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Vor 50 Jahren in West-Berlin
Studenten demonstrierten gegen den Vietnamkrieg

1968 erreichte der weltweite Protest gegen das Engagement der USA im Vietnamkrieg seinen Höhepunkt. Auch in Deutschland gab es Widerstand: Am 18. Februar 1968 zogen 12.000 Demonstranten durch West-Berlin. Die Demonstration verlief weitgehend friedlich.

Von Monika Köpcke |
    Sieben- bis achttausend Menschen nahmen am 18. Februar 1968 in Berlin an der Vietnam-Demonstration teil. Mit unzähligen großen Porträts u.a. von Che Guevara, Ho Tschi Minh, Lenin, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zogen die Demonstranten vom Kurfürstendamm zur Deutschen Oper, wo eine Kundgebung gegen den Krieg der Amerikaner in Vietnam mit mehreren Rednern stattfand. Die Formation des Protestmarsches wurde von SDS-Chefideologe Rudi Dutschke organisiert.
    Mit Porträts von Che Guevara bis Rosa Luxemburg - Studentenprotest gegen den Vietnamkrieg (picture-alliance / dpa / Giehr)
    Es war ein beeindruckender Demonstrationszug: Über 12.000 Menschen zogen am 18. Februar 1968 durch das nasskalte, graue West-Berlin. Ziel war der Platz vor der Deutschen Oper. In dessen unmittelbarer Nähe war im Juni 1967 der Student Benno Ohnesorg erschossen worden. Sein Tod hatte die schon länger schwelenden studentischen Proteste weiter angefacht. Ebenso wie der Vietnamkrieg.
    "Wir waren die Leute, zu denen Kennedy vor der FU gesagt hat: Leute, mischt euch ein. Demokratie ist, wenn ihr euch beteiligt. Macht was. Und genau das ist ja passiert."
    Der Schriftsteller Friedrich Christian Delius studierte 1968 in Berlin Germanistik.
    "Also, diese Enttäuschung, dass die von uns ja bewunderten Amerikaner sich da in einen Krieg begeben, der sozusagen den eigenen Prinzipien auch völlig widersprach. Das hat uns aufgewühlt und aufgeregt, so wie es ja auch Hunderttausende von amerikanischen Studenten in der Zeit aufgeregt hat."
    5.000 Kriegsgegner aus dem Ausland
    Vietnam war in einen kommunistischen Norden und einen prowestlichen Süden aufgeteilt. Die USA wollten um jeden Preis verhindern, dass sich das Land unter einem kommunistischen Regime wiedervereinigte, und begaben sich in einen nicht zu gewinnenden und immer brutaler werdenden Dschungelkrieg.
    "Wir sind froh und dankbar, dass unter uns Zig-Genossen aus dem Ausland weilen."
    Rudi Dutschke, Wortführer der Proteste und Vorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds, eröffnete am 17. Februar, einen Tag vor der großen Demonstration, im Audimax der Technischen Universität Berlin den Internationalen Vietnamkongress.
    "Es ist keine Zeit nüchterner, kalter von der Praxis getrennter Reflexion. Sondern eine Zeit der Mobilisierung. Die Aufgabe der Intellektuellen ist …"
    5.000 Kriegsgegner waren der Einladung gefolgt. Sie kamen aus Frankreich, England, Italien und den USA. Unter ihnen viele prominente Wissenschaftler und Künstler. Debattiert wurde über Inhalt und Formen des Widerstands, über die Legitimität von Gewalt und die Revolutionierung der Verhältnisse in der gesamten kapitalistischen Welt.
    "Jede radikale Opposition gegen das bestehende System, das uns mit allen Mitteln daran hindern will, Verhältnisse einzuführen, unter denen die Menschen ein schöpferisches Leben ohne Krieg, Hunger und repressive Arbeit führen können, muss heute notwendigerweise global sein."
    Marschtechnik irritierte die Polizisten
    Nachdem zwei Tage lang stundenlange Reden die Geduld der Kongressteilnehmer auf die Probe gestellt hatten, ging es am späten Sonntagnachmittag hinaus zur großen Abschlussdemonstration. Der Berliner Senat hatte sie eigentlich verboten, aber das Verwaltungsgericht hatte das Verbot wieder aufgehoben. Die Genossen aus Frankreich hatten von zu Hause eine vielfach bewährte Marschtechnik mitgebracht: Man hakte sich in einer Reihe unter und stürmte dann blockweise unter Ho-Chi-Minh-Rufen ein gutes Stück voran. Bei den in großer Zahl den Zug begleitenden Polizisten erntete man damit Irritation und Verunsicherung.
    "Was halten Sie als Berliner Arbeitnehmer von diesen Demonstrationen?"
    "Wir können uns das einfach in Zukunft nicht mehr leisten, dass hier so radikalistisch rumgefummelt wird von der linken Seite aus. Das ist ja ekelhaft! Das kotzt einen ja als Berliner an."
    (Friedrich Christian Delius) "Natürlich war es unerhört, überhaupt gegen die Besatzungsmacht, die uns ja geschützt hat vor der Sowjetunion - und das war ja nun eine echte Gefahr auch in Berlin -, dass man es wagte, gegen die zu demonstrieren. Aber das war ja gerade das, was uns provoziert hat, dass man gesagt hat: Also, ihr habt nicht gegen die Amerikaner zu sein, weil die uns hier beschützen."
    Erboste Bürger
    "Wir sind eine kleine radikale Minderheit! Wir sind eine kleine radikale …"
    Die Demonstration verlief weitgehend friedlich - nur von der Gegenseite kam es zu Übergriffen: Erboste Bürger entrissen Demonstranten ihre Transparente, andere rollten mit ihrem PKW in die Menge. Glücklicherweise kam es nur zu leichten Verletzungen. Doch diese Reaktionen waren schärfer als die Studenten es bis dahin gewohnt waren. Für den 21. Februar, drei Tage nach der großen Kundgebung, rief der Berliner Senat zu einer Gegendemonstration am Westberliner Rathaus auf. Fast 80.000 Menschen kamen, um für die USA und gegen die revoltierenden Studenten zu demonstrieren.