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Vor 55 Jahren erkennt Großbritannien als erster westlicher Staat die Volksrepublik China an

Ein historischer Moment: Mao Zedong proklamiert die Volksrepublik China, am 1. Oktober 1949, auf dem Platz des himmlischen Friedens.

Von Georg Gruber | 06.01.2005
    Das chinesische Volk hat sich erhoben. (...) Die Chinesen werden nie mehr ein Sklavenvolk sein.

    Für China endete eine Phase des Bürgerkriegs und eine Phase der außenpolitischen Schwäche. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war das Land immer stärker unter den Einfluss imperialistischer Kolonialmächte geraten.

    Die chinesischen Kaiser hatten sich traditionell stets als Weltherrscher an der Spitze der Zivilisation verstanden. Diplomatische Beziehungen aufzunehmen, wie es besonders Großbritannien bereits Anfang des 19. Jahrhunderts wünschte, war diesem Denken völlig fremd. Das hätte Gleichheit vorausgesetzt, zu der sich China nicht herablassen wollte. Die Engländer galten als "Barbaren".

    Ch’i-ying 1844, ein Berater des Kaisers Daoguang: ... außerhalb der Zivilisation ... blind und ungebildet in Anredeformen und Zeremonien.

    Doch die Barbaren gebrauchten Gewalt: Großbritannien erzwang die Öffnung des Reiches der Mitte, militärisch. Die Engländer, die mit Opium handelten, wollten ein von chinesischer Seite erlassenes Verbot der Droge nicht hinnehmen. Die Folge war der Opiumkrieg, der 1843 mit dem ersten der so genannten "ungleichen Verträge" endete. Großbritannien, später auch Frankreich, Amerika, das Deutsche Reich und Japan verlangten und bekamen Sonderrechte, von Flottenstützpunkten bis zu Zolleinnahmen. Und Hongkong wurde britische Kolonie, "auf ewig", wie es hieß.

    Die UdssR war 1949 der erste Staat, der die kommunistische Regierung anerkannte und damit Maos Sieg über die Kuomintang. Die Nationalchinesen, die im Bürgerkrieg von den USA unterstützt worden waren, setzten sich nach Taiwan ab.
    Als erster Staat aus dem westlichen Lager erkannte dann am 6. Januar 1950 Großbritannien Maos Volksrepublik an.

    Wir tragen damit lediglich der Tatsache Rechnung, dass dieses Land eine neue Regierung hat.

    Erklärte ein Sprecher des britischen Außenministeriums.

    Politik und Methoden der Regierung Mao Zedongs werden jedoch nicht gebilligt.

    Die USA waren über diesen Schritt in Zeiten des Kalten Krieges nicht sonderlich erfreut. Ein Sprecher des Weißen Hauses betonte, dass es weiter das Ziel amerikanischer und auch britischer Politik bleibe:

    ein stabiles, unabhängiges und von fremder Herrschaft freies China zu haben.

    In den 50er Jahren wurde das kommunistische Lager vom Westen noch als einheitlicher Block gesehen, China als enger Verbündeter der UdssR - auch wenn das Verhältnis überhaupt nicht so eng war. China wurde als Gefahr für den Frieden in der asiatisch-pazifischen Region wahrgenommen, auch von den Briten, trotz der Aufnahme diplomatischer Beziehungen:

    Die gegenwärtige Lage ist absurd,

    kritisierte die konservative Zeitung Daily Telegraph im Mai 1952.

    In Korea kämpfen wir gegen chinesische "Freiwillige", in Malaya und in Indochina hält Mao Zedongs Einfluss und Unterstützung die Rebellen aufrecht, deren Aktionen die britischen und französischen Regierungen (...) zu zerschlagen versuchen. (...) Es sollte doch mit der Farce Schluß gemacht werden, an einer Stelle Vertreter beim Feind zu akkreditieren und ihn an einer anderen zu bekämpfen.

    Die "Vertreter beim Feind" waren allerdings lange nur auf niedriger Ebene angesiedelt, die Beziehungen blieben reduziert. Der Grund: Chinas Enttäuschung über die fehlende britische Unterstützung in der UNO, denn China wollte den Sitz im UNO-Sicherheitsrat übernehmen, den noch immer Taiwan besetzte.

    Radio Peking 1968, Kundgebung zum 19. Jahrestag der Gründung der VR:
    Proletarier aller Länder vereinigt euch
    Nieder mit dem US-Imperialismus
    Nieder mit dem Sowjet-Revisionismus


    Radio Peking 1968, eine Kundgebung auf dem Höhepunkt der chinesischen Kulturrevolution. Eine Phase der außenpolitischen Isolation, in der auch die britische Vertretung von Roten Garden gestürmt wurde.
    Botschafter wurden schließlich erst rund 20 Jahre nach der diplomatischen Anerkennung ausgetauscht, 1972. Vorangegangen war da freilich schon eine amerikanisch-chinesische Annäherung.
    Hongkong, die britische Kronkolonie, wurde - nach langen Verhandlungen, die immer wieder das Verhältnis der beiden Staaten belasteten - 1997 wieder an China übergeben. Heute geht es, so wie bei allen europäischen Staaten stehen, hauptsächlich um den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen.