der Tat eine Studiengesellschaft mit einem österreichischen Ingenieur und hochrangigen k.u.k.-Beamten an der Spitze. Sein Name: Alois Negrelli von Moldelbe. Der war vom ägyptischen Vizekönig Said im Jahre 1857 nach Vorlage seiner Detailplanung zum Generalinspektor aller ägyptischen Kanalbauten ernannt worden. Doch starb Negrelli überraschend ein Jahr später. So "übernahm" Ferdinand von Lesseps mit seiner französischen Suezkanal-Gesellschaft die Aufgabe.

    Die Bauarbeiten begannen am 25. April 1859 und dauerten über zehn Jahre. Alles Material, alle Werkzeuge, Maschinen, Kohlen, Eisen und jedes Stück Holz wurde aus Europa geholt. Die Zahl der Arbeitskräfte – überwiegend Zwangsarbeiter – betrug insgesamt 1,5 Millionen Menschen. 25.000 desertierten. 125.000 starben, hauptsächlich an der Cholera. Rund 291 Millionen Francs verschlang der Bau. Allein die Festlichkeiten zur Eröffnung sollen den Vizekönig 20 Millionen gekostet haben. Die höchsten Ausgaben – nämlich 8000 Francs täglich - verursachte übrigens der Transport von Trinkwasser, für den 1.800 Lastkamele ständig bewegt werden mussten.

    Der neue Kanal wurde für die französisch dominierte Kanalgesellschaft schnell zu einem profitablen Unternehmen. Vor allem britische Schiffe nutzten ihn täglich mehrmals und zahlten die saftigen Fracht-Gebühren, weil sich der Seeweg von Bombay nach Liverpool und London um 24 Tage verkürzt hatte. Der Reichtum der Britischen Kronkolonie Indien passierte zu fast 100 Prozent den Isthmus von Suez. In London überlegte man, wie man an die Aktienmehrheit der Gesellschaft kommen könne. Da wurde Ende November 1875 bekannt, dass der schwer verschuldete Vizekönig schleunigst seine 1,77 Millionen Suezkanal-Aktien verkaufen wollte. Premierminister Bejamin Disraeli schlug zu:

    Kaum Zeit genug, um Atem zu holen, aber das Geschäft muss gemacht werden...

    ...schrieb er an Königin Victoria und erbat sich Handlungsfreiheit. Dann schickte er seinen Privatsekretär zu Chef-Banker Lionel Rothschild, der angeblich gerade beim Dessert war:

    Der Premierminister benötigt kurzfristig einen Kredit von vier Millionen Pfund. -
    Welche Sicherheit? - Die britische Krone. – Sie bekommen das Geld!


    Dank des raschen Zugreifens erwarb Großbritannien die Hälfte der Aktien zu einem Spottpreis, bekam eine beachtliche Dividende garantiert und machte aus dem Kanal und der gesamten Landenge eine britische Einflusszone, die erst 1956 durch den ägyptischen Präsidenten Nasser beendet wurde.