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Vor 20 Jahren
Der schwarze Tag von Imola

Am 1. Mai 1994 raste der dreifache Weltmeister, 41-fache-Grand-Prix-Sieger und Formel 1-Star Ayrton Senna beim Rennen in Imola in den Tod. Ein großer Schock, der eine Krise in der Formel 1 auslöste. Zumal dieser Unfall nicht der einzige schlimme Augenblick jenes Rennwochenendes war.

Von Jessica Sturmberg |
    Ein Mann fotografiert ein Poster des am 1. Mai 1994 tödlich verunglückten Ayrton Senna.
    Ein Mann fotografiert ein Poster des am 1. Mai 1994 tödlich verunglückten Ayrton Senna. (picture alliance / dpa / Giorgio Benvenuti)
    Es war 14:17 Uhr an einem sonnigen Sonntagnachmittag in der oberitalienischen Provinz Bologna. Der Moment, der in der Formel 1 alles veränderte. Der den Glauben endgültig erschütterte, der Motorrennsport könnte mittlerweile so sicher geworden sein, dass Todesfälle der Vergangenheit angehörten.
    Mit Tempo 320 war das große Idol Ayrton Senna in die berüchtigte Tamburello-Kurve von Imola gefahren und geradewegs auf die Mauer zugerast. Es gab keine Reifenstapel, die die Kollision hätten abmildern können. So war die Wucht, mit der er aufprallte, enorm.
    Der vordere und seitliche Teil seines Boliden waren völlig zerstört, Trümmer wirbelten umher und flogen als gefährliche Geschosse auf die Rennpiste. Die Motorsportwelt hielt den Atem an, als das Wrack zum Stehen kam. Hatte Senna diesen Crash überlebt? Der Monocoque, die Sicherheitszelle, in der die Piloten sitzen, sah bei ihm noch stabil aus, eine kleine Kopfbewegung gab zunächst Hoffnung, doch dann verrannen die Sekunden, in denen er sich nicht mehr regte und es immer klarer wurde: Hier war etwas ganz Schlimmes passiert.
    Gebannt verfolgten alle an den Bildschirmen wie sich Rettungsärzte um Senna kümmerten, wie der Hubschrauber den Starpiloten der Formel 1 abtransportierte. Sein Team Williams Renault war wie gelähmt. Auch ARD-Reporter Oliver Frick verkündete geschockt:
    "Ayrton Senna – wir haben es eben erfahren von der Chefärztin der Klinik in Bologna – hat ein Schädeltrauma, sehr, sehr schwere Kopfverletzungen, man musste einen Luftröhrenschnitt vornehmen. Sein Zustand ist sehr, sehr kritisch."
    Meldung um 18.40 Uhr
    Am Abend um 18.40 Uhr kam dann die Meldung: Senna ist klinisch tot. Weltweit löste diese Nachricht Bestürzung aus, vor allem aber in seiner Heimat Brasilien, wo er nahezu vergöttert wurde. Seine Bestattung ein paar Tage später wurde zu einem Staatsbegräbnis.
    In Imola war Sennas Tod aber nicht der einzige Vorfall gewesen:
    "Es ist wirklich, an diesem Wochenende kommt alles zusammen, mir fehlen auch langsam die Worte. Am Freitag ging das schon los."
    Da war Sennas Landsmann Rubens Barichello mit seinem Jordan im Training schwer verunglückt. Er hatte aber das Glück mit relativ geringen Verletzungen davon zu kommen. Einmal mehr wähnte sich die Motorsportwelt in trügerischer Sicherheit, erzählt Formel 1-Experte Anno Hecker, der damals aus Imola berichtete:
    "Wir haben alle nach dem ersten schweren Unfall gedacht, die Formel 1 ist so sicher, das ist unglaublich, der verunglückt mit über 300 und hat das Nasenbein gebrochen und kommt danach ins Fahrerlager zurück und spricht mit allen. Das war der Freitag. Am Samstag Vormittag verunglückt Roland Ratzenberger, der Neuling aus Österreich."
    Roland Ratzenberger, gleicher Jahrgang wie Ayrton Senna, aber in der Formel 1 noch wenig erfahren, er fuhr gerade seine ersten Rennen für das Außenseiter-Team Simtek.
    "Und dann hat jeder gedacht naja, ja ein Fahranfänger in Anführungsstrichen und dann in so einer Kiste. Dem Senna würde das nicht passieren. Das war so die Stimmung."
    Das Rennen startet mit einer Kollision
    Bis zum Renntag. Bereits zum Start ging es mit einer Kollision zweier Boliden los. Um die Trümmer von der Strecke zu räumen wurde das Rennen neutralisiert, die Fahrer mussten also langsam hinter dem Safety-Car herfahren. Richtig los ging das Rennen erst in Runde fünf.
    Nur zwei Runden später dann der Crash von Ayrton Senna. Und damit war die schwarze Serie in Imola immer noch nicht zu Ende. Kurz vor Schluss wurden auch noch Mechaniker schwer verletzt als sich beim Minardi Ford von Michele Alboreto das rechte Hinterrad löste.
    Das Rennen gewann letztlich Michael Schumacher, von Freude über den Sieg allerdings keine Spur, ARD-Reporter Oliver Frick:
    "Es wird Zeit, dass dieser Große Preis von San Marino endlich ein Ende findet, auch wenn Michael Schumacher in diesen Sekunden zu seinem dritten Sieg in dieser Weltmeisterschaftssaison zufährt. Er ist auf den letzten Metern dieser Strecke, er führt in seinem Benetton Ford mit fast einer Minute Vorsprung vor Nicola Larini im Ferrari und Mika Häkkinen im McLaren, aber unsere Gedanken sind natürlich bei Ayrton Senna in Bologna."
    Sennas Tod löste schließlich eine Sicherheits-Debatte aus. Vieles wurde verbessert, Auslaufzonen vergrößert, umfassendere Reifenstapel eingerichtet, strengere Crashtests durchgeführt. Immerhin ist seither kein Rennfahrer mehr zu Tode gekommen.
    Die Frage aber, warum Ayrton Senna an diesem 1. Mai 1994 sterben musste, warum er in die Mauer fuhr, ließ sich nie richtig aufklären. Er hatte zwar gebremst, aber nicht erkennbar gegengelenkt. Über die Hintergründe wird bis heute spekuliert. Man stellte fest, dass ein Teil der Radaufhängung an einem der Räder abgerissen war und Senna durch das Visier seines Helms getroffen hatte. Ob die Radaufhängung schon vorher gebrochen war und den Unfall ausgelöst hatte oder durch den Aufprall erst gebrochen war, gehört zu den ungelösten Fragen dieser Tragödie.
    Früher Tod macht Senna zur Ikone
    Zweifellos aber sorgte der frühe Tod dafür, dass Ayrton Senna als Formel 1-Ikone unsterblich wurde. Viele halten ihn für den besten und charismatischsten Rennfahrer aller Zeiten.Ein bisschen Verklärung schwingt dabei allerdings auch mit. Ganz frei von Fehl und Tadel war auch der populäre Brasilianer nicht. So zeigte er auch durchaus Härte im Kampf um den Titel. Beispielsweise als er 1990 das Duell zwischen ihm und Alain Prost im letzten Saisonrennen durch eine taktische Kollision gleich zu Beginn des Rennens entschied. Motorsportexperte Anno Hecker:
    "Senna lag nach Punkten vorne und hat ja quasi mit Ansage Prost in der ersten Kurve abgeschossen und wurde dann Weltmeister."
    Drei Mal holte sich Senna den Titel, fahrerisch war er herausragend, seinen Konkurrenten war er weit voraus, was das Gefühl für das Auto, sein technisches Verständnis und seine Rennintelligenz betrafen. Ähnliche Eigenschaften zeigten sich damals bei einem jungen Deutschen, der ausgerechnet im Todesjahr von Ayrton Senna 1994 zu seinem ersten Weltmeistertitel fuhr: Michael Schumacher, der am 1. Mai 1994 auch das Rennen in Imola gewann.