Dienstag, 23. April 2024

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Vor 250 Jahren geboren: Ludwig XVI.

1. Die Vollstreckung des Urteils gegen Louis Capet wird auf morgen, Montag, den 21. Januar festgesetzt.

Von Beatrix Novy | 23.08.2004
    2. Ort der Exekution ist der Platz der Revolution, vormals Platz Ludwig XV., zwischen Piedestal und Champs Elysées.
    3. Louis Capet verlässt das Gefängnis im Temple um 8 Uhr morgens, so dass die Exekution mittags erfolgen kann.

    In der letzten Nacht seines Lebens soll Louis Capet, vormals Ludwig XVI., König der Franzosen, fest geschlafen haben. Dass Ludwig ein phlegmatischer Mensch war, ist vielfach bezeugt, am eindrucksvollsten von ihm selbst: Am Abend des 14. Juli 1789 vermerkte er in seinem Tagebuch sorgfältig wie immer die Ereignisse des Tages: "14. Juli: nichts." Es war ja auch nur die Bastille gestürmt worden.

    Mit welchen Anlagen auch immer der Bourbonen-Prinz Ludwig am 23.August 1754 zur Welt gekommen sein mag: Es waren keine dabei, die ihn befähigt hätten, aus dem begrenzten Horizont seiner höfischen Lebensweise, aus Intrigen- und Ratgeberpolitik herauszutreten und, wie man heute sagen würde, Führungsqualitäten zu entwickeln. Mit 20, in einem Alter, in dem junge Männer heute Abitur machen, war er längst mit Marie Antoinette verheiratet, ohne viel mit ihr anfangen zu können; mit 20 wurde er absoluter Herrscher über das volkreichste Land Europas.

    Welch eine Bürde! Und man hat mir nichts beigebracht!

    Als ein Unglücklicher, dessen Verhängnis seine Harmlosigkeit war, galt Ludwig XVI. schon vielen seiner Zeitgenossen, und war es etwa nicht ein Zynismus der Weltgeschichte, dass sie ausgerechnet so ein schlichtes Gemüt dazu ausersah, unter der Guillotine der Französischen Revolution für den Untergang des Gottesgnadentums den tödlichen Beweis zu liefern? Ein Beobachter der Ereignisse nach 1789 urteilte etwas schärfer:

    Die französische Akademie hatte Ludwig dem 16ten den Titel des ehrlichsten Mannes in seinem Königreiche zuerteilt, und wie sich die Menschen überhaupt durch Worte gängeln lassen, so war es allgemein angenommen, dass der König solches sei. Mit Hülfe dieses Talismans und der allmächtigen Zeit hätte Ludwig und vielleicht seine Nachkommen noch lange den unruhigen Geist der Demokratie im Zaume gehalten.

    Ja, er hätte es gekonnt. Als er 1789 die Generalstände – die Vertreter von Adel, Klerus und Bürgertum - nach Paris einberief, weil der Staat ökonomisch zerrüttet war, verjubelt in 100 Jahren Misswirtschaft, da funktionierte noch die Bindung an den Monarchen, dem die Leute, vom liberal angehauchten Kleinadligen bis zur Marktfrau, traditionell ergeben waren. Ludwig, zu schwach für festes Auftreten, zu schwach aber auch, um sich entschlossen der konstitutionellen Idee zuzuwenden, rutschte halbherzig handelnd in sein Unglück. Er machte der immer mächtiger werdenden Revolution seine Konzessionen, doch nur unter Druck und scheibchenweise; gab an einem Tag den Forderungen der Revolutionäre nach, um am nächsten die Wiederherstellung des absoluten Königtums zu betreiben, taktierte kurzum jämmerlich – bis die Geschichte über ihn hinwegrollte. Nach dem Fluchtversuch der königlichen Familie - auch der ein Musterbeispiel schlechter Planung - entthront, wurde ihm der Prozess gemacht und das Unerhörte geschah: In öffentlicher Abstimmung sprachen sich 360 Konventsabgeordnete gegen, 387 aber für die Hinrichtung eines Königs von Gottes Gnaden aus.

    Volk, ich sterbe unschuldig,

    konnte Ludwig auf dem Schafott noch rufen. Eilig legte der Henker seinen Kopf unters Fallbeil: auf ein jähes Mitleid des Volkes wollte man es nicht ankommen lassen.

    Als am 21. Januar 1793 auf der späteren Place de la Concorde in Paris Ludwigs Kopf fiel, tat die Erde sich nicht auf, um die Mörder zu verschlingen - das sollte fortan auch der Dienstmagd in Frankfurt und dem Kutscher in London zu denken geben. Dass für diesen Wendepunkt der Geschichte einer sterben musste, der eben kein Tyrann war, scheint auch den deutschen Revolutionschronisten bewegt zu haben, der damals schrieb:

    Begnadigt eure abgedankten Fürsten! Behandelt sie mit Barmherzigkeit und Milde. Bedenkt, dass Tausende von Euch, unter ähnlichen Umständen, um kein Haar besser gewesen wären, als sie.

    (Zitate von Johann Heinrich Campe und Konrad Engelberg Oelsner)