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Vor 60 Jahren
Als Edmund Hillary den Wettlauf zum Südpol gewann

Nach Roald Amundsen und Robert Falcon Scott war er die Nummer drei am Südpol: Sir Edmund Hillary erreichte am 4. Januar 1958 sein Ziel in der Antarktis. Doch an Hillarys Erfolg entzündeten sich heftige Debatten. Denn dieser Ruhm hätte dem Briten Sir Vivian Fuchs zukommen sollen.

Von Dagmar Röhrlich | 04.01.2018
    Sir Edmund Hillary, auf Traktor sitzend, entlädt am 3. März 1958 das Versorgungsschiff "Theron" in der Scott Base, wo die Commonwealth Trans-Antarctic Expedition (CTAE) unter Leitung von Hillary und dem Wissenschaftler Vivian Fuchs einen Tag zuvor erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
    Sir Edmund Hillary, auf Traktor sitzend, entlädt am 3. März 1958 das Versorgungsschiff "Theron" in der Scott Base, wo die Commonwealth Trans-Antarctic Expedition (CTAE) unter Leitung von Hillary und dem Wissenschaftler Vivian Fuchs einen Tag zuvor erfolgr (picture alliance)
    3200 Meter hoch gelegen, inmitten eines Ozeans aus Eis und Schnee: der Südpol. Am 20. Januar 1958 kam es dort - zeitgenössischen Berichten zufolge – zu einer bemerkenswerten Begegnung.
    Zwei Männer treffen sich: "Hallo, Bunny" sagt der eine. "Verdammt froh, dich zu sehen, Ed", der andere. Freundlich begrüßen sich Edmund Hillary und Vivian Fuchs am Südpol. Doch zu diesem Zeitpunkt waren aus den einstigen Partnern bereits Konkurrenten geworden.
    "Es ist wohl wahr, dass von Anfang an mein Hauptinteresse darin lag, den Pol zu erreichen. Doch zu Beginn der Expedition war das wirklich sekundär", wird Edmund Hillary später über die Commonwealth Trans-Antarctic Expedition, die letzte der großen Antarktisexpeditionen, erzählen.
    Hillary sollte ihm von der anderen Seite des Kontinents her entgegenkommen
    Der Neuseeländer hatte bereits den Mount Everest bezwungen – sein Ehrgeiz und Durchsetzungsvermögen waren legendär. Der ideale Partner also für den britischen Polarforscher Vivian Fuchs – seit Studienzeiten auch "Bunny", Häschen genannt.
    Fuchs wollte den mehr als 50 Jahre alten Traum Ernest Shackletons verwirklichen und als erster die Antarktis auf dem Landweg durchqueren. Der Neuseeländer Hillary sollte ihm von der anderen Seite des Kontinents her entgegenkommen und in festgelegten Distanzen Nahrung und Treibstoff deponieren.
    "Nach unserem Programm sollten wir auf einer mehr als 1000 Kilometer langen Strecke Depots errichten und den Kontinent erkunden. Ursprünglich sollten wir das antarktische Hochland mit Hundegespannen durchqueren und an den Depotpunkten die Flugzeuge mit dem Material herbeirufen. Doch die Hundeschlitten erwiesen sich als wenig effizient, und wir zogen den größten Teil der Ausrüstung mit unseren Traktoren - egal, wie das Wetter war."
    Normale Feldtraktoren mit Raupenketten waren wenig geeignet
    Fuchs' Team startet mit seinen Raupenfahrzeugen von der Vahselbucht am Weddellmeer an einem Ende des Kontinents, der Ausgangspunkt Hillarys ist der McMurdo-Sund am Ross-Meer am anderen. Treffen sollen sich die beiden am Depot 700, Hillarys letztem Depot, rund 800 Kilometer vor dem Pol. Fuchs führt unterwegs seismische und gravimetrische Sondierungen durch, um die Eisdicke zu bestimmen, und er hat die schwierigere Route. Doch auch Hillary hat mit dem gefährlichem Terrain zu kämpfen:
    "Unsere Traktoren waren im Grunde mit Raupenketten versehene normale Traktoren vom Feld. Sie eigneten sich kaum für weichen Schnee, und sie 'spürten' wirklich jede einzelne Spalte im Eis auf. Wir sind oft mit den Hinterrädern eingebrochen und mussten mit ganzer Kraft auf der anderen Seite wieder herauskrabbeln."
    Am Südpol, den Vivian Fuchs nach Amundsen und Scott als dritter Expeditionsleiter erreichten will, haben die US-Amerikaner im November 1956 die Amundsen-Scott-Station errichtet. Nur Fuchs soll diesen magischen Punkt passieren. Doch Hillary verfolgt bald einen ambitionierten Plan:
    "Unser Drang, auch den Südpol zu erreichen, wurde im Lauf der Expedition immer stärker. Weil alles recht glatt ging, wurde mir bewusst, dass wir es - mit ein bisschen mehr Treibstoff und ein bisschen mehr Einsatz - schaffen könnten. Als mir das klar wurde, habe ich meine ganze Energie daran gesetzt, dorthin zu kommen."
    Fuchs erreicht den Südpol erst zwei Wochen später
    Die Depots sind gelegt. Hillary und Fuchs stehen in Kontakt, allerdings meist über Morsecode, und es dauert Tage, ehe die Nachrichten des einen über London und Wellington den anderen erreichen. Vivian Fuchs liegt weit hinter dem Zeitplan zurück, Hillary glaubt, dass in dessen Team die Moral sinke. Ihn hält nichts mehr auf. Er funkt:
    "Wir sind versessen darauf, zum Pol zu fahren - wenn Gott und die Gletscherspalten es erlauben."
    Die letzte Etappe ist schwierig, Gletscherspalten zwingen zu Umwegen, der Schnee ist tief: Fast hätte Hillary aufgeben müssen. Dann - am 4. Januar 1958 - sehen er und sein Team endlich die Kuppel der Amundsen-Scott-Station. Nur ein einziges Fass Treibstoff haben sie noch übrig – doch sie erreichen den Pol vor Vivian Fuchs. Der trifft erst zwei Wochen später ein - und vollendet die gesamte Traverse schließlich am 2. März 1958. Dem britischen Polarforscher Fuchs war damit zwar die erste Antarktisquerung auf dem Landweg gelungen. Doch es war der "Sieg" des Bergsteigers Hillary, an den man sich später vor allem erinnern sollte.